2.1 Grundsatz der Qualifikationsverkettung

Nur in wenigen DBAs ist die Einordnung der Sondervergütungen abkommensrechtlich geregelt. Das BMF-Schreiben v. 26.9.2014[1] listet folgende DBAs, die Sondervergütungen, die gewerblich tätige Personengesellschaften zahlen, ausdrücklich den Unternehmensgewinnen zuweisen:

  • Algerien (Artikel 7 Abs. 7),
  • Ghana (Artikel 7 Abs. 6),
  • Kasachstan (Artikel 7 Abs. 6),
  • Liechtenstein (Artikel 7 Abs. 4),
  • Mauritius 2011 (Artikel 7 Abs. 7),
  • Oman (Artikel 7 Abs. 7),
  • Österreich (Artikel 7 Abs. 7),
  • Schweiz (Artikel 7 Abs. 7),
  • Singapur (Artikel 7 Abs. 7),
  • Tadschikistan (Artikel 7 Abs. 7),
  • Türkei 2011 (Protokoll Nr. 2 Buchst. b),
  • Uruguay 2010 (Artikel 7 Abs. 7),
  • Weißrussland (Artikel 7 Abs. 7),
  • Usbekistan (Artikel 7 Abs. 7),
  • Zypern 2011 (Protokoll Nr. 2).

So hat z. B. Art. 7 Abs. 7 DBA Schweiz (Unternehmensgewinne) folgenden Wortlaut:

"Dieser Artikel gilt auch für Einkünfte aus der Beteiligung an einer Personengesellschaft. Er erstreckt sich auch auf Vergütungen, die ein Gesellschafter einer Personengesellschaft von der Gesellschaft für seine Tätigkeit im Dienst der Gesellschaft, für die Gewährung von Darlehen oder für die Überlassung von Wirtschaftsgütern bezieht, wenn diese Vergütungen nach den Steuerrecht des Vertragsstaates, in dem die Betriebsstätte gelegen ist, den Einkünften des Gesellschafters aus dieser Betriebsstätte zugerechnet werden."

Satz 1 führt in diesem Fall zur grundsätzlichen Anwendung des Art. 7 nicht nur Betriebsstätten, sondern auch Beteiligungen an Personengesellschaften auf. Eine Beteiligung an einer ausländischen Personengesellschaft gilt insoweit als fiktive Betriebsstätte. Im Gegensatz zum Regelfall der Betriebsstättenbesteuerung besteht kein sog. Stammhaus.

Satz 2 bestimmt das Prinzip einer sog. Qualifikationsverkettung. Der Wohnsitzstaat des Mitunternehmers wendet grundsätzlich die Qualifikation des Betriebsstättenstaats (= Staat der ausländischen Personengesellschaft) an. Daher ist es immer erforderlich, bei der Beurteilung der steuerlichen Behandlung eines Steuerinländers, der an einer ausländischen Personengesellschaft in den vorgenannten Ländern beteiligt ist, die Behandlung von Sondervergütungen nach dem Recht des anderen Vertragsstaats (Betriebsstättenstaats) zu ermitteln.

Mit Urteil v. 17.10.1990[2] hatte der BFH hierzuentschieden, dass die Vergütungen, die ein in der Schweiz ansässiger persönlich haftender Gesellschafter einer KGaA für die Hingabe von Darlehen von der Gesellschaft bezogen hat, zu den inländischen Einkünften gehören, die nicht nach Art. 7 DBA-Schweiz in Deutschland steuerfrei zu belassen sind.

Mit Urteil v. 26.2.1992[3] hat der BFH dies nochmals ausdrücklich bestätigt und dabei darauf hingewiesen, dass Art. 7 Abs. 8 (gemeint ist wohl: Abs. 7 Satz 2) DBA-Schweiz eine den Regelungen des Art. 11 DBA-Schweiz vorgehende Sonderregelung darstelle. Im Übrigen müssten in- und ausländische Personengesellschaften grundsätzlich gleichgestellt werden. Art. 11 Abs. 4 OECD-Musterabkommen stelle darauf ab, ob die Darlehensforderung des Gesellschafters tatsächlich zur Betriebsstätte gehöre. Dies sei nicht der Fall, wenn sie von der Personengesellschaft passiviert werden müsse.

 
Praxis-Beispiel

Qualifikationsverkettung DBA Schweiz

Der Steuerinländer A beteiligt sich an dem bisherigen Einzelunternehmen des Schweizers B und es wird die Schweizer Kollektivgesellschaft A und B gegründet.

A gewährt der Kollektivgesellschaft ein Darlehen von 1 Mio. SFR und erhält dafür Zinsen i. H. v. 50.000 SFR.

  1. die Zinsen wurden in der Schweiz als Betriebsausgabe berücksichtigt;
  2. die Zinsen wurden in der Schweiz als Gewinnanteil berücksichtigt.

Hieraus ergeben sich folgende Rechtsfolgen bei der inländischen Besteuerung:

  1. deutsches Besteuerungsrecht für die Zinsen, da die Schweiz als Betriebsstättenstaat diese Vergütungen eben nicht als Vorabgewinn behandelt;
  2. schweizerisches Besteuerungsrecht durch die "Umqualifikation" in gewerbliche Gewinne. Der Wohnsitzstaat Deutschland muss der Qualifikation folgen und die Einkünfte freistellen.

Da die Behandlung in der Schweiz u. U. vom jeweiligen kantonalen Steuerrecht abhängig ist, ist im Einzelfall zu prüfen, wie die Handhabung erfolgt.

 
Hinweis

Anh. Verständigungsverfahren zu Pensionszahlungen

Aktuell strittig ist die Behandlung von Pensionen eines vormals in der Schweiz ansässigen Mitunternehmers, der in der Aktivzeit entweder Gesellschafter-Geschäftsführer der deutschen Mitunternehmerschaft oder bei einer GmbH & Co.KG der Komplementär-GmbH war. Aus Sicht der Schweizer Steuerverwaltung greift Art. 7 Abs. 7 DBA Schweiz nur für sog. Aktivvergütungen, da Pensionen keine Vergütungen für eine Tätigkeit im Dienst der Gesellschaft seien, sondern aufgrund eines gesonderten Rentenstammrechts gezahlt würden. Aus Sicht der deutschen Finanzverwaltung handelt es sich allerdings in diesen Fällen auch noch um Vergütungen, die auf Grund der früheren Mitunternehmerstellung gezahlt werden. Die Anwendung des § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG führt in diesen Fällen faktisch zur Nichtanerkennung einer Pensionsrückstellung...

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