9.3.1 Allgemeines

Gemäß § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG kommt ein Sonderausgabenabzug für Beiträge nach § 10 Abs. 1 Nrn. 2, 3 und 3a EStG nur dann in Betracht, wenn diese nicht in "unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang" mit steuerfreien Einnahmen stehen.

Die Regelung soll verhindern, dass der Steuerpflichtige neben der Steuerfreiheit bestimmter Einnahmen die hierzu wirtschaftlich gehörenden Ausgaben i.  S. des § 10 Abs. 1 Nrn. 2, 3 und 3a EStG steuermindernd abziehen kann. Demnach wirkt die Abzugsbeschränkung für Vorsorgeaufwendungen nach § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG einer doppelten steuerlichen Begünstigung entgegen.

Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist der Begriff des unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhangs analog zu § 3c EStG auszulegen. Nach Ansicht des BFH ist ein solcher Zusammenhang zwischen Einnahmen und Aufwendungen dann anzunehmen, wenn die Einnahmen und die Aufwendungen durch dasselbe Ereignis veranlasst wurden.

 
Hinweis

Eine Auslegung des "unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhangs" im vorstehenden Sinne führt bezogen auf nachfolgende unterschiedliche Fallgruppen zu folgendem Ergebnis:

  1. Pflichtbeiträge Krankenversicherung

    Sofern ein gesetzlich pflichtkrankenversicherter Arbeitnehmer in- und ausländische Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit bis zur Jahresarbeitsentgeltgrenze (JAEG) des § 6 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 6 Satz 1 SGB V erzielt, kann er seine Vorsorgeaufwendungen insoweit nicht als Sonderausgaben abziehen, als diese auf Einnahmen beruhen, die im Inland steuerfrei bleiben, da der BFH in diesen Fällen einen unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang bejaht (z.  B. Steuerfreistellung von Auslandsgehalt nach einem DBA).

  2. Pflichtbeiträge Rentenversicherung

    Entsprechendes gilt für in der gesetzlichen Rentenversicherung Pflichtversicherte.

  3. Freiwillige Beiträge in eine gesetzliche Krankenversicherung

    Diese werden z. B. automatisch von Personen geleistet, deren Einkommen innerhalb eines Jahres über der sog. Jahresarbeitsentgeltgrenze/Versicherungspflichtgrenze des § 6 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 6 Satz 1 SGB V (2017: 57.600 EUR) liegt. Ein freiwillig versicherter Arbeitnehmer kann seine Vorsorgeaufwendungen vollumfänglich als Sonderausgaben absetzen, da ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang mit seinen steuerfreien Einkünften nicht vorliegt: Der BFH[1] hat hinsichtlich von Beiträgen zu einer freiwilligen Krankenversicherung ausgeführt, dass diese Ausgaben nicht ursächlich und unmittelbar auf Vorgänge zurückzuführen sind, die den steuerfreien Arbeitslohn betreffen, da sie weder dem Grunde noch der Höhe nach an den steuerfreien Verdienst gebunden sind.

  4. Freiwillige Rentenversicherungsbeiträge

    Eine der Krankenversicherung entsprechende Einkommensgrenze für die Pflichtversicherung gibt es in der Rentenversicherung nicht. Die Beiträge in die (freiwillige) gesetzliche Rentenversicherung stehen nicht in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit den steuerfreien Einnahmen.

  5. Private Krankenversicherung

    Sofern ein privat krankenversicherter Steuerpflichtiger in- und ausländische Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erzielt, kann er seine Vorsorgeaufwendungen als Sonderausgaben absetzen, da sie nicht mit seinen steuerfreien Einkünften in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen.

Aufteilungsprobleme:

Die Aufteilung der abziehbaren und nichtabziehbaren Vorsorgeaufwendungen hat im Verhältnis des steuerpflichtigen Arbeitslohns zum gesamten sozialversicherungspflichtigen Arbeitslohn, maximal jedoch bis zur Beitragsbemessungsgrenze, zu erfolgen. Sozialversicherungsfreie Vergütungsbestandteile, wie z.  B. Abfindungen, sind nicht einzubeziehen.[2]

9.3.2 Verfassungsrechtliche Zulässigkeit

Im Musterrevisionsverfahren X R 37/16 geht es um die Berücksichtigung von inländischen Altersvorsorgeaufwendungen zur gesetzlichen Rentenversicherung, die in Zusammenhang mit steuerfreien ausländischen Einkünften stehen, wenn diese auch nicht im anderen Staat (Tätigkeitsstaat) abziehbar sind.

9.3.3 Europarechtliche Zulässigkeit

Der EuGH hat hingegen mit Urteil vom 22.6.2017[1] entschieden, dass die unionsrechtliche Arbeitnehmerfreizügigkeit nach Artikel 45 AEUV (vorher: Artikel 39 EG) einer Regelung wie der des § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG entgegensteht, nach der die Altersvorsorgeaufwendungen und Krankenversicherungsbeiträge von – in einem EU-Mitgliedstaat tätigen, aber in Deutschland wohnenden –Arbeitnehmern, deren Arbeitslohn nach einem Doppelbesteuerungsabkommen von der inländischen Besteuerung freigestellt ist, vom Sonderausgabenabzug ausgenommen sind, während für vergleichbare Beiträge eines in Deutschland tätigen Arbeitnehmers zur deutschen Sozialversicherung dieser Abzug gestattet wird. Der Tenor des EuGH-Urteils ist auf eine Tätigkeit für die öffentliche Verwaltung beschränkt. Die Urteilsbegründung macht aber deutlich, dass die rechtliche Natur des Beschäftigungsverhältnisses (öffentlich-rechtliche oder privatrechtliche Beschäftigung) nicht entscheidend ist (s. ...

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