Leitsatz

1. Bei richtlinienkonformer Auslegung nach Art. 4 Abs. 5 der 6. EG-RL ist eine juristische Person des öffentlichen Rechts Unternehmer i.S.v. § 2 Abs. 3 UStG i.V.m. § 4 KStG, wenn sie Leistungen gegen Entgelt auf privatrechtlicher Grundlage unter den gleichen rechtlichen Bedingungen wie ein privater Wirtschaftsteilnehmer erbringt.

2. Die organisatorische Eingliederung i.S.v. § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG kann sich daraus ergeben, dass die Geschäftsführer der Organgesellschaft leitende Mitarbeiter des Organträgers sind.

3. Für die wirtschaftliche Eingliederung i.S.v. § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG muss eine Verflechtung zwischen den Unternehmensbereichen des Organträgers und der Organgesellschaft bestehen. Stellt der Organträger für eine von der Organgesellschaft bezogene Leistung unentgeltlich Material bei, reicht dies zur Begründung der wirtschaftlichen Eingliederung nicht aus.

4. Die wirtschaftliche Eingliederung kann sich auch aus einer Verflechtung zwischen den Unternehmensbereichen verschiedener Organgesellschaften ergeben. Ist die wirtschaftliche Eingliederung zu bejahen, sind Leistungen der Organgesellschaft an den Organträger auch dann als sog. Innenleistung nicht steuerbar, wenn der Organträger die Leistungen für nicht unternehmerische Zwecke verwendet.

 

Normenkette

§ 2 Abs. 3 UStG 1980, Art. 4 Abs. 4 und 5 der 6. EG-RL, § 4 KStG

 

Sachverhalt

Stark vereinfacht: Eine GmbH, trocknete in einer gepachteten Trocknungsanlage für die jPöR kohlehaltigen und von der jPöR aufgekohlten Klärschlamm eines Flusses zur Herstellung von Brennstoffen, die sie später verkaufte. Die öffentlich-rechtlich zur Abwasserreinigung im Gebiet des Flusses verpflichtete jPöR war mit 51 % an der GmbH beteiligt und erbrachte ihr gegenüber Verwaltungsleistungen. Streitig war, ob eine Organschaft vorlag.

 

Entscheidung

Der BFH verwies die Sache an das FG zurück (FG Düsseldorf, Urteil vom 18.01.2006, 5 K 6680/02 U, Haufe-Index 1748413, EFG 2007, 67), denn nach dem festgestellten Sachverhalt war nicht auszuschließen, dass sich die wirtschaftliche Eingliederung aufgrund einer Verflechtung zweier Tochtergesellschaften ergab. Ebenso wie die finanzielle Eingliederung auch auf einer (mittelbaren) Beteiligung über eine andere Tochtergesellschaft beruhen kann, kann auch die wirtschaftliche Eingliederung auf der Verflechtung zwischen zwei Organgesellschaften beruhen.

Liegt eine Organschaft vor und verwendet der Organträger die bezogenen – wegen der Organschaft nicht steuerbaren – Innenleistungen für nicht unternehmerische (oder hoheitliche) Zwecke, liegt insoweit eine Entnahme vor.

 

Hinweis

1. Liegt eine Leistung im individuellen Interesse eines Gesellschafters vor, steht der Annahme einer entgeltlichen Leistung weder entgegen, dass die Gesellschaft durch die Verlustübernahme durch den betreffenden Gesellschafter erst in die Lage versetzt wurde, ihre Betätigung überhaupt aufzunehmen, noch dass die Gesellschaft mit ihrer Betätigung die ihr nach dem Gesellschaftszweck obliegende Aufgabe erfüllt.

2. Eine juristische Person des öffentlichen Rechts (jPöR) kann Organträger sein, wenn und soweit sie unternehmerisch tätig wird. Richtlinienkonform heißt das, wenn sie auf privatrechtlicher Basis tätig wird. Im Wesentlichen stimmt das mit der Rechtsprechung zum BgA (§ 4 Abs. 5 S. 1 KStG) überein. "Ausübung öffentlicher Gewalt" sind “Tätigkeiten, die der juristischen Person des öffentlichen Rechts eigentümlich und vorbehalten sind (kennzeichnend: "die Erfüllung spezifisch öffentlich-rechtlicher Aufgaben, die aus der Staatsgewalt abgeleitet sind, staatlichen Zwecken dienen und zu deren Annahme der Leistungsempfänger aufgrund gesetzlicher oder behördlicher Anordnung verpflichtet ist". "Ausübung öffentlicher Gewalt" liegt deshalb nicht vor, wenn eine jPöR auf privatrechtlicher Grundlage tätig wird.

3. Für eine wirtschaftliche Eingliederung reicht eine das Unternehmen der Untergesellschaft fördernde Tätigkeit der Obergesellschaft aus, wenn sie nicht nur unwesentlich ist. Aus administrativen und kaufmännischen Leistungen ergibt sich aber nur dann eine wirtschaftliche Eingliederung, wenn diese fördernde Tätigkeit von einem gewissen wirtschaftlichen Gewicht ist. Unentgeltliche Leistungen und Beistellungen des Organträgers an die Organgesellschaft begründen mangels wirtschaftlicher Tätigkeit keine wirtschaftliche Eingliederung. Entgeltliche Leistungen der Untergesellschaft an die jPöR können nur dann eine wirtschaftliche Eingliederung begründen, wenn sie für deren unternehmerischen – nicht dagegen für den hoheitlichen – Bereich bezogen werden.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 20.08.2009 – V R 30/06

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