Im Zusammenhang mit der Einführung der Abgeltungsteuer wurden zunehmend Versicherungsverträge mit einem minimalistischen Versicherungsschutz hinsichtlich des biometrischen Risikos angeboten. Beispielsweise gibt es Verträge, bei denen im Todesfall nur 1 % über dem zu diesem Zeitpunkt angesammelten Vermögen gezahlt werden. Bei Verträgen mit einem derart minimalistischen Versicherungsschutz tritt der Vorsorgecharakter einer Lebensversicherung soweit hinter dem Zweck der Kapitalanlage zurück, dass eine privilegierte Besteuerung, d. h. die Versteuerung nur des hälftigen Unterschiedsbetrags nach einer Laufzeit von mindestens 12 Jahren und einem Lebensalter von 60 bzw. 62[1] Jahren[2], nicht angemessen erscheint. Denn bei Versicherungen mit minimalistischem Versicherungsschutz steht nicht die Vorsorge durch eine Versicherung, sondern die Erzielung steuerlicher Vorteile im Vordergrund.[3]

Hieraus folgt, dass die privilegierte Besteuerung[4] nicht zum Tragen kommt, wenn

  • in einem Kapitallebensversicherungsvertrag mit vereinbarter laufender Beitragszahlung in mindestens gleichbleibender Höhe bis zum Zeitpunkt des Erlebensfalls die vereinbarte Leistung bei Eintritt des versicherten Risikos weniger als 50 % der Summe der für die gesamte Vertragsdauer zu zahlenden Beiträge beträgt (50 %-Regel) und
  • bei einem Kapitallebensversicherungsvertrag die vereinbarte Leistung bei Eintritt des versicherten Risikos das Deckungskapital oder den Zeitwert der Versicherung spätestens 5 Jahre nach Vertragsabschluss nicht um mindestens 10 % des Deckungskapitals, des Zeitwerts oder der Summe der gezahlten Beiträge übersteigt (10 %-Regel). Dieser Prozentsatz darf bis zum Ende der Vertragslaufzeit in jährlich gleichen Schritten auf Null sinken.[5]
 
Wichtig

Anwendungszeitpunkt

Die Neuregelungen hinsichtlich des Mindesttodesfallschutzes sind für alle Versicherungsverträge anzuwenden, die nach dem 31.3.2009 abgeschlossen werden oder bei denen die erstmalige Beitragsleistung nach dem 31.3.2009 erfolgt.[6]

[1] Für Vertragsabschlüsse nach dem 31.12.2011 gilt § 52 Abs. 28 Satz 7 EStG.
[2] S. gesonderter Abschnitt.
[3] BT-Drucks. 16/11108 S. 14 f.

3.1.2.1 Einzelheiten der "50 %-Regel"

Bei Kapital-Lebensversicherungen mit einer vereinbarten laufenden Beitragszahlung bis zum Zeitpunkt des Erlebensfalls werden mindestens 50 % der über die gesamte Laufzeit zu zahlenden Beiträge als Mindesttodesfallschutz vorausgesetzt. Bei Kapital-Lebensversicherungen, bei denen die Todesfallsumme mindestens der Erlebensfallsumme entspricht, ist die Festlegung eines Mindesttodesfallschutzes allerdings nicht erforderlich.[2]

 
Praxis-Beispiel

Auswirkung des Mindesttodesfallschutzes auf Versicherungsleistung

Der Versicherungsvertrag hat eine Laufzeit von 25 Jahren. Die jährliche Prämie beträgt 1.200 EUR, mithin sind insgesamt 30.000 EUR Prämien zu zahlen.

  • Beträgt die Todesfallleistung (Risikoleistung) weniger als 15.000 EUR, entfällt die steuerliche Vergünstigung (Ansatz nur des hälftigen Unterschiedsbetrags) bei Auszahlung der Versicherungsleistung nach Vollendung des 60. bzw. 62.[3] Lebensjahres.
  • Beträgt die Leistung im Todesfall dagegen mindestens 15.000 EUR, kommt steuerlich bei Auszahlung der Versicherungsleistung nach Vollendung des 60. bzw. 62.[4] Lebensjahres nur die Hälfte des Unterschiedsbetrags[5] zum Ansatz.
 
Wichtig

Karenzzeit

Ein Ausschluss der Risikotragung in den ersten Jahren der Vertragslaufzeit ist bei der Prüfung des Mindesttodesfallschutzes nach der 50 %-Regel nicht zulässig.[6]

Beitragserhöhungen

Eine "vereinbarte laufende Beitragszahlung in mindestens gleich bleibender Höhe" liegt auch vor, wenn vertraglich Beitragserhöhungen vereinbart oder wenn diese nach den vertraglichen Vereinbarungen optional möglich sind. Sie stehen daher der Anwendung des Mindestrisikoschutzes nicht entgegen.

Bei dynamischen Tarifen ist zu unterscheiden zwischen solchen, bei denen von vornherein Beitragserhöhungen zur Erlebensfall-Leistung fest vereinbart werden, und solchen, bei denen der Versicherungsnehmer zwar das Recht auf Erhöhung des Beitrags hat, eine solche Verpflichtung aber nicht besteht. Für die Unterscheidung sind die im Versicherungsvertrag enthaltenen Vereinbarungen maßgebend. Während von vornherein vereinbarte Beitragserhöhungen bei der Bestimmung des Mindesttodesfallschutzes bereits von Anfang an zu berücksichtigen sind, können künftige Beitragserhöhungen erst berücksichtigt werden, wenn die Erhöhung wirksam wird.[7]

 
Wichtig

Nachträglich vereinbarte Zuzahlungen

Wenn Beitragserhöhungen eine steuerlich relevante Vertragsänderung darstellen, wie dies z. B. bei nachträglich vereinbarten einmaligen Zuzahlungen der Fall ist, sind die Voraussetzungen für den Mindesttodesfallschutz für den neuen Vertragsteil separat zu prüfen. Bei einmaligen nachträglichen Zuzahlungen, die eine steuerlich relevante Vertragsänderung darstellen, kommt regelmäßig der Mindesttodesfallschutz nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 6 Buchst. b EStG

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