Aus der Zuweisung des Besteuerungsrechts an den Quellenstaat ergibt sich jedoch nicht automatisch, dass der Ansässigkeitsstaat diese Einkünfte nicht auch besteuern darf. Die Steuerberechtigung des Quellenstaats macht lediglich notwendig, dass der Ansässigkeitsstaat die Doppelbesteuerung vermeidet. Dies kann durch eine Freistellung der betroffenen Einkünfte unter Progressionsvorbehalt oder durch eine Besteuerung unter Anrechnung der ausländischen Steuer erreicht werden. Regelungen hierüber sind regelmäßig in den Artikeln über die Vermeidung der Doppelbesteuerung enthalten[1], die die Vermeidung der Doppelbesteuerung für Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit bei in Deutschland ansässigen Personen regelt, beschränkt aber die Freistellung unter Progressionsvorbehalt ausdrücklich auf "Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen i.  S. des Art. 15, ..., vorausgesetzt, die Arbeit wird in der Schweiz ausgeübt". Soweit diese Bedingung nicht erfüllt ist – also für Tage, die ein leitender Angestellter, der nicht Grenzgänger ist, in Deutschland oder Drittstaaten verbringt –, wird die Doppelbesteuerung durch Art. 24 Abs. 1 Nr. 2 DBA-Schweiz, d. h. durch die Anwendung der Anrechnungsmethode, vermieden. Diese Auffassung wird auch in der deutschen Literatur[2] wie auch von der Eidgenössischen Steuerverwaltung[3] vertreten.

Insoweit ist davon auszugehen, dass zwischen den Vertragsparteien Einigung darüber besteht, dass der Quellenstaat zwar für den gesamten Arbeitslohn das Besteuerungsrecht haben sollte, der Ansässigkeitsstaat jedoch nicht für den Teil dieser Einkünfte auf die Besteuerung verzichten muss, der auf Zeiten entfällt, in denen die Tätigkeit nicht im anderen Vertragsstaat ausgeübt wurde.

Deshalb wird auf die deutsche Besteuerung der auf Aufenthaltstage in Drittstaaten entfallenden Einkünfte aus nichtselbstständiger Tätigkeit (unter Anrechnung der in der Schweiz auf den entsprechenden Betrag einbehaltenen Steuer) nicht verzichtet.[4]

Der BFH ist dem Aussetzungsverfahren nicht gefolgt.[5] Zu dieser Frage sind die Muster-Revisionsverfahren I R 18/04 und I R 81/04 ergangen.

Im Verfahren I R 81/04 (n.  v.)[6] ist der BFH der Auffassung im o. g. BMF-Schreiben[7] nicht gefolgt. Der Leitsatz lautet:

"Die Tätigkeit eines in Deutschland ansässigen leitenden Angestellten für eine schweizerische Kapitalgesellschaft, die unter Art. 15 Abs. 4 DBA Schweiz 1992 fällt, wird auch dann i.  S. des Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d DBA Schweiz 1992 'in der Schweiz ausgeübt', wenn sie tatsächlich überwiegend außerhalb der Schweiz verrichtet wird."

Damit wird vom BFH die Fiktion des Art. 15 Abs. 4 DBA/Schweiz auch auf den Methodenartikel übertragen. Begründet wird dies vor allem mit der völkerrechtlichen Bindung an eine langjährige Verwaltungspraxis, d.  h. der Freistellung bis zum Jahr 1996 durch die deutsche Finanzverwaltung.

Die Finanzverwaltung akzeptiert die Rechtsprechung.

[1] Art. 23 a/b des OECD-Musterabkommens; Art. 24 Abs. 1 Nr. 1d DBA-Schweiz.
[2] S. Kommentar Debatin/Wassermeyer, Anm. 8 b (aa) zu Art. 15 DBA-Schweiz a.  F.
[3] Eidgenössische Steuerverwaltung, Schreiben v. 18.6.1985/13.11.1985, abgedruckt im Kommentar DBA Schweiz-Deutschland von Locher/Meier/von Siebenthal/Kolb Nr. 4 zu Art. 15.4.
[4] BMF, Schreiben v. 7.7.1998, BStBl 1998 I S. 723.
[7] BMF, Schreiben v. 7.7.1998, BStBl 1998 I S. 723.

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