Mit Beschluss vom 19.12.2013[1] hat sich der BFH erstmals mit dem geringfügig abweichenden Sachverhalt beschäftigt, der sich in den Pilotenfällen dadurch ergab, dass Irland eine punktuelle Besteuerung eingeführt hatte.

 
Praxis-Beispiel

§ 50d Abs. 9 EStG bei geringfügiger Besteuerung

Ein in Deutschland unbeschränkt Steuerpflichtiger B erzielte in mehreren Streitjahren Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit als Pilot einer Fluggesellschaft mit Sitz in Irland. Die vom irischen Arbeitgeber einbehaltene Steuer auf diese Einkünfte wurde dem Piloten durch die irische Finanzbehörde teilweise erstattet, da Irland national die Einkünfte des in Irland beschränkt steuerpflichtigen Piloten nur insoweit besteuert, als die Flüge innerhalb Irlands durchgeführt werden.

In Deutschland besteuerte das Finanzamt den Arbeitslohn im Wege des Besteuerungsrückfalls nach § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG (Wechsel zur Anrechnungsmethode).

Gegen die Veranlagung wehrte sich der Steuerpflichtige erfolgreich vor dem FG. Das FG zog die Ausführungen des BFH zum verbleibenden Anwendungsbereich des § 50d Abs. 9 in Zweifel. Nach Auffassung des Senats führt § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG auch dann nicht zu einem Rückfall des Besteuerungsrechts an Deutschland, wenn der Besteuerungsverzicht des anderen Staates nur einen Teil der betreffenden Einkünfte erfasst.

Das FG urteilte in diesem Fall vor Inkrafttreten des AmtshilfeRL-UmsG und damit vor der Änderung des § 50d Abs. 9 EStG. Die gegen das FG-Urteil eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde beim BFH wurde von diesem unter Hinweis auf § 115 Absatz 2 FGO abgewiesen. In seinem Tenor schließt sich der BFH der oben zitierten Auffassung des FG an. Insbesondere in Tz. 9 der Ablehnung stellt der BFH dar, dass die Rechtsfolge des § 50d Abs. 9 EStG "tatbestandlich nur dann ausgelöst wird "wenn" -nicht aber "soweit" – die betreffenden Einkünfte [...] im anderen Vertragsstaat nicht steuerpflichtig sind."

Fazit: Auch in diesem Fall liegen nach Auffassung des FG weiße Einkünfte vor. Im Fall der in Irland teilweise unbesteuerten Einkünfte ist § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG nicht anwendbar.

 
Hinweis

Folgefragen für die DBA Rückfallklauseln

Nach dem sog. Rückfallklauselschreiben[2] liegt eine Nichtbesteuerung vor, soweit der Staat, dem das Besteuerungsrecht nach dem DBA zugewiesen ist, nach nationalem Recht Einkünfte nicht besteuern kann, insbesondere weil diese nicht steuerbar bzw. sachlich steuerbefreit sind [...]”.

Folglich wird ein Besteuerungsrückfall nach den jeweiligen DBA ausgelöst. Den neuen BFH-Entscheidungen folgend, kommt es dazu allerdings entscheidend auf den im DBA verwendeten Wortlaut "wenn" oder "soweit" an. Im Regelfall sind die DBA-Rückfallklauseln entsprechend dem Wortlaut des § 50d Abs. 9 EStG formuliert.

Die deutsche DBA-Verhandlungsgrundlage verwendet in Artikel 22 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. b) auf Abkommensebene zwar ebenfalls – wie derzeit § 50d Abs. 9 EStG – das Wort "wenn":

"Ungeachtet der Nummer 1 wird die Doppelbesteuerung durch Steueranrechnung nach Nummer 3 vermieden, wenn „[...] b) [anderer Vertragsstaat] Einkünfte oder Vermögen oder Teile davon nach dem Abkommen besteuern kann, tatsächlich aber nicht besteuert:"

Da sie sich aber ausdrücklich auch auf Teile von Einkünften bezieht, dürfte diese Regelung grundsätzlich auch bei teilweiser Nichtbesteuerung eingreifen.

  • Durch § 50d Abs. 9 S. 4 EStG 2017 wird sichergesellt, dass die “Atomisierung” auch in DBA Fällen greift.
  • Die Finanzverwaltung[3] ist jedoch der Auffassung, dass bereits für die Vergangenheit in den Fällen von DBA-Rückfallklauseln diese auch auf Einkunftsteile anzuwenden sind.
  • Dies ergibt sich aus Tz. 56.1 des OECD-MK zu Art. 23 Abs. 4 OECD-MA 2014, der im Rahmen der Einschränkung der Freistellungsmethode für die Auslegung des Abkommensbegriffs „Einkünfte“ (income) ausdrücklich auf einzelne Einkunftspositionen und Vermögensgegenstände (an item of income or capital) abstellt.
  • Vor dem Hintergrund des anhängigen BFH-Verfahrens I R 45/17 zur Rückfallklausel des DBA-USA 1989 ruhen gegen diese Auffassung eingelegte Rechtsbehelfe nach § 363 Abs. 2 Satz 2 AO. Das Verfahren betrifft allerdings nur das DBA-USA 1989 und damit VZ bis 2007.
  • Entsprechende Formulierungen finden sich jedoch auch in den DBA Dänemark, Neuseeland, Norwegen, Schweden und im Schlussprotokoll Italien.
 
Hinweis

Verfassungsrechtliches Problem der Rückwirkung

Neben dem allgemeinen Thema der wörtlichen Auslegung ist außerdem zu klären, ob die in § 52 Abs. 59a Satz 9 EStG i. d. F. des AmtshilfeRLUmsG angeordnete Rückwirkung verfassungsgemäß ist. Auch diese Frage hat der BFH dem BVerfG vorgelegt.

Nach Kempermann[4] kann sich – wenn das BVerfG bei seiner im Beschluss v. 17.12.2013[5] vertretenen Auffassung bleibt – ein schutzwürdiges Vertrauen gegen eine rückwirkende Gesetzesänderung auch dann entwickeln, wenn sich noch keine gefestigte Rechtsprechung hierzu herausgebildet hat. Die Auslegungsfähigkeit einer Rechtsnorm könne nicht als Rechtfertigung für eine rückwirkende Gesetzesänderung angeseh...

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