Neben aktiven Entstrickungshandlungen (wie die Überführung von Wirtschaftsgütern, Änderung der Personalfunktion) wird in der Literatur auch die sogenannte passive Entstrickung problematisiert.

[1]

Personallose Betriebsstätten treten in der Praxis z. B. in der Form von Solaranlagen, Pipelines, Windparks und Servern auf. Rechtsfrage ist hierbei, wenn ein Rechtsträger – ohne eigene Mitarbeiter (personallos) – eine Betriebsstätte betreibt, ob die maßgebenden Wirtschaftsgüter entsprechend der Funktion und Lage der Betriebsstätte zuzuordnen sind oder vielmehr der Geschäftsleitungsbetriebsstätte zuzuordnen sind und es dadurch zu einer sogenannten (passiven) Entstrickunsgbesteuerung kommen kann.

Die Problematik lässt sich am besten anhand eines Aussetzungsbeschlusses des BFH darstellen:

[2]

 
Praxis-Beispiel

Die Antragstellerin im ADV-Verfahren war eine im Jahr 2000 gegründete Kommanditgesellschaft, deren Kommanditanteile von einer weiteren Kommanditgesellschaft dänischen Rechts gehalten wurden. Persönlich haftende Gesellschafterin beider Kommanditgesellschaften war S., eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung dänischen Rechts, welche nicht am Kapital der Antragstellerin beteiligt war. Die Antragstellerin betrieb seit dem Jahr 2011 in Deutschland auf gepachtetem Grund und Boden Windenergieanlagen (sog. Windparks). Die Antragstellerin verfügte weder in Deutschland noch in Dänemark über eigene Mitarbeiter. Sowohl die technische als auch die kaufmännische Betriebsführung erfolgten aufgrund von Betriebsführungs- und Serviceverträgen durch 2 deutsche Service- bzw. Verwaltungsgesellschaften. Strittig war die Betriebsstättenbegründung und die Zuordnung der Wirtschaftsgüter.

Für den BFH war es nicht ernstlich zweifelhaft i. S. d. § 361 AO/§ 69 FGO, dass es sich bei dem Windpark sowohl nach § 12 Satz 1 AO als auch nach Art. 5 Abs. 1 DBA Dänemark um eine inländische Betriebsstätte der dänischen KG bzw. von deren Gesellschaftern handelte, sodass Deutschland für die Einkünfte dieser Betriebsstätte nach Art. 7 Abs. 1 und 2 DBA Dänemark das Besteuerungsrecht zustand. Dem AOA-Grundsatz des § 1 Abs. 5 Satz 3 AStG ließe sich bei summarischer Prüfung nicht entnehmen, dass außerhalb des Anwendungsbereichs des § 1 AStG und insbesondere für die allgemeine Gewinnermittlung nach den §§ 4 ff. EStG eine Veranlassungsprüfung (allein) nach den in den jeweiligen Unternehmensteilen ausgeübten Personalfunktionen vorzunehmen wäre. Auch wenn der bisherigen Rechtsprechung bei der Zuordnung von Wirtschaftsgütern zu einer Betriebsstätte eine funktionsgetragene Betrachtungsweise zugrunde liegt, ist ihr jedenfalls nicht zu entnehmen, dass allein die Personalfunktion als maßgebender Zuordnungsparameter anzusehen ist. Bei Betriebsstätten ohne maßgebliche Personalfunktion ist daher eine nutzungsbezogene Zuordnung von materiellen Wirtschaftsgütern nicht ausgeschlossen.

Konseqenz wäre, dass in derartigen Fällen damit keine Entstrickung eintritt. Bis zur Entscheidung in einem Hauptverfahren sollten entsprechende Fälle "offen" gehalten werden.

[1] Vgl. z. B. Rennar, IWB 2022, S. 495 ff.

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