Bedingt durch die Rechtsprechung des EuGH und ein eingeleitetes Vertragsverletzungsverfahren hat Deutschland mit dem SEStEG[1]§ 6 AStG grundlegend überarbeitet und – rückwirkend zum 1.1.2007[2] – Sonderregelungen, insbesondere ein Stundungskonzept eingeführt. Für den Wegzug eines EU-/EWR-Staatsangehörigen in einen EU-/EWR-Mitgliedstaaten erfolgten folgende Korrekturen:

  1. Die Einkommensteuer wird wie bisher unter Anwendung des § 6 AStG festgesetzt.
  2. Die auf der Anwendung des § 6 AStG beruhende Steuer wird von Amts wegen gestundet.
  3. Dies gilt aber nicht bei fehlender Vollstreckungsmöglichkeit (Liechtenstein).
  4. Die Stundung erfolgt zinslos und unter Vorbehalt des Widerrufs bei Veräußerung oder Wegzug in einen Drittstaat.
  5. Meldeverpflichtung: wenn nicht bis zum 31.12. eines jeden Jahres der Wohnsitz und die Eigentumsverhältnisse an der Beteiligung an das zuständige deutsche Finanzamt gemeldet werden, erfolgt ebenfalls eine Fälligkeitsstellung. Entsprechendes gilt auch im Fall der Ersatztatbestände (insbesondere Schenkung).

Einzelfragen der Steuerfestsetzung

Im Hinblick auf die eindeutige Aussage des EuGH zur zulässigen Abgrenzung der Besteuerungsrechte durch eine Wegzugsbesteuerung wird zur Erfassung der abwandernden stillen Reserven grundsätzlich auch beim Wegzug in einen EU-/EWR-Staat bzw. bei entsprechenden Ersatztatbeständen wie Schenkung an einen Empfänger, der in einem EU-/EWR-Staat ansässig ist, eine Steuer festgesetzt. Allerdings erfolgt nur im ersten Schritt eine Wertzuwachsbesteuerung. Im Falle einer späteren Realisierung wird grundsätzlich zur Besteuerung des tatsächlich realisierten Gewinns übergegangen. Die Regelung des § 6 Abs. 6 AStG n. F. sieht hierzu vor, dass die bei Wegzug festgesetzte Steuer rückwirkend zu ermäßigen ist, wenn der Anteilseigner bei einem nach dem Wegzug erfolgten Verkauf einen Preis erzielt, der unter dem der Steuerfestsetzung zugrunde gelegten gemeinen Wert liegt. Einschränkend ist bestimmt, dass es zu dieser Verlustberücksichtigung nur kommt, wenn der Zuzugsstaat diesen Veräußerungsverlust nicht berücksichtigt.

 
Praxis-Beispiel

Einzelfragen der Steuerfestsetzung

Der Steuerinländer hat eine Beteiligung mit AK von 100. Er zieht in den Staat B zu einem Zeitpunkt, als der gemeine Wert der Beteiligung bei 200 liegt. Im Jahr 05 erfolgt eine Veräußerung zum Preis von 150. Der ausländische Staat berücksichtigt einen Verlust von 50.

In diesem Fall erfolgt keine rückwirkende Korrektur der Wegzugsbesteuerung in Deutschland.

Alternative: Der ausländische Staat berücksichtigt keinen Verlust zwischen dem Zuzugswert und dem Veräußerungserlös.

Beispiel ohne Verlustberücksichtigung:

In diesem Fall ist grundsätzlich eine Korrektur der Wegzugsbesteuerung vorzunehmen.

Die nach § 175 Abs. 1 Satz 2 AO rückwirkende Korrektur ist aber nur vorzunehmen, wenn die Wertminderung betrieblich veranlasst ist (z. B. Wertverlust der Beteiligung aufgrund von wirtschaftlichen Entwicklungen nach dem Wegzug). Das Gesetz regelt auch den Hauptanwendungsfall: Die ausschüttungsbedingte Wertminderung. Hier ist zu beachten, dass zu Gunsten des Wegzugstaats Deutschland KapSt angefallen ist. Diese ist auf die Wegzugssteuer anzurechnen, so dass sich die Wegzugssteuer von im Halbeinkünfteverfahren maximal 22,5 % (die Hälfte des Spitzensteuersatzes von 45 %) um eine 15 % KapSt-Anrechnung vermindert. Kritisch dürften "gemischte" Fälle werden, in denen eine Wertminderung sowohl durch betriebliche Gründe als auch z. B. durch eine Ausschüttung verursacht werden.

Einzelfragen der Stundung

Nach § 6 Abs. 5 AStG ist beim Wegzug in einen EU/EWR-Staat grundsätzlich die "Wegzugsteuer" von Amts wegen zinslos und unbefristet zu stunden. Voraussetzung ist allerdings, dass

  1. im Zuzugsstaat der Steuerpflichtige einer der deutschen unbeschränkten Steuerpflicht vergleichbaren Besteuerung unterliegt, d. h. z. B. nicht einer besonderen Besteuerung für sog. Expatriates unterliegt und
  2. der Zuzugsstaat Amtshilfe und Beitreibungsunterstützung gewährt. Damit ist z. B. bei einem Wegzug nach Liechtenstein eine Stundung nicht zu gewähren, da insoweit die geltende EG-Amtshilferichtlinie und EG-Beitreibungsrichtlinie nicht anwendbar sind.

Dieser Stundungsanspruch besteht auch bei den vergleichbaren Ersatztatbeständen (Erbfall, Schenkung). Selbst für die Einlage in einen EU-/EWR-Betrieb (Betriebsstätte) erfolgt eine unbefristete Stundung, obwohl für rein betriebliche Vorgänge § 4g EStG nur eine auf 5 Jahre begrenzte anteilige Stundung gewährt wird.

Die Stundung wird gem. § 6 Abs. 5 AStG widerrufen, wenn

  1. Realisationstatbestände nach dem Wegzug verwirklicht werden (Veräußerung, Einlage, Auflösung, Kapitalherabsetzung etc.) oder
  2. die Anteile unentgeltlich auf Personen in Drittstaaten übergehen, oder
  3. der Wohnsitz in dem EU-/EWR-Staat aufgegeben wird oder
  4. die Anteile z. B. durch Entnahme gewinnrealisierend zu erfassen sind.

Bei Umstrukturierungsfällen ist nach der 1. Stufe der Prüfung (Gewinnrealisierung) noch zu prüfen, ob nicht z. B. ein nach der Fusionsrichtlinie[3] steuerneutral...

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