8.5.2.1 Verhältnis von § 50d Abs. 8 und 9 EStG

Der BFH hat sich in mehreren Urteilen umfassend mit § 50d Abs. 9 EStG beschäftigt. In seinem Urteil vom 11.1.2012[1] hat er zum Verhältnis von § 50d Abs. 8 EStG zu § 50d Abs. 9 EStG Stellung genommen.

 
Praxis-Beispiel

Verhältnis von § 50d Abs. 8 und 9 EStG

Ein in Deutschland unbeschränkt Steuerpflichtiger A erzielte im Streitjahr Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit als Pilot einer Fluggesellschaft mit Sitz in Irland. Die vom irischen Arbeitgeber einbehaltene Steuer auf diese Einkünfte wurde dem Piloten durch die irische Finanzbehörde in voller Höhe erstattet, da Irland national keinen Besteuerungstatbestand für die Einkünfte des in Irland beschränkt steuerpflichtigen Piloten eingeführt hatte.

Das Finanzamt besteuerte den Arbeitslohn im Wege des Besteuerungsrückfalls nach § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG (Wechsel zur Anrechnungsmethode).

Lösung des BFH:

Es liegen weiße Einkünfte vor, die der Gesetzgeber bei Schaffung der Norm § 50d Abs. 9 EStG vermeiden wollte. Im Fall der in Irland vollständig unbesteuerten Einkünfte verdrängt § 50d Abs. 8 EStG die Anwendung des § 50d Abs. 9 EStG. In einem obiter dictum in Tz. 13 des Urteils unterscheidet der BFH Fälle, in denen Irland die Einkünfte nicht oder nur teilweise nicht besteuert. Ein Anwendungsbereich des § 50s Abs. 9 EStG bleibt demnach – ohne dass darüber abschließend entschieden werden müsste – allenfalls für jenen Fall, in welchem der Besteuerungsverzicht des anderen Staates nur einen Teil der betreffenden Einkünfte erfasst.

 
Hinweis

Zeitnahe gesetzgeberische Korrektur

Der bisher von der Verwaltung[2] vertretenen Auffassung, dass die Vorschriften des § 50d Abs. 8 EStG und § 50d Abs. 9 EStG nebeneinander angewendet werden können, ist der BFH damit nicht gefolgt. Er hat entschieden, dass § 50d Abs. 8 EStG zu § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG im Verhältnis der Spezialität steht. Das hatte zur Folge, dass in Fällen des § 50d Abs. 8 EStG – also bei Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit, für die in einem DBA die Freistellungsmethode vorgesehen ist – die Anwendung des § 50d Abs. 9 EStG nicht in Betracht kommt. Unterlässt der andere Vertragsstaat – entsprechend § 50d Abs. 8 Satz 1 1. Alt EStG – bei einem in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtigen Arbeitnehmer die Besteuerung der betreffenden Einkünfte, obgleich ihm das Besteuerungsrecht zusteht, würden diese Einkünfte gänzlich unbesteuert bleiben.

Der Gesetzgeber hat mit der Ergänzung des § 50d Abs. 9 EStG im Amtshilferichtlinien Umsetzungsgesetz 2013 reagiert. Hiernach sind beide Regelungen nebeneinander anzuwenden. Die BFH-Rechtsprechung ist damit überlagert!

§ 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG kann aber auch dann zur Besteuerung von Einkünften aus unselbständiger Arbeit führen, wenn die Voraussetzungen der in § 50d Abs. 8 Satz 1 zuerst genannten Alternative des Besteuerungsverzichts durch den ausländischen DBA-Staat für eine Steuerfreistellung vorliegen.

 
Praxis-Beispiel

Anwendung bei Besteuerungsverzichten

B ist in Deutschland ansässig und sowohl bei seinem Arbeitgeber in Deutschland als auch bei einer Schwestergesellschaft in Schweden tätig. Im Jahr 01 hält sich B an 150 Tagen in Schweden auf. Der Arbeitslohn wird vom deutschen Arbeitgeber bezahlt und – soweit er auf die Tätigkeit in Schweden entfällt – der schwedischen Schwestergesellschaft weiterberechnet. Der Steuerberater beantragt die Freistellung des Arbeitslohns, der auf die Tätigkeit in Schweden entfällt, unter Hinweis auf Art. 15 Abs. 2 Buchst. b DBA-Schweden (wirtschaftlicher Arbeitgeber). Die schwedische Einkommensteuer wird mit 0 EUR festgesetzt. Der Steuerberater weist nach, dass es in Schweden das Rechtsinstitut des wirtschaftlichen Arbeitgebers nicht gibt.

Lösung:

Die Höhe der in Schweden festgesetzten Steuer beträgt 0 EUR. Der Steuerpflichtige hat somit nachgewiesen, dass die festgesetzte Steuer entrichtet wurde.[3] Nach § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG kann die Steuerfreistellung in Deutschland dann nicht gewährt werden, wenn der andere Staat (hier: Schweden) die Bestimmungen des Abkommens so anwendet, dass die Einkünfte in diesem Staat von der Besteuerung auszunehmen sind.

Da die Nichtbesteuerung in Schweden aufgrund unterschiedlicher DBA-Auslegung eingetreten ist (Qualifikationskonflikt), kann Deutschland sein Besteuerungsrecht auf § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG stützen und die Einkünfte aus Schweden der deutschen Besteuerung unterwerfen.

8.5.2.2 (Nicht) Anwendung des § 50d Abs. 9 EStG bei geringfügiger Besteuerung bis einschließlich 2016

Mit Beschluss vom 19.12.2013[1] hat sich der BFH erstmals mit dem geringfügig abweichenden Sachverhalt beschäftigt, der sich in den Pilotenfällen dadurch ergab, dass Irland eine punktuelle Besteuerung eingeführt hatte.

 
Praxis-Beispiel

§ 50d Abs. 9 EStG bei geringfügiger Besteuerung

Ein in Deutschland unbeschränkt Steuerpflichtiger B erzielte in mehreren Streitjahren Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit als Pilot einer Fluggesellschaft mit Sitz in Irland. Die vom i...

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