Auslandsverluste entstehen häufig in einer Anlaufverlustphase beim Einstieg in einen ausländischen Markt oder bei der Verteidigung eines ausländischen Marktes.

Bei der steuerlichen Beurteilung einer ausländischen Vertriebseinheit (Vertriebsgesellschaft oder Vertriebsbetriebsstätte) ist vorab zu prüfen, ob nicht das deutsche Stammhaus bzw. Mutterunternehmen entsprechende Kosten nach den internationalen Grundsätzen der Verrechnungspreisabgrenzung zu tragen hat.

Der BFH hat in seiner ständigen Rechtsprechung zu Anlaufverlusten inländischer Vertriebsfirmen, der sog. Aquavit-Rechtsprechung[1], fast schematisch folgende allgemeine Grundsätze zur Aufwandszuordnung zwischen ausländischen Muttergesellschaften und inländischen Vertriebstochtergesellschaften aufgestellt:

  • Ein neues Produkt darf von einer nahe stehenden Vertriebsgesellschaft nur dann eingeführt und vertrieben werden, wenn daraus bei vorsichtiger und vorheriger kaufmännischer Prognose innerhalb eines überschaubaren Kalkulationszeitraums und unter Berücksichtigung der voraussichtlichen Marktentwicklung ein angemessener Gesamtgewinn erwartet werden kann.
  • Vor Aufnahme des Vertriebs sind für den erwartbaren Absatzzeitraum eine Absatzplanung, eine Werbestrategie und eine Gewinnplanung zu erstellen, die betriebswirtschaftlich zu belegen sind.
  • Für die Plausibilität der Gewinnprognose können die Verhältnisse eines bereits abgelaufenen Zeitraums wichtige Ansatzpunkte liefern; dies gilt insbesondere dann, wenn Verluste erzielt wurden.
  • Sofern nicht unerwartete, mit außergewöhnlichen Kosten verbundene Umstände eintreten, kann i. d. R. davon ausgegangen werden, dass die später eingetretene tatsächliche Entwicklung der prognostizierten entspricht.
  • Sofern nicht besondere Umstände im Einzelfall vorliegen, wird die Verlustphase der Anlaufzeit einen Zeitraum von 3 Jahren nicht übersteigen.

Diese Grundsätze geltend auch international. Kernaussagen in den für die Finanzverwaltung der OECD-Staaten bindenden OECD-Guidelines sind seit Jahren:

  1. Tz 1.70 und Tz. 1.71 OECD-Guidelines 2010

    Ein unabhängiges Unternehmen, das wiederkehrende Verluste erleidet, wird letzten Endes aufhören, ein Gewerbe unter diesen Bedingungen zu betreiben. Im Gegensatz dazu kann ein Verluste erzielendes verbundenes Unternehmen sein Gewerbe fortsetzen, wenn dieses für den gesamten multinationalen Konzern von Vorteil ist.

    In solchen Fällen liegt es nahe, die Verrechnungspreisgestaltung näher zu prüfen. Es kann sein, dass das Verlustunternehmen vom Konzern für die aus seiner Tätigkeit gezogenen Vorteile keine ausreichende Vergütung erhält.

  2. Tz 9.12 OECD-Guidelines 2010

    Die Finanzverwaltung kann die Risikoaufteilung (und damit die Verlustzuordnung !) ändern, falls keine Übereinstimmung mit der wirtschaftlichen Substanz der Transaktion gegeben ist.

  3. Tz 9.20 und Tz. 9.23 OECD Guidelines 2010

    Für die Risikozuordnung zwischen Fremden wäre u. a. entscheidend, wer die größere Kontrolle über die Risiken hat (= Entscheidungsgewalt bzgl. Übernahme von Risiken und deren Management) und wer die finanziellen Kapazitäten für das Tragen von Risiken hat.

  4. Zusammenfassung in den neuen OECD-Guidelines

    Diese Grundsätze werden auch in den aktuellen Guidelines fortgeführt, vgl. hierzu Tz. 3.64 der OECD Guidelines 2017. Diese binden nach den Verwaltungsgrundsätzen Verrrechnungspreise grundsätzlich auch die deutsche Finanzverwaltung.[2]

"Unbeschadet dessen" – kann eine nahe stehende Vertriebsgesellschaft den Aufwand der Markteinführung und der Werbung nur dann hinnehmen, wenn der Aufwand nicht üblicherweise von Dritten – insbesondere vom Hersteller oder Lieferanten – getragen wird.[3]

Diese Rechtsprechung kann auch auf ausländische Vertriebsgesellschaften übertragen werden: Typische Anlaufkosten können von neu gegründeten Auslandsvertriebsgesellschaften getragen werden[4]; davon abzugrenzen sind jedoch Kosten der Markterschließung.[5]

Kosten der Markterschließung liegen vor, sofern bei der Einführung von Produkten erhöhte Kosten oder Mindererlöse entstehen. Nach den Verwaltungsgrundsätzen 1983[6] werden sie in der Regel vom Vertriebsunternehmen nur insoweit getragen, als aus der Geschäftsverbindung ein angemessener Betriebsgewinn verbleibt.

Ab den Verwaltungsgrundsätzen 2005 nimmt die Finanzverwaltung aufgrund der Funktionseinteilung von Unternehmen folgende Prüfungsreihenfolge vor:

Prüfungsreihenfolge der Finanzverwaltung ab den Verwaltungsgrundsätzen 2005

Zur Einordnung nimmt die Finanzverwaltung folgende Funktionsprüfung vor:

 
1) Wem gehören die IWG? 2) Entscheidungskompetenz? 3) Wer hat finanzielle Kapazität? 4) Wer übt erfolgsentscheidende Funktionen aus? 5) Dauer und Kündigungsfrist der Verträge?
  • Markenrechte
  • Warenzeichen
  • Know-how
  • Kundenstamm
  • Rechte aus Verträgen
  • siehe Verträge der Geschäftsführer
  • Verlustursachen (qualitativ u. quantitativ)
  • Gegenmaßnahmen

jeweilige/s

  • Stammkapital
  • Kapitalrücklagen
  • Zuschüsse
  • Höhe der Darlehen

Selbst bzw. durch beauftragte Dienstleister?

  • F & E
  • Produktion
  • Design
  • Diensleistungen
  • Vertrieb
 

Die Verwaltungsgrundsät...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Finance Office Professional. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge