Wie unter Tz. 7 dargelegt, werden häufig Immobilienobjektgesellschaften für ausländischen Grundbesitz genutzt. Bei der Veräußerung entsprechender Anteile ist zu differenzieren:

  1. Regelfall

    Nach Art. 13 Abs. 5 OECD-MA und den meisten deutschen DBA liegt das Besteuerungsrecht für private Veräußerungsgewinne beim Wohnsitzstaat, d. h. im vorliegenden Fall bei Deutschland.

  2. Sonderregelungen für Immobilienkapitalgesellschaften

    Das OECD-MA enthält seit 2002 ebenso wie die deutsche Verhandlungsgrundlage (ab 2013) eine Sonderregelung für Immobilienkapitalgesellschaften, die von Gesellschaftern des einen Vertragsstaates gehalten werden. Soweit der Wert der Gesellschaft zu mehr als 50 % unmittelbar oder mittelbar auf unbeweglichem Vermögen in dem anderen Vertragsstaat beruht, soll auch dieser andere Vertragsstaat vorrangig vor dem Belegenheitsstaat des Immobilienvermögens besteuern dürfen.

    Diese Regelung ist in verschiedenen neuen DBA jüngst durch Deutschland umgesetzt worden[1], insbesondere:

    • Art. 13 Abs. 2 DBA Großbritannien (mit Ausnahme für börsennotierte Gesellschaften und Anrechnungsmethode in Deutschland Art. 23 Abs. 1 b) bb), anzuwenden ab 1. Januar 2011;
    • Art. 13 Abs. 2 DBA Zypern mit allgemeiner Abrechnungsmethode in Art. 22 Abs. 1 DBA ab 1. Januar 2012;
    • Art. 13 Abs. 2 DBA Spanien (mit Anrechnungsmethode in Deutschland, Art. 22 Abs. 2 b) ii)), anzuwenden ab 1. Januar 2013[2];
    • Art. 13 Abs. 2 DBA Niederlande (mit Freistellungsmethode mit Aktivitätsklausel und Progressionsvorbehalt in Deutschland, Art. 22 Abs. 1), anzuwenden ab 1. Januar 2016;
    • Art. 13 Abs. 2 DBA Luxemburg (mit Freistellungsmethode mit Aktivitätsklausel und Progressionsvorbehalt in Deutschland, Art. 22 Abs. 1), anzuwenden ab 1. Januar 2015;
    • Art. 13 Abs. 2 DBA Liechtenstein (mit Freistellungsmethode mit Aktivitätsklausel und Progressionsvorbehalt in Deutschland, Art. 23 Abs. 1), anzuwenden ab 1. Januar 2013;
    • Art. 13 Abs. 2 DBA Türkei vom 19. September 2011 (mit Freistellungsmethode mit Aktivitätsklausel und Progressionsvorbehalt in Deutschland, Art. 22 Abs. 2), rückwirkend anwendbar ab 1. Januar 2011.

Mit dieser Regelung soll vermieden werden, dass das Besteuerungsrecht des Belegenheitsstaates für Immobilien durch die Veräußerung einer Mantelgesellschaft umgangen werden kann.

Die Neufassung des Art. 13 Abs. 4 OECD-MA 2017 ergänzt die Regelung vor allem um einen 365-Tage-Prüfzeitraum. Danach ist es ausreichend, wenn die 50 %-Grenze zu irgendeinem Zeitpunkt innerhalb dieses Zeitraums erfüllt wird. Hierdurch soll verhindert werden, dass die dieser Regelung zugrunde liegende Vermögensverteilung bei der Gesellschaft kurz vor der Anteilsveräußerung dergestalt verändert wird, dass die zur Zuweisung des Besteuerungsrechts an den Belegenheitsstaat führende 50 %-Grenze unterschritten wird.

 
Praxis-Tipp

Auf Seminaren wird empfohlen, die o. g. Wirkungen zur vermeiden, indem der prozentuale Anteil des unbeweglichen Vermögens am Aktivvermögen gestaltet wird:

 
Praxis-Beispiel

Eine ausländische Gesellschaft hält ausschließlich inländische Grundstücke. Soweit kein weiteres Aktivvermögen vorhanden ist, hat Deutschland im Fall der Veräußerung der Anteile das Besteuerungsrecht für den Veräußerungsgewinn.

Gewähren die (ausländischen) Gesellschafter dieser Gesellschaft jedoch ein Darlehen, das auf ein Bankkonto der Gesellschaft ausgezahlt wird, in entsprechender Höhe, kann das Verhältnis des unbeweglichen Vermögens zum gesamten Aktivvermögen der Gesellschaft so verschoben werden, dass Artikel 13 Abs. 4 des deutschen Musterabkommens nicht mehr greift.

Bilanz vor Darlehensgewährung:

 
Aktiva Passiva
Grundstücke 100 Eigenkapital 40
    Fremdkapital 60

Aktivvermögen besteht zu 100 % aus unbeweglichem Vermögen.

Bilanz nach Darlehensgewährung:

 
Aktiva Passiva
Grundstücke 100 Eigenkapital 40
Bank 200 Fremdkapital 260

Damit hat der Ansässigkeitsstaat der Gesellschafter das Besteuerungsrecht für die Gewinne aus der Veräußerung der Anteile. Das Darlehen wird im Extremfall – da es nur zur Verschiebung des Verhältnisses des Grundbesitzes zum gesamten Aktivvermögen diente – kurz nach dem Bilanzstichtag getilgt.

Im Beispielsfall besteht das Aktivvermögen nach Darlehensgewährung auch nicht "mittelbar" zu mindestens 50 % aus unbeweglichem Vermögen. Der Ausdruck "mittelbar" kann sich – dem üblichen Verständnis im Zusammenhang mit Gesellschaftsanteilen entsprechend – nur auf das Halten von Anteilen an grundbesitzenden Gesellschaften über "dazwischengeschaltete Gesellschaften" beziehen.

Beurteilung:

Es bestehen Zweifel, ob dieses Gestaltungsmodell akzeptiert wird. Denn nach Tz. 13.4 ff des OECD-MAK sind zur Berechnung der Gewichtungsgrenze Schulden nicht zu berücksichtigen. Zudem wird in der neueren deutschen DBA-Abkommenspolitik nicht auf das Aktivvermögen, sondern den Wert der Anteile (= Nettobetrachtung) abgestellt.

[1] Bron, IStR 2012, S. 904.
[2] Siehe dazu auch aus spanischer Sicht: Trost, in: Raupach/Pohl/Ditz u. a., Praxis des Internationalen Steuerrechts 2012, S. 103 ff.

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