In der Literatur wird die Auffassung vertreten, dass die Grundsätze der Tz. 4.5.2.2 auch für die Kapitalgesellschaft gelten müssen, da diese nur über ihre gesetzliche Vertreter tätig werden kann.

Die Finanzverwaltung geht hingegen davon aus, dass der gesetzliche Vertreter einer Kapitalgesellschaft eine Vertreterbetriebsstätte begründen kann.[1]

Nach der Rechtsprechung des BFH ist hingegen vorrangig zu prüfen, ob nicht bereits eine Geschäftsleitungsbetriebsstätte gegeben ist.[2]

Der BFH hat zudem in einer Grundsatzentscheidung

[3]

entschieden, dass das Organ einer juristischen Person (im vorliegenden Fall der Geschäftsführer einer GmbH) deren ständiger Vertreter im Sinne des § 13 AO sein kann. Die nachhaltige Tätigkeit des Geschäftsführers einer ausländischen Körperschaft im Inland kann danach deren beschränkte Steuerpflicht begründen; § 2 Nr. 1 KStG i. V. m. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a) EStG. Die von § 13 AO geforderte Geschäftsbesorgung erfasst begrifflich auch die geschäftsführenden Tätigkeiten eines Organs. Die in § 13 Satz 2 AO genannten Regelbeispiele für geschäftsbesorgende Tätigkeiten (Verträge abschließen oder Aufträge einholen) haben im Kern dieselbe Bedeutung. Auch die Person, die als Geschäftsführer einer Kapitalgesellschaft tätig wird, erledigt in diesem Sinne deren Geschäfte, führt für sie Aufträge aus oder holt Aufträge für sie ein. Die von § 13 AO vorausgesetzte Weisungsgebundenheit kann auch bei einem Organ vorliegen. Sie ist wegen der ohnehin gegebenen Einheitlichkeit der Willensbildung im Sinne der Organtheorie zu bejahen oder folgt aus dem Bestehen gesellschaftsrechtlicher Weisungsbefugnisse. Der I. Senat des BFH weist zudem – entgegen Entscheidungen der Finanzgerichte und Stimmen im Schrifttum – darauf hin, dass auch das Organ einer Kapitalgesellschaft eine sog. Vertreterbetriebsstätte im Sinne eines DBA (Urteilsfall DBA Luxemburg) begründen kann. Hinsichtlich des dort verwendeten Merkmals der „gewöhnlichen Vollmachtsausübung“ kommt (wie bei der Frage nach der Nachhaltigkeit in § 13 AO) dem Umstand der Regelmäßigkeit neben der Zeitdauer erhebliche Bedeutung zu.

 
Hinweis

Wichtiges für die Praxis

• Die vom BFH erstmals höchstrichterlich entschiedene Frage ist nur relevant, wenn das Handeln des Organs im Inland nicht bereits eine Geschäftsleitungsbetriebsstätte begründet, die zur unbeschränkten Steuerpflicht führt, oder eine sonstige inländische Betriebsstätte mit der Folge einer darauf bezogenen beschränkten Steuerpflicht zu bejahen ist.

• Das Urteil betrifft alle ausländischen Unternehmen, die im Inland durch Mitglieder der Geschäftsführung tätig werden. Allerdings ist zu beachten, dass nicht jede Tätigkeit im Inland genügt, um eine beschränkte Steuerpflicht zu begründen. Der BFH erkennt diese Gefahr aber und bestimmt daher, dass eine sorgfältige Prüfung der Nachhaltigkeit des Vertreterhandelns erfolgen muss. Außerdem ist zu beachten, dass der Begriff der Geschäftsbesorgung im Sinne des § 13 AO nicht jedwede Tätigkeit und nicht das Besorgen von Geschäften jeder Art umfasst. Es sind nur solche Tätigkeiten darunter zu verstehen, die den Regelbeispielen des § 13 Satz 2 AO nahekommen. So kann es bei bestimmten geschäftsleitenden Tätigkeiten und Aufsichtstätigkeiten, die von dem Geschäftsführer aufgrund seiner Organstellung im eigenen Interesse bzw. im Interesse des Gesellschafters ausgeübt werden, an der erforderlichen Fremdbezogenheit gegenüber der Kapitalgesellschaft und damit an einer hinreichend engen Verknüpfung der Betätigung des ausländischen Unternehmens mit der inländischen Wirtschaft fehlen.

• Die Voraussetzungen für eine Vertreterbetriebsstätte wurden durch das OECD-Musterabkommen 2017 verschärft, so dass eher vom Vorliegen einer Vertreterbetriebsstätte im abkommensrechtlichen Sinn auszugehen ist. Die Abschlussvollmacht des Vertreters ist nicht mehr Voraussetzung für die Begründung einer Vertreterbetriebsstätte im Sinne des OECD-MA 2017. Es ist ausreichend, wenn der Vertreter gewöhnlich eine wesentliche Rolle innehat, die zum Abschluss von Verträgen führt, die routinemäßig ohne wesentliche Änderung durch das Unternehmen geschlossen werden. Es bleibt abzuwarten, ob dies neben dem bereits in Kraft getretenen DBA Australien 2018 in den künftigen Revisionsabkommen zur Anwendung kommt.

[2] BFH, Urteil v. 15.7.1998, I B 136/97, BFH/NV 1999 S. 372.

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