1.1 Überblick

§ 1 Abs. 3 AStG enthält als weitere gesetzliche Vorgabe des Fremdverhaltensgrundsatzes in Satz 11 eine sog. Preisanpassungsklausel. Ziel ist es, den im Wege des hypothetischen Fremdvergleichs ermittelten Verrechnungspreis für ein oder mehrere immaterielle WG nachträglich zu korrigieren.

 
Praxis-Beispiel

Preisanpassungsklausel

Im Jahr 01 wird für eine verlagerte Funktion ein Preis von 3 Mio. EUR angesetzt. Im Jahr 05 findet für die Jahre 01 bis 03 eine Betriebsprüfung statt. Dabei stellt sich heraus, dass die ausgelagerte Funktion ab 03 höhere Gewinne erzielt, als bei der Festlegung des Einigungsbereichs angenommen worden war.

 

Voraussetzung für die Anwendung der Preisanpassungsklausel ist zunächst, dass die spätere Gewinnentwicklung erheblich von derjenigen abweicht, die der Verrechnungspreisbestimmung zugrunde lag. Eine erhebliche Abweichung liegt nach der gesetzlichen Legaldefinition dann vor, wenn der zutreffende Verrechnungspreis außerhalb des vom Steuerpflichtigen festgelegten Einigungsbereichs liegt.[1]

Der "neue" Einigungsbereich, der die tatsächliche Gewinnentwicklung berücksichtigt, bestimmt sich wie folgt:

  • Der ursprüngliche Mindestpreis des verlagernden Unternehmens bleibt unverändert, denn insoweit können nach der Funktionsverlagerung keine Veränderungen eingetreten sein.
  • Der Höchstpreis des übernehmenden Unternehmens ist anhand der tatsächlich erzielten Gewinne neu zu berechnen, da insoweit erhebliche Abweichungen eingetreten sind. Für die Berechnung sind die Gewinnerwartungen des übernehmenden Unternehmens hinsichtlich der zukünftigen Jahre des Kapitalisierungszeitraums auf der Grundlage der Gewinnentwicklung in den bereits abgelaufenen Jahren hochzurechnen.

Aber auch dann, wenn eine erhebliche Abweichung vorliegt, kommt es nicht zwingend zur Anwendung der Preisanpassungsklausel. Vielmehr wird die Anwendung der Klausel nur widerleglich vermutet, d. h. es kommt nur zur Preisanpassung, wenn seitens des Unternehmens die Vermutung nicht entkräftet werden kann, dass im Zeitpunkt des Geschäftsabschlusses Unsicherheiten hinsichtlich der Preisvereinbarung bestanden und unabhängige Dritte eine sachgerechte Anpassungsregelung vereinbart hätten.

Ist aufgrund der Anpassungsklausel eine Berichtigung des Verrechnungspreises vorzunehmen, erfolgt dies in dem Jahr, das dem Jahr folgt, in dem die Abweichung eingetreten ist.[2] Die Anpassungsmöglichkeit ist auf die ersten zehn Jahre nach dem Geschäftsabschluss beschränkt.[3] Die überwiegende Literaturmeinung[4] hält diese Laufzeit für unrealistisch. Selbst bei vergleichbaren Unternehmenskäufen werden regelmäßig nicht mehr als 3-jährige Anpassungsklauseln vereinbart.

Änderungen ab Veranlagungszeitraum 2022

Nach § 1a AStG 22 ist die Anwendung der Preisanpassungsklausel nicht mehr auf Geschäftsvorfälle mit immateriellen Werten, insbesondere Funktionsverlagerungen, für die der hypothetische Fremdvergleich anzuwenden ist, beschränkt, sondern der Anwendungsbereich wird auf alle Geschäftsbeziehungen ausgeweitet, die wesentliche immaterielle Werte oder Vorteile zum Gegenstand haben.

Als Voraussetzung für die Anwendung der Neufassung der Preisanpassungsklausel ist eine erhebliche Abweichung (> 20 % im Verhältnis zum ursprünglichen Fremdvergleichspreis unter Zugrundelegung der tatsächlichen Gewinnentwicklung) bezogen auf die ersten 7 Jahre (bisher 10 Jahre) der Vereinbarung vorgegeben.

Die Anpassung des Verrechnungspreises hat dann im 8. Jahr nach Geschäftsabschluss in Höhe des Unterschiedsbetrags zu erfolgen. Allerdings sind 3 Ausnahmen (im Rahmen eines Escapes, d. h. Nachweis- und Darlegungspflichten des Steuerpflichtigen) vorgesehen, die unabhängig voneinander anwendbar sind:[5]

  1. Glaubhaftmachung einer Nichtvorhersehbarkeit der Umstände für die tatsächliche Entwicklung. Diese Regelung entspricht den OECD-Guidelines.[6]

    In der Praxis bedarf dies einer betriebswirtschaftlichen Begründung, weshalb z. B. unerwartete Umsatzsprünge mit der übertragenen Funktion (deren Produkte) erwirtschaftet wurden;

    oder

  2. Nachweis einer angemessenen Berücksichtigung der aus künftigen Entwicklungen resultierenden Unsicherheit im Rahmen des Verrechnungspreises. Auch diese Regelung entspricht den OECD-Guidelines.[7]

    Nach der Gesetzesbegründung[8] ist Voraussetzung eine ökonomisch plausiblen Begründung, die „insbesondere durch extern veröffentlichte Informationen seitens des Unternehmens und auf der Grundlage von ökonomisch anerkannten Prinzipien und Methoden erfolgen, bspw. durch fremdübliche Risikozuschläge oder Risikoabschläge“ erfolgen kann; oder

  3. Vorliegen einer Lizenzvereinbarung mit umsatz- oder gewinnabhängiger Vergütung (die damit rechnerisch die Beteiligung an einem unerwarteten Mehrgewinn sicherstellt). Dies ist die in der Praxis wichtigste Gestaltungsmöglichkeit. Vgl. hierzu im Detail Abschnitt 1.3.1.

Die neue deutsche Regelung steht damit insbesondere wegen der langen Überwachungsphase von 7 Jahren (ab 2022) nicht vollumfänglich im Einklang mit den Vorgaben der OECD.

Zum einen sieht die OECD eine Nutz...

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