Die ab 2008 § 1 AStG normierte Verrechnungspreissystematik sieht grundsätzlich die Verwendung der 3 Standartmethoden vor:

  • Preisvergleichsmethode
  • Wiederverkaufspreismethode und
  • Kostenaufschlagsmethode

Als Ausnahmeregelung bestimmt jedoch § 1 Abs. 3 Satz 5 AStG, dass in den Fällen, in denen weder ein uneingeschränkter Vergleich (z. B. Preisvergleichsmethode) noch ein eingeschränkter Vergleich (Preisvergleichsmethode mit Anpassungsmöglichkeiten) möglich ist, ein hypothetischer Vergleich anzustellen ist.

Hauptanwendungsfall ist gerade – die im Gesetz erst in den nachfolgenden Sätzen 9 ff. angesprochene – Fallkonstellation der Funktionsverlagerung, da es kaum Fälle geben dürfte, in denen für derartige "Teilbetriebs"-Übertragungen auf verbundene Unternehmen ein Marktpreis zu finden ist.

Es ergibt sich damit folgende Prüfungsreihenfolge:

Während beim uneingeschränkten und beim eingeschränkten Vergleich mehrere Vergleichswerte gewonnen werden können, die eine Bandbreite ergeben, ist beim hypothetischen Vergleich – mangels realer Vergleichswerte – ein sog. Einigungsbereich zu bilden.

Die beiden Eckpunkte dieses Einigungsbereichs sind der Minimal- und Maximalpreis der beiden Vertragspartner. Die obere Grenze des Einigungsbereichs ergibt sich aus dem Preis, den der Erwerber maximal zu zahlen bereit ist, und die untere Grenze aus dem Preis, den der Veräußerer mindestens erzielen will.[1] Als Untergrenze bei einer gewinnorientierten Funktionsverlagerung bestimmt § 7 Abs. 1 Satz 1 FVerlV den Wertausgleich für das wegfallende Gewinnpotenzial einschließlich der Schließungskosten.

Es findet trotz (tatbestandlichen) Fehlens einer steuerfunktionellen Einheit (einer "Ebene" unter dem Betrieb/Teilbetrieb) mit vielfältigen materiellen und immateriellen Wirtschaftsgütern per Fiktion eine ganzheitliche Bewertung statt, die eben auch den Geschäftswert, Synergieeffekte der Einzelwirtschaftsgüter und Standortvorteile einbezieht.[2]

Der anzusetzende Verrechnungspreis ist dann der Mittelwert innerhalb dieses Einigungsbereichs, es sei denn der Steuerpflichtige macht glaubhaft, dass der Mittelwert unangemessen ist.[3] Im Ergebnis bedeutet dies die widerlegbare Vermutung für gleich starke Verhandlungspositionen der beiden Vertragspartner.

Im Regelfall dürfte mangels vergleichbarerer Transaktionen bzw. fehlender Daten für Anpassungsrechnungen nur der hypothetische Fremdvergleich zur Bewertung in Frage kommen. Der hypothetische Fremdvergleich wird geprägt durch die Transparenzklausel des § 1 Abs. 1 Satz 2 AStG. Hiernach kennen voneinander unabhängige Dritte alle wesentlichen Umstände der Geschäftsbeziehung und handeln nach den Grundsätzen ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter. Im Gegensatz zu einer vGA nach § 8 Abs. 3 KStG erfolgt damit im Anwendungsbereich des § 1 AStG eine Orientierung am Wertmaßstab von Geschäftsführern beider, der abnehmenden und der aufnehmenden Gesellschaft.

Die "Fiktion der gegenseitigen vollständigen Information" ist nach der Gesetzesbegründung erforderlich, um das Zustandekommen marktkonformer Verrechnungspreise zu ermöglichen.

In der Literatur wird darauf hingewiesen[4], dass die Regelung nicht marktkonform ist, da in der wirtschaftlichen Realität eine vollständige Information über die rechtlichen und wirtschaftlichen Geschäftsbedingungen und Preisbildungsbedingungen (z. B. Kalkulationsgrundlagen) der jeweiligen Gegenseite gerade nicht vorhanden ist. Insoweit stellt sich die Frage, ob die deutsche Vorgabe noch mit dem Fremdverhaltensgrundsatz der internationalen Korrekturnorm des Art. 9 OECD-MA vereinbar ist.

Die regelmäßig vorhandene Differenz zwischen diesen Preisvorstellungen bezeichnet § 1 Abs. 3 Satz 6 AStG mit "Einigungsbereich". Wassermeyer[5] weist darauf hin, dass die Vorstellung, dass ein solcher Bereich gar nicht entsteht, sondern der Höchstpreis des Übernehmers sogar den Mindestpreis des Übertragenden unterschreiten kann, nicht gesehen wurde. Die Finanzverwaltung sieht dieses Problem nicht, da in diesen Fällen regelmäßig eine Verlustsituation vorliegt und in der Praxis ein Veräußerer für die Übernahme einer Dauerverlustaktivität auch noch einen Zuschuss zahlen würde (Beispiel: Verkauf der Siemenssparte Handys mit Zuschuss an den Erwerber BenQ).

[2] Zu den in der FVerlV geregelten Sonderfällen der Verlustsituation oder Liquidation vgl. die unter Abschnitt 2.2.2 erläuterten Mindestpreisregelungen.
[4] Frischmuth, IStR 2007, S. 386.
[5] Wassermeyer, DB 2007, S. 525.

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