Dieser liegt vor, wenn die Vertragsstaaten über Art. 3 Abs. 2 OECD-MA Abkommensbegriffe nach dem innerstaatlichen Recht auslegen.

 
Praxis-Beispiel

Qualifikationskonflikt – Grundbeispiel

Deutschland behandelt Sondervergütungen, die der Gesellschafter einer ausländischen Personengesellschaft von der Gesellschaft bezieht (z.  B. Zinsen für ein Darlehen) als Unternehmenseinkünfte (entsprechend § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG), der andere Staat hingegen als Zinsen, die er bei der Unternehmensbesteuerung als Betriebsausgabe abzieht.

Lösungsschritte:

1. Auswirkungen?

Bei Qualifikationskonflikten im engeren Sinne ist zu unterscheiden, ob eine Doppelbesteuerung (= positiver Qualifikationskonflikt) vorliegt oder ein negativer Qualifikationskonflikt (= keine Besteuerung in beiden Staaten oder niedrige Quellenbesteuerung mit Steuerfreistellung in Deutschland).

2. Lösung im DBA?

Es ist zu untersuchen, ob sich eine Lösung durch das DBA selbst ergibt oder beim negativen Qualifikationskonflikt die Steuerfreistellung nach § 50d Abs. 9 EStG aufzuheben ist.

Positiver Qualifikationskonflikt

Der Ansässigkeitsstaat folgt der Qualifikation des Quellenstaats – hier Staat der Personengesellschaft (sog. Qualifikationsverkettung[1]). Er vermeidet die Doppelbesteuerung nach der Methode, die sich dafür im Methodenartikel des jeweiligen DBA für diese Einkünfte ergibt.

 
Praxis-Beispiel

Positiver Qualifikationskonflikt – Beispiel 1[2]:

Der im Inland ansässige A ist an einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft im Staat X beteiligt, die in X belegene Immobilien verwaltet und daneben aus der Anlage von Kapital der Instandhaltungsrücklage Zinsen erzielt. Staat X nimmt eine Betriebsstätte an und behandelt Vermietungseinkünfte und Zinsen nach Art. 7 OECD-MA.

Lösung:

Aus deutscher Sicht erzielt A zum einen Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen, die der Staat X nach Art. 6 OECD-MA besteuern darf. Hinsichtlich der Zinsen wendet Deutschland Art. 11 OECD-MA an. Nach erfolglosem Verständigungsverfahren hat Deutschland als Ansässigkeitsstaat die Doppelbesteuerung nach der Methode zu vermeiden, die für Unternehmensgewinne vorgesehen ist, d. h. nach der Freistellungsmethode.

 
Praxis-Beispiel

Positiver Qualifikationskonflikt – Beispiel 2[3]

Der im Inland ansässige A ist an einer Gesellschaft im Staat X beteiligt. Deutschland behandelt die Gesellschaft als Steuersubjekt, Staat X behandelt sie als transparent. A veräußert seine Beteiligung. Deutschland nimmt einen Veräußerungsgewinn i. S. d. Art. 13 OECD-MA, d. h. ein Besteuerungsrecht Deutschlands an, während Staat X den Veräußerungsgewinn der im Staat X belegenen Betriebsstätte der Gesellschaft zuordnet (Art. 13 Abs. 2 OECD-MA).

Lösung:

Nach erfolglosem Verständigungsverfahren hat Deutschland als Ansässigkeitsstaat die Doppelbesteuerung nach der Methode zu vermeiden, die für Unternehmensgewinne vorgesehen ist, d. h. nach der Freistellungsmethode.

Negativer Qualifikationskonflikt

Besteuert der andere Quellenstaat – hier Betriebsstättenstaat – die Einkünfte nicht oder nur zu einem durch das DBA begrenzten Steuersatz, läuft die Grundfunktion der Freistellungsmethode – nämlich die Vermeidung der Doppelbesteuerung – ins Leere. Damit entfällt die Verpflichtung des Ansässigkeitsstaats, die Einkünfte freizustellen. Er nimmt die Freistellung zurück (OECD-MA zu Art. 23, Tz. 32.6 und 32.7; § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG). Eine etwaige ausländische Steuer wird entsprechend § 34c Abs. 1 oder Abs. 2 i. V. m. Abs. 6 EStG berücksichtigt.

 
Praxis-Beispiel

Negativer Qualifikationskonflikt – Beispiel 1[4]

Der im Inland ansässige A ist an einer Personengesellschaft im Staat X beteiligt, die einen Pkw-Handel betreibt. Aus der Finanzierung der Pkw-Verkäufe erzielt A Zinseinkünfte. Der Staat X rechnet die Zinsen nicht dem Unternehmensgewinn zu, sondern wendet Art. 11 OECD-MA an. Deutschland hingegen ordnet die Zinsen den Unternehmenseinkünften zu und geht insgesamt von Unternehmensgewinnen i. S. d. Art. 7 OECD-MA aus.

Die Doppelfreistellung wird vermeiden, indem Deutschland seine Freistellung zurücknimmt.

 
Praxis-Beispiel

Negativer Qualifikationskonflikt – Beispiel 2

Der im Inland ansässige A ist an einer Gesellschaft im Staat X beteiligt. Deutschland behandelt die Gesellschaft als transparent, Staat X behandelt sie als Steuersubjekt. A veräußert seine Beteiligung. Dies könnte z. B. einen Anteil an einer spanischen S.C (KG) betreffen.

Lösung:

Deutschland ordnet den Veräußerungsgewinn der im Staat X belegenen Betriebsstätte der Gesellschaft zu (Art. 13 Abs. 2 OECD-MA), während Staat X einen Veräußerungsgewinn an einer Kapitalgesellschaft i. S. d. Art. 13 OECD-MA, d. h. ein Besteuerungsrecht Deutschlands annimmt. Im konkreten Länderfall Spanien ordnet Gewinne aus der Veräußerung der Anteile Art. 13 Abs. 3 DBA-Spanien (Kapitalbeteiligung) zu, Deutschland hingegen Art. 13 Abs. 2 DBA (Betriebsstättengewinne) = negativer Qualifikationskonflikt.

Die Doppelfreistellung wird vermeiden, indem Deutschland seine Freistellung nach zurücknimmt.[5]§ 50d Abs. 9 Nr. 1 EStG verm...

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