3.1 Gefahr einer verdeckten Gewinnausschüttung (vGA)

Für inländische Vertriebsgesellschaften eines ausländischen Konzerns prüfte man bei einer Änderung der Funktion bereits vor Inkrafttreten der gesetzlichen Neuregelung vorrangig, ob eine vGA wegen nicht geltend gemachter Ausgleichsansprüche besteht.

Eine vGA kommt regelmäßig in Betracht, wenn die Vertriebsgesellschaft in die vorzeitige unentgeltliche Auflösung eines seit Jahren bestehenden Vertragsverhältnisses einwilligt. Hierbei ist insbesondere zu prüfen, ob

  • ein Ausgleichsanspruch nach § 89b HGB für die Übertragung eines Kundenstamms oder
  • ob Entschädigungsansprüche wegen vorzeitiger Kündigung des Vertrags bestehen.

Der gesellschaftsrechtlich bedingte Verzicht auf diese Ansprüche wäre dann als vGA zu werten.

Diesen Gesichtspunkt der fremdkonformen Vergütung "Ausgleichsanspruch" übernimmt § 8 FVerlV auch für den Bereich der Funktionsverlagerungsprüfung nach § 1 AStG.

Dies enspricht auch den OECD-Guidelines.[1]

Die Verwaltungsgrundsätze Verrechnungspreise 2023 verweisen auf nachfolgende Beispiele von Schadensersatz-, Entschädigungs- und Ausgleichsansprüchen:

  • gesetzliche Ausgleichsansprüche des Handelsvertreters, Kommissionärs, Agenten oder Vertragshändlers aus § 89b HGB bzw. aus dessen analoger Anwendung,
  • vertraglich vereinbarter Schadensersatz, z. B. für nicht amortisierte Investitionen eines Vertragshändlers, die auf Veranlassung des Herstellers vorgenommen wurden,
  • vertraglich vereinbarter Schadensersatz, z. B. für entgangene Gewinne und für entstandene Schließungskosten (z. B. weiterlaufende Miete) bei vorzeitiger Vertragsauflösung,
  • Ansprüche aufgrund eines Verstoßes gegen ein Wettbewerbsverbot.[2]

    Daneben sind nach den OECD-Guidelines auch Ansprüche aus einem vertraglichen oder tatsächlichen Ausschluss von bestehenden Handlungsalternativen für eines der beteiligten Unternehmen – wie zwischen voneinander unabhängigen Dritten – denkbar. D.h. es ist zu prüfen, ob die Bedingungen einer Vereinbarung (je nach Fall den Inhalt einer Kündigungsklausel oder deren Nichtexistenz) im Hinblick auf eine Entschädigungsklausel dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechen, so dass es erforderlich sein kann, sowohl die Vergütung für die Geschäftsvorfälle, die Gegenstand der Vereinbarung sind, als auch die finanziellen Bedingungen der Auflösung der Vereinbarung zu untersuchen, da beides miteinander zusammenhängen kann. In diesen Fällen ist eine 2-seitige Betrachtung notwendig.[3]

3.2 Einzelfragen der Umwandlung eines Vertragshändlers zum Kommissionär bzw. zum Vertreter ("Funktionsabschmelzung")

Der Kommissionär verkauft Waren im eigenen Namen, aber auf Rechnung des Kommittenten.[1] Der Handelsvertreter dagegen ist im Namen und auf Rechnung des Geschäftsherrn tätig.[2]

Überträgt eine bisher als Eigenhändler tätige inländische Vertriebsgesellschaft bestimmte Funktionen (z. B. Lagerhaltung, Transport, Garantie) auf ein ausländisches verbundenes Unternehmen und wird sie anschließend als Kommissionär bzw. Handelsvertreter tätig, ist zunächst zu prüfen, ob die Kommissionärs- bzw. Handelsvertreterprovision fremdüblich ist und eine Betriebsstätte des Kommittenten bzw. des Geschäftsherrn begründet wird.

Anschließend ist zu prüfen, ob mit fremden Dritten wegen der Funktionsabschmelzung eine Entschädigung vereinbart worden wäre.[3] Durch die Funktionsabschmelzung bei dem Eigenhändler können zwar einerseits Gewinnchancen, andererseits aber auch die mit den abgegebenen Funktionen verbundenen Kosten und Risiken[4] entfallen bzw. gemindert werden. Regelmäßig werden aber die Gewinnchancen die Kosten und Risiken übersteigen und zwischen fremden Dritten auch dann vergütet, wenn sie rechtlich nicht abgesichert sind.

Die Rechtsverordnung bestimmt hierzu, dass insoweit auch eine Ermittlung des Transferpakets auf der Basis eines Schadensersatzanspruchs, hier konkret hinsichtlich eines Ausgleichsanspruchs nach § 89b HGB für die Übertragung eines Kundenstammes besteht.

Dabei kann es sich im Einzelfall anbieten, die ausgeübten Funktionen und übernommenen Risiken im Rahmen einer Funktions- und Risikoanalyse zu bewerten und auf diese Weise für eine Objektivierung der Bemessung der Vergütung Sorge zu tragen.

Für den in der Praxis wichtigen Bereich der Verlagerung von Funktionen von Produktionsfirmen auf den Vertrieb (oder umgekehrt) sowie der Umstrukturierung des Vertriebs (Funktionsabschmelzung) sind nachfolgend Bewertungsbögen zu den wesentlichen Elementen (insbesondere der Risikotragung von Teilaufgaben) wiedergegeben:

Übersicht 1: Bewertungsbogen Vertrieb- und Produktion

Übersicht 2: Umstrukturierung Vertrieb

 
Hinweis

Betriebsprüfung erkennt die Funktionsverlagerung möglicherweise nicht

Bei der Funktionsverlagerung werden immaterielle WG übertragen oder überlassen, die als selbst geschaffene immaterielle WG oder als nicht geschütztes Know-how in der Steuerbilanz nach § 5 Abs. 2 EStG ...

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