Die OECD hat im Rahmen des Updates 2014 des Musterkommentars (MAK) nachfolgende neue Grundsätze zur Besteuerung von Abfindungen aufgestellt[1]:

Die abkommensrechtliche Beurteilung einer Abfindungszahlung hängt vom Grund der Zahlung ab, hierbei ist gegebenenfalls aufzuteilen:

  • Einmalzahlung für geleistete Arbeit → wie Lohn für die betreffende Arbeit (i. d. R. Tätigkeitsstaat)
  • Abgeltung von Urlaubsansprüchen → Falls nicht zu einer bestimmten Periode zuordenbar, wie Lohn für die letzten 12 Monate des Arbeitsverhältnisses (Tätigkeitsstaat oder Aufteilung nach 183-Tage-Regelung)
  • Lohn während einer Freistellung → Mutmaßlicher Arbeitsstaat
  • verbleibende echte Abfindungszahlung → wie Lohn für die letzten 12 Monate des Arbeitsverhältnisses
  • Entschädigung wegen Widerrechtlichkeit der Kündigung → Behandlung wie das damit entschädigte Einkommen bzw. das verletzte Rechtsgut
  • Entschädigung für Konkurrenzverbot nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses → Besteuerung im Ansässigkeitsstaat (Art. 20 OECD-MA).

Obwohl die deutsche Finanzverwaltung zur grenzüberschreitenden Besteuerung des Arbeitslohns mit Schreiben v. 3.5.2018[2] umfassend Stellung genommen hat, fehlt eine Aussage zu dieser internationalen Entwicklung. Da nach dem MAK aber keine deutsche "Observation" bzw. "Reservation" eingelegt wurde, wäre eigentlich davon auszugehen, dass die deutsche Finanzverwaltung die geänderte Auffassung übernimmt. Dies erfolgt allerdings – wegen der begrenzten Regelung des § 50d Abs. 12 EStG – nur eingeschränkt für VZ ab 2017.

Damit besteht aber zumindest für für "Altjahre" eine Rechtslage, die mit der Rechtsprechung des BFH nicht vertretbar ist (vgl. vorherige Tz. 5.5.3 und 5.5.5). Eine Aussage der Finanzverwaltung zu diesen Widersprüchen steht aus.

Steuergestaltungsmodell bei ehemaligen Gastarbeitern (Heimkehrern) und leitenden Angestellten?

Zur Minimierung der Steuerbelastung stellt sich häufig die Frage, ob nicht vor der Auszahlung einer größeren Abfindung ein Wohnsitzwechsel erfolgen kann.

 
Praxis-Beispiel

Steuergestaltungsmodell bei ehemaligen Gastarbeitern

Die Steuerpflichtigen sind ehemalige "Gastarbeiter" und möchten die Abfindung, die bei einem Ehepaar u. U. bei mehreren 100.000 EUR liegen kann, nutzen, um in ihrem Heimatland eine Existenz aufzubauen. Zu diesem Zweck wird vor Auszahlung der Abfindung der Wohnsitz verlegt.

Für die steuerliche Beurteilung dieses Gestaltungsmodells sind folgende "Ebenen" und Kriterien zu prüfen:

a) Lohnsteuerpflicht nach nationalem Recht

Die Abfindung unterliegt nach § 49 Abs. 1 Nr. 4 d) EStG selbst bei einer nachgewiesenen Ansässigkeit im Ausland der inländischen Besteuerung (Vergangenheitsbezug[3]). Soweit Deutschland abkommensrechtlich kein Besteuerungsrecht zusteht, ist auch kein Lohnsteuerabzug vorzunehmen.[4]

b) DBA-Prüfung

Diese hat ausschließlich im Veranlagungsverfahren zu erfolgen. Hierbei gelten folgende Grundsätze:

Grundsatz der Besteuerungszuordnung: Abfindungen, die dem Arbeitnehmer anlässlich seines Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis gezahlt werden, sind regelmäßig den Vergütungen aus unselbstständiger Arbeit i. S. des Art. 15 Abs. 1 OECD-MA als nachträglich gezahlte Tätigkeitsvergütungen zuzuordnen. Unter Abfindungen in diesem Sinne sind Zahlungen i. S. des § 3 Nr. 9 EStG in Verbindung mit R 9 LStR zu verstehen. Sie stellen jedoch kein zusätzliches Entgelt für die frühere Tätigkeit dar und werden nicht für eine konkrete im In- oder Ausland ausgeübte Tätigkeit gezahlt. Abfindungen sind daher im Ansässigkeitsstaat des Arbeitnehmers (Art. 15 Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz OECD-MA) zu besteuern. Maßgeblich hierfür ist der Zeitpunkt der Auszahlung.[5]

Vorabprüfung der abgegoltenen Ansprüche: Keine Abfindungen im vorstehenden Sinne stellen Zahlungen zur Abgeltung bereits vertraglich erdienter Ansprüche dar (z. B. Ausgleichszahlungen für Urlaubs- oder Tantiemeansprüche). Diese sind entsprechend den Aktivbezügen zu behandeln und unterliegen daher der deutschen Besteuerung.

Sonderfall: Abfindung Pensionsanspruch: Bei Abfindungen zur Ablösung eines Pensionsanspruchs handelt es sich um laufende Vergütungen aus unselbstständiger Arbeit i. S. des Art. 15 Abs. 1 OECD-MA, für die dem Tätigkeitsstaat das Besteuerungsrecht zusteht. Dagegen fallen Einmalzahlungen mit Versorgungscharakter, die bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses an Stelle einer Betriebspension gezahlt werden, unter Art. 18 OECD-MA[6] und damit in das Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaates.

Im Ausnahmefall kann eine Abfindung auch ein Ruhegehalt i. S. des Art. 18 OECD-MA darstellen. Bei der Abgrenzung zwischen einer Vergütung gem. Art. 15 und Art. 18 OECD-MA ist hierbei nicht auf den Zeitpunkt, sondern auf den Grund der Zahlung abzustellen. Ein Ruhegehalt liegt auch vor, wenn eine laufende Pensionszahlung kapitalisiert und in einem Betrag ausgezahlt wird.[7]

c) Länderspezifische Besonderheiten: Schweiz, Österreich, Belgien, Niederlande, Luxemburg, Großbritannien

Vgl. hierzu die obigen Ausführungen zu Tz. 5.5.4 und 5.5.5 der Rechtsentwicklung.

d) Pr...

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