Abweichend von den allgemeinen Grundsätzen der Akzessorietät, d. h. Zuordnung entsprechend der Finanzierung von Wirtschaftsgütern, erfolgt die Zuordnung von Passiva erst nach Zuordnung der Eigenkapitalausstattung. Ansonsten würden sich zufällige Ergebnisse bzw. Gestaltungsmöglichkeiten ergeben.

 
Praxis-Beispiel

Wegfall von Gestaltungsmöglichkeiten

Für eine neu gegründete ausländische Betriebsstätte wird zu Anfang des Jahres die gesamte freie Liquidität eingesetzt. Die Anschaffungen im deutschen Stammhaus werden dann im 2. Halbjahr mit Fremdmitteln vorgenommen. Eine Zuordnung nach Akzessorietätsgrundsätzen würde der Betriebsstätte nur Eigenkapital zuweisen. Daher ist eine vorrangige Zuordnung des angemessenen Dotationskapitals erforderlich.

Der Betriebsstätte sind in einem ersten Schritt die Passiva direkt zuzuordnen, die mit den von der Betriebsstätte ausgeübten Funktionen, den zugeordneten Vermögenswerten sowie den Chancen und Risiken in unmittelbarem Zusammenhang stehen (Vorrang der direkten Zuordnungsmethode, § 14 Abs. 1 BsGaV) – i. d. R. Buchung der laufenden Aufwendungen im Rahmen der Buchhaltung. In einem zweiten Schritt ist allerdings durch die Zuordnung des Dotationskapitals – i. d. R. im Rahmen der Jahressabschlussarbeiten – zu prüfen, ob nicht das Dotationskapital zuzüglich der direkt zuordenbaren Passivposten die Summe der Aktiva übersteigt. Dann. sind die zuzuordnenden Passiva und der entsprechende Zinsaufwand bei der Betriebsstättengewinnermittlung anteilig zu kürzen. Soweit nach der direkten Zuordnung noch ein nicht gedeckter Fehlbetrag der Passivseite verbleibt, ist dieser Fehlbetrag zum Ausgleich von Aktiva und Passiva nach der indirekten Methode mit sonstigen Passiva des Unternehmens aufzufüllen.

Hinsichtlich der Zuordnung von laufenden Finanzierungsaufwendungen ist auch noch § 15 Abs. 1 BsGaV zu beachten, der die gleichen Grundsätze wie die für die Zuordnung der passiven Wirtschaftsgüter enthält.

Hinsichtlich Einzelheiten vgl. BMF, Schreiben v. 22.12.2016 – VWG BsGa – BStBl I 2017 S. 182, Rz. 152 ff. bzgl. der passiven Wirtschaftsgüter und Rz. 155 ff. bzgl. der Finanzierungskosten.[1]

Praxishinweis:

Die Kürzung der eigentlich direkt zuordenbaren übrigen Passivposten (z. B. Darlehen zum Kauf von Wirtschaftsgütern, die von der Betriebsstätte genutzt werden) wird in der Fachliteratur als Verstoß gegen Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit bzw. Verstoß gegen die in reinen Inlandsfällen bestehende Akzessorietät zwischen Wirtschaftsgut und Refinanzierungsdarlehen qualifiziert und empfohlen zu prüfen, ob nicht zusätzliche Vermögenswerte der Betriebsstätte zugeordnet werden können oder ein Rechtsbehelf wegen unzulässiger Diskriminierung zu führen ist.

[2]

Auch die Gefahr internationaler Doppelbesteuerungen wird gesehen.

[3]

In den nicht seltenen Fällen einer Finanzierung über mehrere Kredite oder Banken stellt sich auch die Frage, ob neben einer quotalen Kürzung z. B. auch Kürzungen nach Zeitablauf oder anderen Maßstäben möglich ist.

[4]

Betriebsstätte und Unternehmen haben dieselbe Kreditwürdigkeit. Zwischen beiden Einheiten gibt es keine entgeltlichen Garantien, und die Nutzung von finanziellen Mitteln des übrigen Unternehmens durch eine Betriebsstätte begründet im Regelfall keine anzunehmenden schuldrechtlichen Beziehungen ("Darlehensverhältnisse"). Die Zuordnung dieser Vermögenswerte erfolgt stattdessen nach den vorgenannten Regeln. Die bloße Aufnahme und Weiterleitung von Finanzmitteln durch das Stammhaus an die Betriebsstätte berechtigt nur zum Ansatz einer Quasi-Provision für die Kapitalbeschaffung durch das Stammhaus, nicht aber zum Ansatz von internem Zinsaufwand.[5]

Die Regelung in § 17 Abs. 2 BsGaV gibt daher eine Dienstleistungsfunktion für den Bereich der Liquiditätssteuerung or.

[1] .
[2] Vgl. z. B. Roth, in HHR, Kommentar zum EStG/KStG, § 49 EStG Rz. 274.
[3] Vgl. Girlich/Müller, ISR 2017 S. 234.
[4] Vgl. Bärsch in HHR, Kommentar zum EStG/KSTG, Anhang BsGAV zu $§ 49 EStG, Rz. 197.
[5] So z. B. Barig, IWB 2013 S. 801.

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