In der Rechtssache Marks & Spencer hat der EuGH[1] ein auch für das deutsche Recht richtungweisendes Urteil verkündet. Darin beschäftigt er sich mit der Frage, ob der im britischen Gruppenbesteuerungsrecht vorgesehene Ausschluss von Verrechnungsmöglichkeiten der Verluste ausländischer Tochtergesellschaften mit Gewinnen der inländischen Muttergesellschaft mit den EG-Grundfreiheiten vereinbar ist. Dem britischen Verfahren waren zahlreiche europäische Mitgliedstaaten – so auch Deutschland – beigetreten, weil bei ihnen ähnliche Regelungen existieren und das Urteil somit auch Auswirkungen auf ihre Rechtssysteme haben könnte.

Der EuGH hat hierbei entschieden, dass ein Verbot der Verrechnung von Verlusten ausländischer Tochtergesellschaften im Grundsatz mit den Grundfreiheiten vereinbar ist. Der Verlustabzug habe vorrangig im Ansässigkeitsstaat der Tochtergesellschaft zu erfolgen. Damit werde eine ausgewogene Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den betroffenen Mitgliedstaaten erreicht, eine doppelte Verlustberücksichtigung sowohl im Ansässigkeitsstaat der Tochtergesellschaft als auch im Ansässigkeitsstaat der Muttergesellschaft vermieden und eine eventuelle Steuerflucht verhindert. Zum anderen solle es der Gesellschaft nicht freistehen, den Ort der Anrechnung der Verluste zu wählen.

Eine Ausnahme macht der EuGH nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nur für den Fall, in dem die Tochtergesellschaft alle Möglichkeiten zur Berücksichtigung von Verlusten ausgeschöpft hat und keine Möglichkeit besteht, die Verluste im Staat ihres Sitzes für künftige Zeiträume selbst oder zugunsten eines Dritten zu nutzen. Dabei müsse die gebietsansässige Muttergesellschaft gegenüber den Steuerbehörden nachweisen, dass diese Voraussetzungen vorliegen.

Die Entscheidung hat eine Vielzahl von Veröffentlichungen verursacht.[2] Wesentlicher Punkt ist damit die Frage, ob alle Möglichkeiten zur Verlustnutzung im Ansässigkeitsstaat der Tochtergesellschaft endgültig ausgeschöpft sind.

1. Stufe der Prüfung: Vorab sind daher die Möglichkeiten des Verlustabzugs im Ausland zu prüfen. Nachfolgende Übersicht[3] gibt hierzu Grobhinweise[4]:

 
Staat Verlustvortrag Verlustrücktrag Bestimmungen für Mantelkauf/ Umstrukturierungen
Belgien Unbegrenzt Nein Ja
Brasilien Unbegrenzt, aber der Ansatz des Verlustvortrags ist auf 30 % des steuerlichen Einkommens des Folgejahres begrenzt (Mindestbesteuerung) Nein Ja
Bulgarien Begrenzt auf 5 Jahre Nur in sehr begrenzten Ausnahmefällen Ja, betreffend Umstrukturierungen, nicht für Mantelkauf
China Begrenzt auf 5 Jahre Nein Ja, betreffend Umstrukturierungen, nicht für Mantelkauf
Dänemark Unbegrenzt bis 8.872.500 DKK/Jahr, darüber hinaus Verrechnung nur bis zu 60 % der 8.872.500 DKK übersteigenden Einkünfte. Nein Ja
Deutschland Unbegrenzt, aber nur bis zu 1 Mio. EUR, der übersteigende Betrag nur bis zu 50 % des GdE (Mindestbesteuerung) 1 Jahr höchstens 1 Mio. EU ; Wahlrecht Ja
Estland

Körperschaften: Nein

Einzelunternehmer: 7 Jahre, nur mit Unternehmensgewinnen ausgleichbar
Nein Nein
Finnland Begrenzt auf 10 Jahre Nein Ja
Frankreich Unbegrenzt bis zu 1 Mio EUR/Jahr, darüber hinaus Verrechnung nur bis zu 50 % der 1 Mio. EUR übersteigenden Einkünfte 1 Jahr, allerdings nur für Körperschaften und keine sofortige Auszahlung, sondern in den nächsten 5 Kalenderjahren nutzbar zur Zahlung der Körperschaftsteuer; danach Auszahlung ohne Zinsen; Wahlrecht Ja
Griechenland Begrenzt auf 5 Jahre, soweit Einkünfte aus land- und forstwirtschaftlichen Betrieben, von Handels-, Industrie-, Bergbau- und Hotelunternehmen Nein Nein
Großbritannien Unbegrenzt, aber nur mit Gewinnen aus demselben Geschäftsbetrieb

1 Jahr: Wahlrecht

3 Jahre: Verluste aus Anlass einer Betriebsaufgabe
Ja
Irland Unbegrenzt, aber nur mit Gewinnen aus demselben Geschäftsbetrieb

1 Jahr: Wahlrecht

3 Jahre: Verluste aus Anlass einer Betriebsaufgabe
Ja
Italien unbegrenzter Verlustvortrag (Verrechnung in Höhe von max. 80 % der Körperschaftsteuerbemessungsgrundlage, dies gilt nicht für Verluste aus den ersten 3 Jahren einer neuen Geschäftstätigkeit) Nein Ja
Kroatien 5 Jahre Nein  
Japan Begrenzt auf 10 Jahre 1 Jahr unter bestimmten Vor- aussetzungen Ja
Kanada 20 Jahre 3 Jahre Ja
Lettland 5 Jahre Nein Ja
Litauen Unbegrenzt jedoch nur bis 70 % der jährlichen Einkünfte Nein Ja, betreffend Umstrukturierungen, nicht für Mantelkauf
Luxemburg 17 Jahre Nein ja
Malta Unbegrenzt Nein Ja, betreffend Umstrukturierungen, nicht für Mantelkauf
Niederlande unbegrenzt (bis 1 Mio. EUR / Jahr voll abzugsfähig, darüber hinaus Verrechnung nur bis zu 50 % des 1 Mio. EUR übersteigenden Gewinns) 1 Jahr Ja
Norwegen Unbegrenzt Nein, außer im Fall der Liquidation: 2 Jahre Rücktrag Ja
Österreich Unbegrenzt, jedoch Verlustvortrag nur in Höhe von 75 % des aktuellen Einkommens zulässig Nein Ja
Polen Begrenzt auf 5 Jahre, bis zu 5 Mio. PLN in einem der nächsten 5 Jahre vollabzugsfähig Nein Ja, betreffend Umstrukturierungen, nicht für Mantelkauf
Portugal Begrenzt auf 5 Jahre, Verrechnung bis zu 70 % der jährlich...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Finance Office Professional. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge