4.9.1 Vermeidung der Doppelbesteuerung bei späterer Veräußerung der Anteile

Die Besteuerung des Vermögenszuwachses nach § 6 AStG wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Steuerpflichtige zugleich mit oder nach der Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht in einem Staat steuerlich ansässig wird, mit dem ein DBA besteht, und der Gewinn aus der späteren tatsächlichen Veräußerung des Anteils nach dem Abkommen in der Bundesrepublik Deutschland besteuert werden könnte. Es tritt insoweit keine Sperrwirkung eines DBA ein.[1]

Die Besteuerung des Gewinns aus der tatsächlichen Veräußerung des Anteils entfällt, wenn der Steuerpflichtige im Zeitpunkt der Veräußerung in einem Staat ansässig war, mit dem ein DBA besteht, das für diesen Gewinn das Besteuerungsrecht nur diesem Staat zuweist.

Für diese Fälle der Doppelbesteuerung versucht Deutschland entweder im Wege des DBA oder im Verständigungsverfahren durchzusetzen, dass der neue Wohnsitzstaat entweder

Zu beachten ist, dass Deutschland die Beseitigung einer evtl. Doppelbesteuerung ablehnt.[2]

In künftigen DBA orientiert sich die Abkommenspolitik Deutschlands an der Wertverknüpfungsregelung der deutschen Verhandlungsgrundlage, die erstmals im DBA-USA 2006 (Inkrafttreten: 2008) aufgenommen wurde. Die Neufassungen heben die bisherige, streitanfällige Regelung, wie z. B. die des Art. 13 Abs. 6 DBA-USA 1989, auf und regeln die Entstrickung im Absatz 5. Früher (und in noch nicht geänderten DBA) wurde dem Wegzugsstaat unter verschiedenen Voraussetzungen auch bei einer Veräußerung nach dem Wegzug das Besteuerungsrecht gewährt[3], und zwar soweit der Gewinn in der Zeit bis zum Wegzug entstanden ist. Der Zuzugsstaat darf nur den Teil des Gewinns besteuern, der seit dem Zuzug entstanden ist (faktische Wertverknüpfungsregelung). Nach der Neuregelung können hingegen Gewinne aus der Veräußerung von im Privatvermögen gehaltenen Anteilen an Kapitalgesellschaften nur in dem Staat besteuert werden, in dem der Anteilseigner ansässig ist (Art. 13 Abs. 5 DBA-USA). Zieht der Anteilseigner zwischen den Vertragsstaaten um, unterwirft der Wegzugsstaat den Anteilseigner in vielen Fällen – abkommensrechtlich zulässig – einer Besteuerung (wie hier z. B. § 6 AStG in Deutschland), da der Wegzugsstaat aufgrund der Neuregelung das Recht verliert, einen späteren Veräußerungsgewinn zu besteuern. In diesem Fall muss der Zuzugsstaat z. B. nach Art. 13 Abs. 6 DBA-USA 2006 – wie bisher – immer auf Antrag als Anschaffungskosten den Fremdvergleichspreis (gemeinen Wert) zum Zeitpunkt des Wegzugs ansetzen, damit keine Doppelbesteuerung der stillen Reserven eintritt (Wertverknüpfungsprinzip).

Derartige Regelungen enthalten inzwischen u. a. folgende neue DBA: Österreich (Art. 13 Abs. 6 DBA 2000); Luxemburg (Art. 13 Abs. 6 DBA 2013) und Frankreich (Art. 7 DBA 2016).

 
Praxis-Beispiel

Wegzug

A war mit einzigem Wohnsitz bis 30.9.08 in Deutschland ansässig. Zum 1.10.08 verlegte er seinen Wohnsitz nach Los Angeles, USA. Er ist seit dem Jahr 02 an der deutschen A-GmbH zu 100 % beteiligt. Die Anschaffungskosten betragen umgerechnet 100.000 EUR. Zum 15.5.11.veräußert er seine Beteiligung an der A-GmbH für 255.000 EUR. Die Beteiligung hatte zum 30.9.08 einen Wert i. H. v. 175.000 EUR. In den Jahren 08 bis 11 thesaurierte die AB-GmbH die Gewinne.

Wegzug zum 1.10.08

Der Wegzug in die USA und die damit verbundene Aufgabe des deutschen Wohnsitzes löst die Besteuerung nach § 6 Abs. 1 AStG aus, da die Beteiligung an der AB-GmbH eine Beteiligung i. S. d. § 17 EStG darstellt.

 
Gemeiner Wert der Anteile zum Zeitpunkt des Wegzugs 175.000 EUR
- Anschaffungskosten, 100.000 EUR
"fiktiver" Veräußerungsgewinn i.  S.  d. § 6 Abs. 1 AStG i. V. m. § 17 EStG 75.000 EUR

Veräußerung der Beteiligung am 15.5.11

A ist seit seinem Wegzug in Deutschland beschränkt steuerpflichtig, da er keinen Wohnsitz im Inland unterhält (§ 1 Abs. 4 EStG i.  V.  m. § 8 AO). Der Gewinn aus der Veräußerung der GmbH-Beteiligung unterliegt der beschränkten Steuerpflicht nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e i. V. m. § 17 EStG, sofern kein Doppelbesteuerungsabkommen das Besteuerungsrecht Deutschlands einschränkt. A ist in den USA ansässig (Art. 4 Abs. 1). Die Voraussetzungen der erweitert beschränkten Steuerpflicht nach § 2 AStG sind ggf. noch zu prüfen.

Die Voraussetzungen der erweitert beschränkten Steuerpflicht nach § 2 AStG sind ggf. noch zu prüfen.

Lösung nach dem DBA-USA 2006

a) Besteuerung in Deutschland

Eine Besteuerung zum Zeitpunkt einer auf den Wegzug folgenden Veräußerung ist nicht möglich. Lediglich im Wegzugszeitpunkt kann der bisherige Ansässigkeitsstaat besteuern. Dies erfolgt im Rahmen des § 6 AStG, s. o.

b) Besteuerung in den USA

Die USA berechnet in Folge einer dem Wegzug folgenden Veräußerung den Veräußerungsgewinn auf der Grundlage des Wertes dieser Anteile im Zeitpunkt des Wegzugs (Art. 13 Abs. 6 DBA-USA 2006); im vorliegenden Beispiel somit mit 175.000 EUR. Somit wird eine doppelte Besteuerung der stillen Res...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Finance Office Professional. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge