4.4.1 Grundsatz

Wird ein Arbeitnehmer nur kurzfristig bzw. vorübergehend im Ausland eingesetzt, bleibt es nach den deutschen DBA regelmäßig beim Besteuerungsrecht des Wohnsitzstaates.

Für die Beibehaltung des Besteuerungsrechts des Wohnsitzstaates setzt Art. 15 Abs. 2 OECD-MA voraus, dass

  • sich der im Inland ansässige Arbeitnehmer insgesamt nicht länger als 183 Tage während des jeweiligen Steuerjahres (das Steuerjahr im Tätigkeitsstaat braucht nicht identisch mit dem Kalenderjahr zu sein) oder während eines 183-Tage-Zeitraums im ausländischen Tätigkeitsstaat aufhält und
  • die Vergütungen von einem oder für einen Arbeitgeber gezahlt werden, der nicht im Tätigkeitsstaat ansässig ist und
  • die Vergütungen nicht von einer Betriebsstätte oder festen Einrichtung getragen werden, die der Arbeitgeber im Tätigkeitsstaat hat.

Vgl. hierzu auch allgemein Rz. 80 ff. des Anwendungsschreibens[1].

 
Wichtig

183-Tage-Regelung

Liegt nur eine dieser Voraussetzungen nicht vor, so steht die Besteuerung nicht dem Wohnsitzstaat, sondern dem Tätigkeitsstaat zu. Wird z. B. ein inländischer Arbeitnehmer nur für kurze Zeit im Ausland für einen dort ansässigen Arbeitgeber tätig, so ist er vom ersten Tag der Tätigkeit an im Tätigkeitsstaat steuerpflichtig. Das Gleiche gilt, wenn der Arbeitnehmer zwar für einen inländischen Arbeitgeber tätig wird, dieser jedoch im Ausland eine Betriebsstätte unterhält, zu der der Arbeitnehmer, sei es auch nur für kurze Zeit, entsandt wird und er dort funktional für Tätigkeiten der Betriebsstätte aktiv tätig wird.

Rechtsfolgen: Die unbeschränkte Einkommensteuerpflicht im Inland bleibt bestehen; aber:

  • die Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit sind gemäß Art. 23 A Abs. 1 OECD-MA von der Besteuerung freizustellen;
  • die freigestellten Einkünfte unterliegen gemäß Art 23 A Abs. 3 OECD-MA dem inländischen Progressionsvorbehalt nach § 32b EStG.

4.4.2 Ermittlung der 183-Tage-Frist

Internationale Rechtsentwicklung

Es besteht leider keine einheitliche Zählweise, da Deutschland in seine DBA – entsprechend der Fortentwicklung des OECD-MA – je nach Jahr des DBA-Abschlusses unterschiedliche Konditionen aufgenommen hat. Für die 183-Tage-Regelung gibt es inzwischen verschiedene Varianten, und demzufolge entstehen bei eigentlich identischem Sachverhalt (Entsendung ab xyz in den Staat A oder B) unterschiedliche Ergebnisse:

  • Differenzierung Aufenthalt oder Ausübung: Die in den DBA genannten 183 Tage beziehen sich häufig auf den Aufenthalt im Tätigkeitsstaat.[1] Nach einigen DBA ist jedoch die Ausübung der nichtselbstständigen Arbeit im Tätigkeitsstaat maßgebend.[2]
  • Differenzierung des Bezugszeitraums: Zudem beziehen sich die vorgenannten 183 Tage entweder auf das Steuer- oder Kalenderjahr[3] oder auf einen Zeitraum von 12 Monaten.[4] Zum Übergang beim Bezugszeitraum vom Steuerjahr auf einen 12-Monatszeitraum, z. B. nach dem DBA Polen, wird auf das BMF-Schreiben v. 29.10.2004[5] verwiesen. Dies lässt sich auch auf die vergleichbaren Änderungen in den DBA Großbritannien oder Luxemburg übertragen.
 
Merkmal Hauptfall Ausnahme
Maßgebende Tage Aufenthalt im Tätigkeitsstaat Tag der Ausübung der Tätigkeit
Ausnahmeländer   Belgien und Dänemark
Bezugszeitraum Kalender- oder Steuerjahr Zeitraum von 12 Monaten
Ausnahmeländer   Kanada, Russland, Norwegen und voraussichtlich alle künftigen DBA-Partner

Grundsätze der Finanzverwaltung

Unter Beachtung der OECD-Grundsätze hat das BMF in seinem Anwendungsschreiben[6] folgende Grundsätze aufgestellt: Voraussetzung für die 183-Tage-Regelung ist u.  a., dass sich der Arbeitnehmer im Tätigkeitsstaat insgesamt nicht länger als 183 Tage während des jeweiligen Steuerjahres aufhält. Maßgeblich für die 183-Tage-Frist ist die Dauer des Aufenthalts, nicht etwa die Dauer der Tätigkeit des Arbeitnehmers im ausländischen Vertragsstaat. D. h. sowohl die arbeitsfreien Wochenendtage, als auch Urlaubs- oder Krankheitstage – sofern sie im Tätigkeitsstatt verbracht werden – sind in die Berechnung einzubeziehen. Mehrere Aufenthalte im gleichen Vertragsstaat innerhalb eines Steuerjahres für einen oder mehrere Arbeitgeber sind zusammenzurechnen. Die 183-Tage-Frist ist für jedes Steuerjahr bzw. Kalenderjahr gesondert zu prüfen. Bei einem vom Kalenderjahr abweichenden Steuerjahr ist das Steuerjahr des Tätigkeitsstaates maßgeblich.

 
Hinweis

Änderung der Verwaltungsauffassung bei Wechsel der Ansässigkeit

Die am 17.7.2008 vom Rat der OECD verabschiedete Neufassung des OECD-Musterkommentars weicht vom ursprünglichen BMF-Schreiben vom 14.9.2006[7] ab. Die OECD hat klargestellt, dass Tage, an denen ein Steuerpflichtiger im Staat der Arbeitsausübung ansässig ist, nicht in die Berechnung der 183-Tage-Frist einzubeziehen sind.[8] In der aktuellen Fassung[9] hat die Finanzverwaltung die Auffassung der OECD übernommen. Dies hat insbesondere Bedeutung für Arbeitnehmer, die zuerst "probeweise" in einem neuen Staat tätig sind und nach Ablauf der Probezeit und Übernahme in ein reguläres Arbeitsverhältnis umziehen.

Beisp...

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