4.1 Überblick

Ab VZ 2022 werden die Vorschriften zur Funktionsverlagerung in einem separaten Absatz (§ 1 Abs. 3b AStG 22) normiert, in dem neben dem bisherigen Inhalt des § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG das Transferpaket nunmehr legal als "Verlagerung der Funktion als Ganzes" definiert wird. Laut Gesetzesbegründung soll damit allerdings insoweit keine Änderung der bisherigen Regelungen verbunden sein.

Eine Verschärfung ist allerdings dadurch eingetreten, als die sog. "Escape-Klauseln" (§ 1 Abs. 3 Satz 10 AStG a. F.), nach denen bei Funktionsverlagerungen unter gewissen Voraussetzungen Einzelverrechnungspreise für alle betroffenen Wirtschaftsgüter anstelle einer Transferpaketbewertung angesetzt werden können, in § 1 Abs. 3b AStG 22 nur noch eingeschränkt enthalten sind. Es entfallen 2 der 3 bisherigen Öffnungsklauseln zur Funktionsverlagerung, nämlich

  • der Fall, dass die Summe der angesetzten Einzelverrechnungspreise, gemessen an der Bewertung des Transferpakets als Ganzes, dem Fremdvergleichsgrundsatz entspricht (§ 1 Abs. 3 Satz 10 Alt. 2 AStG a. F.) – vgl. Abschnitt 3.2 – und
  • der Fall, dass der Steuerpflichtige glaubhaft macht, dass zumindest ein wesentliches immaterielles Wirtschaftsgut Gegenstand der Funktionsverlagerung ist, und er es genau bezeichnet (§ 1 Abs. 3 Satz 10 Alt. 3 AStG a. F.) – vgl. Abschnitt 3.3.

Nach der Neufassung in § 1 Abs. 3b Satz 2 AStG kann von einer Transferpaketbewertung abgesehen werden bzw. ist eine Einzelbewertung zulässig, wenn der Steuerpflichtige glaubhaft macht, dass weder wesentliche immaterielle Wirtschaftsgüter noch sonstige Vorteile Gegenstand der Funktionsverlagerung sind. Diese Möglichkeit der Einzelbewertung stimmt grundsätzlich mit der vorher in § 1 Abs. 3 Satz 10 Halbsatz 1 Alt. 1 AStG a. F. geregelten Ausnahme überein. Während § 1 Abs. 3 Satz 10 Halbsatz 1 Alt. 1 AStG a. F. voraussetzte, dass "keine wesentlichen immateriellen Wirtschaftsgüter und Vorteile" übertragen werden, stellt § 1 Abs. 3b Satz 2 AStG jedoch auf eine "weder […] noch" Verknüpfung ab. Die Frage der "Wesentlichkeit" ergibt sich aus § 1 Abs. 3 FVerlV.

Neben der Streichung zweier Ausnahmen ergibt sich bei der verbleibenden Regelung inhaltlich noch eine wichtige Änderung, dass es ab dem VZ 2022 für das Vorliegen einer Funktionsverlagerung ausreichen soll, dass Wirtschaftsgüter oder sonstige Vorteile verlagert werden. Demgegenüber ist es nach dem Wortlaut der bis zum VZ 2021 geltenden Fassung noch zwingend erforderlich, dass Wirtschaftsgüter und sonstige Vorteile zusammen verlagert werden müssen, um die Tatbestandsvoraussetzungen einer Funktionsverlagerung zu erfüllen. Die Auslegung ist allerdings schon bisher umstritten.[1]

Aufgrund dieser Reduktion der Escape-Fälle enthalten die VWG VP 2023 nur noch eine Ziffer zur Escaperegelung.[2]

Immaterielle Wirtschaftsgüter sind hiernach wesentlich i. S. d. § 1 Abs. 3 FVerlV und der ersten Escaperegelung, wenn sie für die verlagerte Funktion erforderlich sind (qualitativer Maßstab) und ihr Fremdvergleichspreis insgesamt mehr als 25 % der Summe der Einzelpreise aller Wirtschaftsgüter des Transferpakets beträgt (quantitativer Maßstab). Für die Bestimmung, ob der quantitative Maßstab erfüllt ist, sind nach Auffassung der Finanzverwaltung die Bestandteile des Transferpakets (ggf. einschließlich der geschäftswertbildenden Faktoren) unabhängig von deren Ausweis als Wirtschaftsgut zu berücksichtigen. Ist ein sonstiger Vorteil Bestandteil des Transferpakets, kommt die Anwendung von § 1 Abs. 3b Satz 2 AStG nicht in Betracht.

Weder der Gesetzgeber, Verordnungsgeber noch die Finanzverwaltung definieren die zentralen Begriffe "immaterielle Wirtschaftsgüter" bzw. "sonstige Vorteile". § 1 Abs. 3c AStG enthält zwar ab VZ 2022 eine Legaldefinition von immateriellen Werten, dieser Begriff stellt aber auf Vermögenswerte ab und ist regelmäßig weiter als der Begriff eines Wirtschaftsgutes.

Als Konsequenz der neuen gesetzlichen Regelung wurde auch der bisherige § 2 FVerlV a. F. gestrichen, da er Anwendungsvorschriften zu den Escape-Klauseln enthielt, die entweder aufgrund der gesetzlichen Neuregelung nicht mehr relevant sind oder sich nun im Gesetz wiederfinden.

[1] Vgl. dazu Ditz/Greinert, in Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, Außensteuerrecht Kommentar, § 1 AStG, Rn. 1231, Stand: März 2016; a. A. Schreiber, in Kroppen/Rasch, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, FVerlV, Rn. 48, Stand: März 2012.

4.2 Hauptanwendungsfall: Unternehmen mit Routinefunktion (§ 1 Abs. 3b Satz 3 AStG)

Die Norm führt die Regelung des § 2 Abs. 2 Satz 1 FVerlV a. F. fort.[1]

Hiernach wird unterstellt, dass im Fall, dass das übernehmende Unternehmen die übergehende Funktion ausschließlich gegenüber dem verlagernden Unternehmen ausübt und das für die Ausübung der Funktion und die Erbringung der entsprechenden Leistungen anzusetzende Entgelt nach der Kostenaufschlagsmethode zu ermitteln ist, davon auszugehen war, dass keine wesentlichen immateriellen Wirtschaftsgüter oder Vorteile übertragen wurden.

Die gesetzliche Neufa...

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