Rz. 59

Der Jahresabschluss, bestehend aus Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung und Anhang (Letzterer kann bei Kleinstkapitalgesellschaften entfallen), der bei mittelgroßen und großen Kapitalgesellschaften um den Lagebericht zu erweitern ist, ist von den gesetzlichen Vertretern der Kapitalgesellschaft aufzustellen (§ 264 Abs. 1 Satz 1 HGB). Aufstellungsverpflichtet sind demnach die gesetzlichen Vertreter: bei der Aktiengesellschaft der Vorstand, und zwar bei mehreren Vorstandsmitgliedern der Vorstand in seiner Gesamtheit (§ 77 Abs. 1 AktG), bei der Kommanditgesellschaft auf Aktien die persönlich haftenden Gesellschafter (§ 278 Abs. 2 AktG) und bei der GmbH die Geschäftsführer (§ 35 Abs. 1 GmbHG). Ist die Kapitalgesellschaft aufgelöst, wird der Jahresabschluss bei der Aktiengesellschaft von den Abwicklern (§§ 269 Abs. 1, 270 Abs. 1 AktG), bei der GmbH von den Liquidatoren (§§ 70, 71 Abs. 1 GmbHG) aufgestellt.

 

Rz. 60

"Aufstellung" des Jahresabschlusses bedeutet, dass die Bilanz, die Gewinn- und Verlustrechnung und der Anhang erstellt werden. Dies setzt die Erledigung der Abschlussarbeiten voraus. Bei dem aufgestellten Jahresabschluss darf es sich nicht nur um einen Entwurf handeln; aufgestellt ist der Jahresabschluss erst, wenn eine aus der Sicht des Zeitpunkts der Aufstellung des Jahresabschlusses endgültige Bilanz, eine endgültige Gewinn- und Verlustrechnung und ein endgültiger Anhang erstellt worden sind. Entsprechendes gilt für die Aufstellung des Lageberichts. Nach der Aufstellung ist der Jahresabschluss von den zu seiner Aufstellung verpflichteten Personen zu unterzeichnen (§ 245 HGB). Es ist zweckmäßig, den Jahresabschluss erst später zu unterschreiben, da sich aus der Prüfung und der Feststellung des Jahresabschlusses noch Änderungen ergeben können. Es ist daher ordnungsgemäß, wenn der Jahresabschluss erst unmittelbar nach der Feststellung unterschrieben wird.[1] Für den Lagebericht ist eine Unterzeichnung nicht vorgeschrieben; § 245 HGB gilt nur für den Jahresabschluss. Die Unterzeichnung ist zu trennen von dem sog. "Bilanzeid" gemäß § 264 Abs. 2 Satz 3 HGB. Nach diesem haben die gesetzlichen Vertreter einer Kapitalgesellschaft bzw. eines Mutterunternehmens, das Inlandsemittent gemäß § 2 Abs. 7 WpHG und keine kleine Kapitalgesellschaft i. S. d. § 327a HGB ist[2], bei Unterzeichnung eine Versicherung abzugeben, dass – nach bestem Wissen – der Jahresabschluss ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild i. S. v. § 264 Abs. 2 Satz 1 HGB vermittelt oder für den Fall, dass dies nicht zutrifft, im Anhang entsprechende Angaben enthalten sind. Eine entsprechende Forderung findet sich für den Lagebericht, wo zu versichern ist, dass der Geschäftsverlauf einschließlich des Geschäftsergebnisses und die Lage der Kapitalgesellschaft so dargestellt sind, dass ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild vermittelt wird und dass die wesentlichen Chancen und Risiken i. S. v. § 289 Abs. 1 Satz 4 HGB beschrieben sind. Die Ausgestaltung der Erklärung erfolgte in expliziter Anlehnung an Sec 302, Sarbanes-Oxley Act von 2002. Die Bundesregierung hat aber den Weg beschritten, den Verstoß in Form einer Nichtabgabe oder einer unrichtigen Abgabe analog zu den schon bestehenden Regelungen der unrichtigen Wiedergabe oder Verschleierung der Verhältnisse der Kapitalgesellschaft im (Konzern-)Jahresabschluss oder im (Konzern-)Lagebericht nach § 331 Nrn. 1 und 2 HGB zusätzlich als Nr. 3a in diesen Paragrafen einzufügen. Somit wurde auf eine Ausgestaltung als eidesstattliche Versicherung, z. B. § 807 ZPO, verzichtet, deren vorsätzliche und fahrlässige Verletzung über §§ 156 und 163 StGB unter Strafe steht. Dagegen wurde die Regelung mit einem Wissensvorbehalt versehen, sodass die strafrechtlichen Folgen hinter denen des amerikanischen Vorbilds zurückbleiben. Der subjektive Tatbestand des § 331 Nr. 3a HGB setzt ebenso wie die Regelungen unter Nrn. 1 und 2 lediglich bedingten Vorsatz voraus. Alle gesetzlichen Vertreter der Kapitalgesellschaft haben sich daher nach besten Kräften und im Rahmen des Zumutbaren um einen optimalen Wissensstand zu bemühen. Im Gegensatz zur Unterzeichnung nach § 245 HGB, die nach h. M. auch dann vorzunehmen ist, wenn ein Vorstandsmitglied mit dem Inhalt nicht einverstanden ist, muss es beim Bilanzeid durch die Rechtsfolge bei Nichtabgabe zu einer externen "Eidesverweigerung" kommen können.

 

Rz. 61

Der Jahresabschluss und der Lagebericht sind bei großen und mittelgroßen Kapitalgesellschaften in den ersten 3 Monaten des Geschäftsjahres für das vergangene Geschäftsjahr aufzustellen; für kleine Kapitalgesellschaften verlängert sich die Aufstellungsfrist auf 6 Monate, wenn dies einem ordnungsgemäßen Geschäftsgang entspricht (§ 264 Abs. 1 Sätze 3, 4 HGB). Diese Aufstellungsfrist ist zwingend, sie kann durch die Satzung weder verlängert noch verkürzt werden.[3] Die Vorschrift stellt aber lediglich eine Ordnungsvorschrift dar, sodass ein Verstoß hiergegen keine unmittelbaren Konsequenzen hat. Der Jahr...

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