In der Literatur wird zunehmend die Gestaltung vorgestellt, dass durch die "Ansiedlung" eines Internet-Servers in einem Niedrigsteuerstaat Vertriebsgewinne verlagert werden könnten.[1]

 
Praxis-Beispiel

Geschäftsleitungsbetriebsstätte

Der Tübinger Industrielle Baier stellt EDV-Zubehör her. Um sich neue Kundenquellen zu erschließen, will er künftig im Internet mittels eines virtuellen Warenhauses seine Produkte verkaufen. Sein Berater empfiehlt ihm aus steuerlichen Gründen, den hierzu erforderlichen Computer in Zug/Schweiz anzumieten, und dieser Aktivität einen Vertriebsgewinn von 10 % zuzuordnen

Derartige Fälle werden in der Literatur[2] unter Anwendung der sog. Pipeline-Rechtsprechung des BFH[3] beurteilt. Hiernach ist eine unterirdisch verlaufende Rohrleitung eine feste Geschäftseinrichtung sowohl i. S. d. § 12 Satz 1 AO als auch eines DBA (Niederlande).[4] Der Betriebsstättenbegriff erfordert nicht, dass die Geschäftseinrichtung oder Anlage einen Bezug zur Erdoberfläche hat und deshalb auch dort sichtbar sein muss. Der BFH hat zugleich entschieden, dass beim bloßen Durchleiten (Transport) durch eine Pipeline auch die Voraussetzung der Nutzung für eine gewisse Dauer zu unternehmerischen Zwecken vorliegt. Die Finanzverwaltung[5] ist hingegen der Auffassung, dass es sich um eine Hilfstätigkeit handelt und damit keine Betriebsstätte vorliegt. Hiergegen wird vorgebracht, dass dies nicht gelten kann, wenn in derartigen Fällen Geschäftsgegenstand sowohl des Stammhauses als auch der Niederlassung die Kundenbetreuung in jeglicher Form ist. Denn dann kommt nicht einer der Ausschlusstatbestände des Art. 5 Abs. 5 Abs. 4 OECD-MA zum Zuge.[6]

Der BFH hat diese Frage "offen" gelassen.[7]

Nach dem OECD-MAK soll ein Server dann eine Betriebsstätte darstellen, wenn alle Kernfunktionen (Vertragsabschluss, Zahlung, Lieferung) über den Server abgewickelt werden (Tz. 42.1 ff. zu Art. 5). Hiernach begründet allein die Ansiedlung einer Webseite bei einem im Ausland anässigen Provider keine steuerlich zu berücksichtigte Betriebsstätte i. S. v. Art. 5 OECD. Vielmehr muss ein gewisser Hardwareeinsatz erfolgen. Zur maßgebenden Abgrenzung zwischen Haupt- und Hilfstätigkeiten enthält Tz. 128 des Musterkommentars i. d. F. vom 21.11.2017 einen Katalog von typischen digitalen Hilfstätigkeiten i. S. d. Art. 5 Abs. 4 OECD-MA, die keine Betriebsstätte begründen.

In Zusammenahng mit neuen digitalen Geschäftsmodellen wird in der Literatur auch die Frage der steuerlichen Betriebsstätten in der „Cloud” gestellt.

[8]

Hierzu besteht derzeit keine veröffentlichte Beurteilung Auffassung der Finanzverwaltung.

 
Hinweis

Gewinnverlagerung auf Server

Damit ist noch nicht entschieden, ob die in der Literatur angestrebten Gestaltungen der Gewinnverlagerung auf Server in Niedrigsteuerländer auch "wirken". In einer zweiten Stufe stellt sich die Frage, welche Einkünfte einer solchen Betriebsstätte zuzuordnen sind. Nach derzeitiger deutscher Auffassung der Finanzverwaltung beschränkt sich die Funktion des Servers auf die Datenübermittlung (= technische Betrachtung). Der der Betriebsstätte zuzuordnende Gewinn beschränkt sich daher auf ein "cost-plus" für die reinen Hardwarekosten.

[1] Vgl. z. B. IWB v. 26.3.1997 S. 265; IStR 1997 S. 257.
[2] vgl. Watrin, IStR 2001 S. 425
[4] BFH, Urteil v. 30.10.1996, IStR 1997 S. 147.
[5] OFD Karlsruhe, Verfügung v. 11.11.1998, S 1301 A – St 332, IStR 1999 S. 439 (mit Anmerkung von Keßer, Maßwald und Peter).
[6] OECD-MAK zu Art. 5, Tz. 24 sowie Scherer in: Debatin/Wassermeyer, DBA, Art. 5 DBA Schweiz, Tz. 61.
[7] BFH, Urteil v. 5.6.2002, I R 86/01, IStR 2002 S. 638.
[8] Grundlegend Tappe, IStR 2011 S. 870; Sinewe/Frase, BB 2011 S. 2198; Dorenkamp, IStR 2012 S. 717; Pinkernell, IStR 2013 S. 180.

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