Rz. 75

Aktive latente Steuern resultieren bei IFRS entweder aus abzugsfähigen temporären Differenzen zwischen dem IFRS-Buchwert und dem steuerlichen Buchwert von Vermögenswerten und Schulden, z. B. höherer Wert für Pensionsrückstellungen nach IAS 19 im Vergleich zu § 6a EStG, die sich spätestens bis zur Liquidation des Unternehmens ausgleichen, oder aus dem ökonomischen Vorteil eines steuerlichen Verlustvortrages.[1] Im Gegensatz zu den handelsrechtlichen Vorschriften des § 274 HGB i. d. F. des BilMoG sind sowohl aktive als auch passive latente Steuern zwingend anzusetzen.

Nach IAS 12.24 bzw. IAS 12.34 ist für den Steueranspruch aus abzugsfähigen temporären Differenzen sowie aus steuerlichen Verlustvorträgen eine aktive latente Steuer zu bilanzieren, sofern es wahrscheinlich ist, dass künftiges zu versteuerndes Ergebnis zur Verfügung stehen wird, welches gegen die abzugsfähigen temporären Differenzen bzw. gegen den Verlustvortrag verrechnet werden kann. Zu den nach IAS 12.34 dem Grunde nach abzugrenzenden Verlustvorträgen gehören neben den steuerlichen Verlustvorträgen nach § 10d EStG, § 8 Abs. 1 KStG und § 10a GewStG aus Sicht des deutschen Steuerrechts auch die Zinsvorträge i. S. d. §§ 4h Abs. 1 Satz 4, 8a KStG. Bei der Berücksichtigung der Zinsvorträge im Rahmen der Abgrenzung der latenten Steuern aus steuerlichen Verlustvorträgen ist zu beachten, dass die "Realisierung" von Zinsvorträgen im ersten Schritt nur zu einer steuerlichen Abzugsfähigkeit von – bilanziell bereits in vorherigen Rechnungsperioden erfassten – Zinsaufwendungen führt. Sofern in der entsprechenden Periode kein ausreichendes steuerliches Einkommen verfügbar ist, lassen sich möglicherweise die Steuervorteile aus Zinsvorträgen erst über den "Umweg" des steuerlichen Verlustvortrags realisieren.[2] Daher empfiehlt sich zur Prüfung des Ansatzes latenter Steuern aus steuerlichen Verlustvorträgen, einschließlich Zinsvorträgen, die simultane Planung der Realisierung steuerlicher Verlustvorträge i. S. d. § 10d EStG, § 8 Abs. 1 KStG und § 10a GewStG sowie der Zinsvorträge i. S. d. §§ 4h Abs. 1 Satz 4, 8a KStG.[3]

 

Rz. 76

Das Management hat beim Ansatz aktiver latenter Steuern einen erheblichen Schätzungsspielraum, da – im Gegensatz beispielsweise zu Entwicklungsprojekten bzw. selbst geschaffenen immateriellen Vermögenswerten – das künftige zu versteuernde Ergebnis des gesamten betreffenden Unternehmens zu prognostizieren ist.[4] Der Schätzungsspielraum vergrößert sich weiterhin dadurch, dass IAS 12 für diese Prognose keinen Zeithorizont vorgibt.[5]

 

Rz. 77

Bei zeitlich begrenztem Verlustvortragszeitraum hat das Management das zu versteuernde Einkommen – auf Basis einer Schätzung des handelsrechtlichen Ergebnisses – während des Zeitraums des steuerlichen Verlustvortrags zu prognostizieren. Beschränkend auf den Ansatz aktiver latenter Steuern aus zeitlich begrenzten steuerlichen Verlustvorträgen können sich weiterhin gegebenenfalls bestehende steuerliche Regelungen zur Mindestbesteuerung[6] auswirken. Das Produkt aus der Summe der während des Verlustvortragszeitraums zu verrechnenden Verlustvorträge und dem aktuell gültigen oder dem bereits für die Zukunft gesetzlich verabschiedeten Steuersatz ergibt den steuerlichen Vorteil des Verlustvortrags.

 

Rz. 78

Bei zeitlich unbegrenztem Verlustvortrag wird in der Kommentierung unter der Voraussetzung der Gültigkeit des Grundsatzes der Unternehmensfortführung sowohl die Auffassung vertreten, dass eine generelle Aktivierungspflicht für steuerliche Verlustvorträge besteht, als auch die Meinung, dass aktive latente Steuern nur für die innerhalb des Zeithorizonts voraussichtlich anfallenden Ergebnisse, für den eine Ergebnisprognose möglich ist,[7] gebildet werden können. Aus IAS 12 lässt sich zwar nicht herleiten, dass nur eine Abgrenzung der während des Unternehmensplanungshorizonts realisierten Verlustvorträge stattzufinden hat.[8] Allerdings muss es im Falle von Verlustvorträgen nach IAS 12.34 wahrscheinlich sein, dass zukünftiges zu versteuerndes Einkommen zum Verlustausgleich zur Verfügung stehen wird. Gerade bei einem sich rasch verändernden Unternehmensumfeld wird der Nachweis des wahrscheinlich zur Verfügung stehenden künftigen Einkommens im Regelfall nur über den jeweiligen Planungshorizont des Unternehmens zu erbringen sein. Gleichwohl ist gegen diese in der Praxis häufig vorzufindende Beschränkung der Steuerabgrenzung, auf die während des Unternehmensplanungshorizonts erwarteten zu versteuernden Einkommen kritisch anzumerken, dass die nach Ende des Unternehmensplanungshorizonts anfallenden positiven zu versteuernden Einkommen systematisch vernachlässigt werden und der individuell gewählte zeitliche Unternehmensplanungshorizont den Wertansatz der aktiven latenten Steuern beeinflusst.

Sofern bei zeitlich unbegrenztem steuerlichen Verlustvortrag eine Beschränkung auf die innerhalb des Unternehmensplanungshorizonts genutzten steuerlichen Verlustvorträge erfolgt, können hier ebenso – wie bei einem zeitlich begre...

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