1.2.1 Veräußerer hat ein Wahlrecht

Bei einer Betriebs- oder Anteilsveräußerung gegen wagnisbehaftete wiederkehrende Bezüge gesteht die Rechtsprechung dem Steuerpflichtigen ein Wahlrecht (sog. Veräußererwahlrecht) zu: Er kann wählen zwischen einer

  • tarifbegünstigten Besteuerung eines Veräußerungsgewinns im Zeitpunkt der Veräußerung und einer
  • verzögerten sukzessiven Besteuerung nachträglicher Einkünfte aus Gewerbebetrieb, Land- und Forstwirtschaft oder selbstständiger Arbeit im jeweiligen Jahr des Zuflusses.[1]

     
    Hinweis

    Grund für das Wahlrecht

    Das Wahlrecht zugunsten der Zuflussbesteuerung wird damit begründet, dass der Veräußerer häufig nicht über Mittel verfügt, um den Barwert der Veräußerungsrente versteuern zu können.[2]

1.2.2 Wahl der Sofortversteuerung

Bei Wahl der Sofortversteuerung wird die Differenz zwischen dem Barwert der Rente – nach Abzug der vom Veräußerer getragenen Veräußerungskosten – und dem Buchwert des steuerlichen Kapitalkontos im Zeitpunkt der Veräußerung als Veräußerungsgewinn versteuert.

Die zufließenden Rentenzahlungen unterliegen nur noch mit ihrem Ertragsanteil als sonstige Einkünfte der Einkommensteuer.[1]

 
Praxis-Beispiel

Sofortversteuerung

Der 65 Jahre alte Einzelgewerbetreibende A veräußerte mit Wirkung ab 1.1.2020 seinen Gewerbebetrieb an B gegen eine monatlich im Voraus zahlbare Leibrente, deren Barwert 220.000 EUR beträgt. Das steuerliche Kapitalkonto des A beläuft sich im Zeitpunkt der Veräußerung auf 100.000 EUR.

Wenn A die Sofortversteuerung wählt, entsteht ihm ein Veräußerungsgewinn in Höhe der Differenz zwischen dem Rentenbarwert (220.000 EUR) und seinem steuerlichen Kapitalkonto (100.000 EUR), also i. H.  v. 120.000 EUR. Der Veräußerungsgewinn bleibt auf Antrag i.  H.  v. 45.000 EUR steuerfrei[2], der verbleibende Veräußerungsgewinn von 75.000 EUR ist ohne Antrag nach der Fünftel-Regelung des § 34 Abs. 1 EStG oder auf Antrag mit dem ermäßigten Steuersatz nach § 34 Abs. 3 EStG zu versteuern. Die Rentenzahlungen unterliegen bei A mit ihrem Ertragsanteil von 18 % der zufließenden Rente als sonstige Einkünfte der Einkommensteuer.

1.2.3 Wahl der Zuflussbesteuerung

Veräußerungen vor dem 1.1.2004: Wählt der Veräußerer die Zuflussbesteuerung, liegt ein steuerpflichtiger Zufluss erst vor, wenn die Rentenzahlungen sein steuerliches Kapitalkonto im Zeitpunkt der Veräußerung – zuzüglich der von ihm getragenen Veräußerungskosten – übersteigen.[1]

Dem Veräußerer entsteht dann kein Veräußerungsgewinn, sondern er erzielt nachträgliche gewerbliche, freiberufliche oder land- und forstwirtschaftliche Einkünfte.[2]

Die nachträglichen Einkünfte unterliegen der Einkommensteuer zum Normaltarif; weder der Freibetrag noch die Tarifermäßigung können in Anspruch genommen werden.

Veräußerungen nach dem 31.12.2003: Bei Veräußerungen ab 1.1.2004 teilt die Finanzverwaltung[3] die Renten im Zeitpunkt ihres Zuflusses in einen Zins- und Tilgungsanteil (Kapitalanteil) auf.[4]

Als nachträgliche Betriebseinnahme unterliegt der "Zinsanteil" – sofort mit der ersten Rentenzahlung – in voller Höhe der Besteuerung, der Tilgungsanteil dagegen erst nach Verrechnung mit dem Buchwert einschließlich der Veräußerungskosten.

Ein Freibetrag oder eine Steuerermäßigung wird nicht gewährt, es handelt sich um steuerpflichtige nachträgliche Einkünfte gem. § 24 Nr. 2 EStG.

 
Praxis-Tipp

Doch keine Aufteilung in Zins- und Kapitalanteil?

Das Hessische FG[5] lehnt eine Aufteilung in einen Zins- und Kapitalanteil ab. Wählt der Steuerpflichtige das als Billigkeitsregelung ausgestaltete Wahlrecht, eine Kaufpreiszahlung aus der Geschäftsveräußerung abweichend vom Normalfall nicht sofort zu versteuern, sondern die Rentenzahlungen als nachträgliche Betriebseinnahmen i. S. d. § 15 i. V. m. § 24 Nr. 2 EStG zu behandeln, hat er sich auch an dieser Wahl unter Beachtung aller in der Billigkeitsregelung festgelegten Konsequenzen festhalten zu lassen. Der in den Kaufpreisraten enthaltene Zinsanteil teilt dann das Schicksal des in den Kaufpreisraten enthaltenen Tilgungsanteils. Vergleichbare Fälle sollten offengehalten werden, bis der BFH entschieden hat. Sofern der BFH die Auffassung des Hessischen FG bestätigen sollte, würde die für Veräußerungen vor dem 1.1.2004 geltende Rechtslage wieder hergestellt.

 
Hinweis

Wahl der Zuflussbesteuerung

Zu einer Zuflussbesteuerung kann es nur kommen, wenn dies vom Steuerpflichtigen ausdrücklich gewählt wird.[6]

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