Nach § 20 Abs. 2 AStG erfolgt im Rahmen eines sog. treaty overrides ein Übergang auf die Anrechnungsmethode – selbst wenn das DBA keinen Aktivitätsvorbehalt enthält, falls die Betriebsstätte/Personengesellschaft Kapitalanlageeinkünfte Einkünfte erzielt, die bei einer Tochterkapitalgesellschaft zur Hinzurechnungsbesteuerung nach §§ 7 ff. AStG führen würden. § 20 Abs. 2 AStG stellt somit ausländische Betriebsstätten und Personengesellschaften, die Zwischeneinkünfte erzielen, einer ausländischen Kapitalgesellschaft gleich.[1] In der Vergangenheit hatte die Vorschrift nur geringe Bedeutung, da sie nur für Einkünfte mit Kapitalanlagecharakter (§ 10 Abs. 6 AStG a. F.) galt. § 20 Abs. 2 AStG a. F. wurde jedoch durch das im Jahr 2003 verabschiedete Steuervergünstigungsabbaugesetz geändert. Die Neufassung ist gem. § 21 Abs. 11 AStG erstmals auf alle "passiven" Einkünfte anzuwenden, die in nach dem 31.12.2002 beginnenden Wirtschaftsjahren entstanden sind. Mit dem Jahressteuergesetz 2010 wurde rückwirkend für alle noch nicht bestandskräftigen Fälle die Anwendung des § 20 Abs. 2 AStG begrenzt. Der gesamte "Dienstleistungsbereich" ist aus dem sachlichen Anwendungsbereich herausgefallen.

9.3.1 Praktische Bedeutung

Die Anrechnungsmethode greift für ausländische Gewinnanteile, wenn die Betriebsstätte passive Einkünfte i. S. d. § 8 Abs. 1 AStG – mit Ausnahme der Ziffer 5a – erzielt und wenn die Einkünfte der Betriebsstätte im Ausland einer niedrigen Besteuerung unterliegen. Dabei sind Einkünfte niedrig besteuert, wenn sie einer Belastung durch Ertragsteuern von weniger als 25 % unterliegen (vgl. § 8 Abs. 3 AStG).

 
Praxis-Beispiel

Betriebsstätteneinkünfte

Ein Steuerpflichtiger mit alleinigem Wohnsitz in Deutschland erbringt im Rahmen seines Einzelunternehmens in einem Schweizer Kanton a) Dienstleistungen (z. B. als Arzt oder Handwerker) und b) kauft 'Waren für inländische Gesellschaften ein, an der der ebenfalls beteiligt ist.. Er begründet wegen eines dort vorhandenen Büros eine Betriebsstätte i. S. d. § 12 AO und Art. 5 DBA-Schweiz. Die Dienstleistungen erbringt er selbst, er hat lediglich eine Angestellte, die die anfallenden Büroarbeiten erledigt. Seine Schweizer Betriebsstätteneinkünfte i. H. v. umgerechnet 50.000 EUR unterliegen in der Schweiz der Besteuerung. Die Ertragsteuerbelastung beträgt insgesamt (inkl. Bundes-, Kantons- und Gemeindesteuern) 21 %: 10.500 EUR.

Lösung:

Die Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 AStG sind zu prüfen:

  • Es liegen Einkünfte vor, die in einer ausländischen Betriebsstätte i. S. d. § 12 AO anfallen;
  • unbeschränkte Steuerpflicht i. S. d. § 1 EStG liegt vor;
  • passive Einkünfte i. S. d. § 8 Abs. 1 AStG liegen hinsichtlich der Einkaufstätigkeiten für verbundene Unternehmen vor. Infolge der rückwirkenden Gesetzesänderung im JStG 2010 für alle noch "offenen" Fälle gilt dies aber nicht für die Alternative a), die Erbringung von Dienstleistungen.
  • Eine niedrige Besteuerung i. S. d. § 8 Abs. 3 AStG liegt vor:

Zusammenfassung:

Variante a)

Da der Anwendungsbereich des § 8 Abs. 1 Nr. 5a) AStG nicht mehr zu den passiven Einkünften i. S. d. § 20 AStG Fassung 2010 gilt, bleibt es bei der Steuerfreistellung nach dem DBA/Schweiz.

Variante b)

Da alle Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 AStG erfüllt sind, unterliegen die Schweizer Betriebsstätteneinkünfte in Deutschland – entgegen Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a DBA-Schweiz – der Anrechnungsmethode. Die Einkünfte i. H. v. 50.000 EUR werden als steuerpflichtig angesetzt, die Schweizer Steuern i. H. v. 10.500 EUR werden im Rahmen des § 34c EStG angerechnet.

Insbesondere in Grenznähe zur Schweiz, aber auch zu Frankreich und wegen der Nullbesteuerung auch im Verhältnis zu den Vereinigten Arabischen Emiraten gibt es vielfache Fälle von Gewerbetreibenden und Selbstständigen, die im ausländischen Staat über eine feste Geschäftseinrichtung verfügen und bei denen die Anwendung des § 20 Abs. 2 AStG grundsätzlich infrage kommt.

9.3.2 Einzelfragen

9.2.2.1 Einkünfte aus passiver Tätigkeit

Durch den Wegfall der Verweisung auf die Tatbestände des § 8 Abs. 1 Nr. 5a AStG entfällt die Anwendung des § 20 Abs. 2 AStG ab 2010 (und auch für alle nicht bestandskräftigen Besteuerungsfälle) die den Dienstleistungsbereich betreffen.

Verbleibende Anwendungsbereiche

Lediglich für den Teilgeschäftsbereich ‹Einkauf für verbundene Unternehmen› oder für Lizenzverwertungsbetriebsstätte bleibt es bei der Anwendung des § 20 Abs. 2 AStG.

9.3.2.2 Niedrige Besteuerung i. S. des § 8 Abs. 3 AStG

Diese Frage soll anhand des Beispiels Schweiz erläutert werden. Kapitalgesellschaften unterliegen in der Schweiz regelmäßig einer niedrigen Besteuerung.

Für die Besteuerung von in der Schweiz beschränkt steuerpflichtigen natürlichen Personen lässt sich dies nicht ohne eine Berechnung der Schweizer Ertragsteuerbelastung klären. Für diese Berechnung sind die Schweizer Einkünfte nach deutschem Steuerrecht zu ermitteln.[1] Der so ermittelte Betrag ist danach ins Verhältnis zu den tatsächlich in der Schweiz gezahlten Steuern zu setzen (Ertragsteuerbelastung)...

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