Rz. 1

Aus der Perspektive einer bilanzrechtlichen Kategorisierung rekurrieren Kapitalveränderungen auf die Veränderung des gezeichneten Kapitals i. S. d. § 272 HGB. Außerhalb des Bilanzrechts ist es durchaus üblich, derartige Veränderungen auch als Veränderungen des Nennkapitals zu bezeichnen. Nachfolgend soll allerdings bereits eine unmittelbare Anbindung an die Terminologie des Bilanzrechts erfolgen. Veränderungen des gezeichneten Kapitals, ob als Kapitalerhöhung oder als Kapitalherabsetzung, sind zunächst lediglich als formelle Änderungen des unter Bezugnahme auf die formalen gesellschaftsrechtlichen Festschreibungsmöglichkeiten vereinbarten Betrags des gezeichneten Kapitals zu verstehen. Ein materieller Mittelzufluss oder Mittelabfluss kann, muss aber nicht, mit der formalen Kapitalveränderung zusammenfallen. Die Bezeichnung "Gezeichnetes Kapital" bringt zum Ausdruck, dass es sich um das gezeichnete, nicht notwendig eingezahlte Kapital handelt.[1]

Der Anwendungsbereich des § 272 HGB erstreckt sich nicht nur auf die AG und die GmbH, sondern auch auf die SE, die KGaA sowie die UG (haftungsbeschränkt) und Gesellschaften nach dem PublG (§ 5 Abs. 2 Satz 2 PublG). Der sinngemäßen Anwendung auf Gesellschaften i. S. d. § 264a HGB kommt eher untergeordnete Bedeutung zu.

 

Rz. 2

Gem. § 272 Abs. 1 Satz 1 HGB ist das gezeichnete Kapital das Kapital, auf das die Haftung der Gesellschafter für die Verbindlichkeiten der Kapitalgesellschaft gegenüber den Gläubigern beschränkt ist (Haftungsfonds). Haben die Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft ihre Einlage rechtswirksam erbracht, so haften sie – trotz der missverständlichen Definition in § 272 Abs. 1 HGB – grundsätzlich nicht mehr persönlich. Hieraus resultieren auch die strengen Regelungen hinsichtlich Erhaltung und Aufbringung des gezeichneten Kapitals.[2] Der Begriff des gezeichneten Kapitals macht überdies deutlich, dass es nicht notwendigerweise eine Kongruenz zum bereits ggf. erfolgten Umfang des eingezahlten Kapitals geben muss.[3]

 

Rz. 3

Eine besondere Relevanz erhält das gezeichnete Kapital im Kontext der Kapitalerhaltungskonzeption des GmbH-Rechts und des Aktienrechts im Sinne des Gläubigerschutzes. So darf nach § 30 Abs. 1 Satz 1 GmbHG das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermögen der GmbH nicht an die Gesellschafter ausbezahlt werden (Rückzahlungsverbot).[4] Zahlungen, welche den Vorschriften des § 30 GmbHG zuwider geleistet sind, müssen nach § 31 GmbHG der Gesellschaft erstattet werden. Mit gleicher Intention regelt § 57 Abs. 3 AktG, dass vor der Auflösung der AG nur der Bilanzgewinn unter die Aktionäre verteilt werden darf. Gemäß § 57 Abs. 1 Satz 1 AktG dürfen den Aktionären die Einlagen nicht zurückgewährt werden.

Bedeutung kommt der Höhe des gezeichneten Kapitals auch hinsichtlich des Verhältnisses der Kapitalgesellschaft gegenüber ihren Gesellschaftern sowie im Verhältnis der Gesellschafter untereinander zu. So rekurrieren u. a. das Gewinnbeteiligungsrecht, das Bezugsrecht, das Anteilsrecht am Liquidationserlös oder auch das Stimmrecht auf die Anteilshöhe des Gesellschafters am gezeichneten Kapital.[5] Folgt man der in der Literatur üblichen Differenzierung zwischen variablen und konstanten Eigenkapital-Konten, so zeichnen sich die konstanten Eigenkapital-Konten dadurch aus, dass sie lediglich unter Berücksichtigung von Form- und Fristerfordernissen in ihrer Höhe verändert werden können.[6] Zu dieser Unterform gehört auch das gezeichnete Kapital.

[1] Vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Durchführung der Vierten Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften zur Koordinierung des Gesellschaftsrechts (Bilanzrichtlinie-Gesetz), BT-Drucks. 10/317 S. 82.
[2] Vgl. Servatius, in Noack/Servatius/Haas, GmbHG, 23. Aufl. 2022, § 3 Rz. 14.
[3] Vgl. Gesetzesentwurf der Bundesregierung zum BiRiLiG, BT-Drucks. 10/317 S. 82.
[4] Seidler, in Bertram/Kessler/Müller, Haufe HGB Bilanz Kommentar, 14. Aufl. 2023, § 272 HGB Rz. 18.
[5] Vgl. Haaker, in Kirsch, Rechnungslegung – Kommentar, 99. Ergänzungslieferung 2019, § 272 HGB Rz. 13; Seidler, in Bertram/Kessler/Müller, Haufe HGB Bilanz Kommentar, 14. Aufl. 2023, § 272 HGB Rz. 19.

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