Rz. 6

Der BGH hat sich in einigen grundlegenden Urteilen der Herausarbeitung von Abgrenzungskriterien zwischen Eigen- und Fremdkapital gestellt. Ausgangspunkt und theoretische Grundlage kann dabei das "Klöckner-Urteil" des BGH[1] bilden. Kernbereich der Entscheidung ist die Formulierung von Abgrenzungskriterien zwischen Genussrechts- und Aktienkapital (= gezeichnetes Kapital). Unbestritten ist wohl, dass das Aktienkapital einer Gesellschaft als materielles Eigenkapital im eigentlichen Sinne angesehen werden kann. Der BGH hatte in seinem Urteil zu entscheiden, unter welchen Voraussetzungen eine aktiengleiche Ausgestaltung des Genussrechtskapitals angenommen werden kann. Er kommt im Hinblick auf das Kriterium der Verlustteilnahme zu dem Ergebnis, dass die Verlusttragung unabdingbare Voraussetzung für die Annahme einer aktiengleichen Kapitalausstattung ist. Genussrechte gewähren keine Mitgliedschaftsrechte i. S. v. Stimmrechten.

Nach IDW HFA 1/1994 "Zur Behandlung von Genussrechten im Jahresabschluss von Kapitalgesellschaften" ist Voraussetzung für die Qualifikation einer Kapitalzufuhr als bilanzielles Eigenkapital eine ausreichende Haftungsqualität des überlassenen Kapitals unter Berufung auf die Gläubigerschutzfunktion des handelsrechtlichen Jahresabschlusses. Unerheblich ist dagegen aus dieser Sicht, ob die Kapitalzufuhr durch Gesellschafter erfolgt.

Nach IDW HFA 1/1994, Tz. 2.1.1 ist eine schuldrechtlich begründete Kapitalüberlassung nur dann als bilanzielles Eigenkapital auszuweisen, wenn folgende Kriterien kumulativ erfüllt werden:

  • Nachrangigkeit,
  • Erfolgsabhängigkeit der Vergütung sowie Teilnahme am Verlust bis zur vollen Höhe,
  • Längerfristigkeit der Kapitalüberlassung.

Die genannten Kriterien werden in der Literatur auch als wesentliche Kriterien zur Qualifizierung von stillen Einlagen als Eigenkapital genannt.[2] Für die Ausgestaltung der typischen stillen Gesellschaft wird die Verlusttragung bereits durch § 232 Abs. 2 HGB bestimmt, wobei die Regelung dispositiver Natur ist.

 

Rz. 7

Hinter dem Kriterium der Nachrangigkeit verbirgt sich letztlich die Forderung, dass die derart bereitgestellten Finanzierungsmittel erst dann zur Auszahlung gelangen, wenn alle übrigen vorrangigen Gläubiger der Gesellschaft befriedigt wurden.[3] Die Vorlage einer Nachrangigkeitsvereinbarung als Voraussetzung für einen Ausweis als materielles Eigenkapital wird am Beispiel des Genussrechtskapitals auch durch den HFA des IDW gefordert.[4]

Explizite Entscheidungen des BGH zur Problematik der Nachrangigkeit liegen nicht vor, eine indirekte Schlussfolgerung ergibt sich aber aus der "Klöckner-Entscheidung" des BGH.[5] Eine aktiengleiche Ausgestaltung des Genussrechtskapitals (und damit eine materielle Eigenkapitalzuordnung) wird danach u. a. dann abgelehnt, wenn den Genussrechtsinhabern das Kapital in der Liquidation der Gesellschaft vor den Aktionären zurückzuzahlen ist.

 

Rz. 8

Als weitere Voraussetzung ist die Längerfristigkeit der Kapitalüberlassung zu erfüllen. Das "Klöckner-Urteil" des BGH[6] als Grundsatzentscheidung zur Herausarbeitung von Abgrenzungscharakteristika zwischen Eigen- und Fremdkapital geht noch von der Notwendigkeit einer unbegrenzten Kapitalüberlassung im Sinne einer fehlenden Kündigungsmöglichkeit aus, um Genussrechtskapital in materielles Eigenkapital umzuqualifizieren. Das IDW definiert das Kriterium der Längerfristigkeit der Kapitalüberlassung allerdings folgendermaßen:

"Das Genussrechtskapital kann ferner nur unter der weiteren Bedingung als Eigenkapital qualifiziert werden, dass es für einen längerfristigen Zeitraum überlassen wird, während dessen sowohl für den Genussrechtsemittenten als auch den Genussrechtsinhaber die Rückzahlung ausgeschlossen ist. Eine Umqualifizierung von Eigen- in das Fremdkapital während der Laufzeit der Genussrechte in Abhängigkeit von deren Restlaufzeit ist deshalb grundsätzlich nicht erforderlich. Anderes gilt, wenn eine Rückzahlung in Ermangelung entsprechender Kündigungsfristen vor Ablauf des auf den Abschlussstichtag folgenden Geschäftsjahres möglich ist oder wenn im Zeitablauf bspw. durch Kündigung mit nicht sofort fälliger Auszahlung die übrigen Eigenkapitalkriterien nicht mehr erfüllt werden. Aus Gründen des Gläubigerschutzes ist im Anhang die jeweilige Restlaufzeit anzugeben."[7]

 

Rz. 9

Problematisch ist die Auffassung des BGH deshalb, weil auch das Aktienkapital (= gezeichnetes Kapital) einer Gesellschaft nicht unbefristet zur Verfügung gestellt wird. Es erscheint nicht sachgerecht, dass an den Ausweis des Genussrechtskapitals höhere Anforderungen gestellt werden, als an die übrigen Eigenkapitalpositionen des § 266 Abs. 3a HGB. Das Grundkapital (gezeichnetes Kapital) einer Aktiengesellschaft kann nach Maßgabe der §§ 222 ff. AktG, wie nachfolgend noch genauer aufgezeigt wird, relativ kurzfristig herabgesetzt werden. Bezüglich des Mindestnennbetrags ist allerdings § 228 AktG zu beachten. Auch die Gewinnrücklagen können durch einen entsprechenden Gewinnverwendungsbeschluss von Vorstan...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Finance Office Professional. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge