Rz. 10

Im Gegensatz zur Bilanz ist dieses Verzeichnis nicht aus der laufenden Buchführung abzuleiten, vielmehr sollen die Vermögensgegenstände und Schulden außerhalb der Buchführung einmal jährlich anhand der Realität aufgenommen werden, so dass sich ein zuverlässiges Mengen- und Wertgerüst für die Bilanz ergibt. Damit soll vom Prinzip her eine Kontrolle der in der Buchführung erfassten Bestände, Werte und Bewegungen erfolgen, um zu verhindern, dass sich buchmäßige und tatsächliche Bestände und Werte auseinander bewegen.[1]

 

Rz. 11

Die Inventur hat damit im Wesentlichen eine Dokumentations-, Kontroll- und Korrekturfunktion für die Buchführung.[2] Dokumentiert werden insbesondere aus Gründen des Gläubiger- und Gesellschafterschutzes die am Stichtag vorhandenen Vermögensgegenstände und Schulden. Damit kann im Insolvenzfall das "Beiseiteschaffen" von Vermögen, das "Erdichten" oder "Missachten" von Schulden leichter nachgewiesen werden. Kontrolliert und ggf. korrigiert werden die Werte der laufenden Finanzbuchführung durch Realitätsabgleich. Inventurdifferenzen werden in die Buchführung korrigierend eingebracht und bilden Ansatzpunkte für deren Aufklärung und künftige Vermeidung (Dispositionsfunktion). Das Bewusstsein um den Zwang von körperlichen Bestandsaufnahmen und um die damit verbundene Aufdeckungsmöglichkeit kann auch wirtschaftskriminellem Verhalten entgegenwirken (Präventiv-, Schutzfunktion). Für einige Positionen, z. B. Vorräte an Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen, Erzeugnissen und insbesondere Waren, schreibt die konventionelle Buchführung die Bestände nur undifferenziert, z. B. nur wertmäßiger Rohstoffverbrauch, oder überhaupt nicht, z. B. Waren im Handelsbetrieb, fort. In diesen Fällen muss die für eine bestimmte Vorratsart spezifische Bestandsveränderung oder der Fertigungsstand durch Bestandsaufnahme (Inventur) originär ermittelt und eingebucht werden (Bestandsermittlungsfunktion). Die originär ermittelten und kontrollierten Bestände und Werte sind für die Buchführung und die hieraus abgeleitete Bilanz vorrangig maßgeblich (Maßgeblichkeitsfunktion).

 

Rz. 12

Kennzeichnend für einen Kontrollvorgang ist ein SOLL-IST-Vergleich. Prüfobjekt, und damit IST, sind die Bestands-, Wert- und Bewegungsgrößen laut Buchführung. Ihnen werden die durch körperliche Bestandsaufnahme oder unmittelbaren Sachverhaltsabgriff, z. B. körperliche Feststellungen, Kontenauszüge, Saldenbestätigungen etc., ermittelten bewerteten Bestandsgrößen laut Inventur (SOLL) gegenübergestellt. Differenzen ergeben sich durch Anwendung der folgenden Inventurgleichungen:

 

Ermittlung von Bestands- und Verbrauchsdifferenzen durch Inventur

 
Inventurgleichungen
Lagerhaltungsgleichung Verbrauchsgleichung
Anfangsbestand (lt. FiBu) Anfangsbestand (lt. FiBu)
+ Zugänge (lt. FiBu) + Zugänge (lt. FiBu)
./. Abgänge (lt. FiBu) ./. Abgänge (lt. FiBu)
    ./. Endbestand (lt. Inventur)
= Endbestand (IST lt. FiBu) = SOLL-Verbrauch
./. Endbestand (SOLL lt. Inventur) ./. IST-Verbrauch (lt. FiBu)
= Inventur-Bestandsdifferenz = Inventur-Verbrauchsdifferenz
[1] Vgl. Fülling, Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung für Vorräte, 1976, S. 51 f.
[2] Zu den wesentlichen Aspekten der Kontrollfunktion siehe Gans/Quick, Planung und Organisation der Inventurdurchführung, DStR 1998, S. 2027.

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