Ebenfalls streitanfällig ist die Abgrenzung "Scheinselbstständige, unabhängige Subunternehmer und Dienstleister". Die Bedeutung der Frage ergibt sich aus der unterschiedlichen Zuweisung des Besteuerungsrechts für Arbeitnehmer (Tätigkeitsortprinzip) und der Wohnsitzbesteuerung (keine Tätigkeitsbesteuerung/Betriebsstättenbesteuerung für Selbstständige bzw. Gewerbetreibende im ausländischen Tätigkeitsstaat bei Tätigkeit in Kundenräumen).

 
Praxis-Beispiel

Tätigkeit in der Schweiz unter Beteiligung eines Personalverleihers

Ein deutscher IT-Spezialist mit Wohnsitz und eingetragenem Gewerbe in Deutschland arbeitet in der Schweiz unter Beteiligung eines Personalverleihers in einer Bank, um eine Software zu entwickeln. Die Schweiz stuft den IT-Spezialisten wegen der Einschaltung eines Verleihunternehmens regelmäßig sowohl sozialversicherungsrechtlich als auch steuerlich als Arbeitnehmer ein. In Deutschland wird er hingegen mangels Verfügungsmacht als Gewerbetreibender/Selbstständiger eingestuft mit Steuerpflicht in Deutschland (keine Betriebsstätte in der Schweiz).

Das BMF-Schreiben zur steuerlichen Behandlung des Arbeitslohns nach den Doppelbesteuerungsabkommen enthält hierzu keine Ausführungen. In vielen Verständigungsfällen wurden hierzu jedoch folgende Grundsätze aufgestellt:

  • Der Begriff der selbständigen Tätigkeit ist vertragsautonom auszulegen. Begriffsbestimmungen und -auslegungen sind nicht nach dem nationalen Steuer-/Sozialversicherungsrecht der beiden Staaten auszulegen.
  • Indizien für eine Selbständigkeit sind:

    • eine Organisation bzw. geringe Eingliederung
    • Marktauftritt (z. B. Werbung, Teilnahme an Ausschreibungen)
    • Eigene Infrastruktur (Büro- und Geschäftseinrichtung)
    • Wirtschaftliches Risiko (keine Absicherung im Falle der Krankheit oder in Urlaubszeiten)
    • Breitere Teilnahme am Wirtschaftsverkehr
    • Keine persönliche Leistungspflicht (Erledigung durch Subunternehmer oder Arbeitnehmer möglich).

Rangordnung der Indizien:

Hierbei sind zwei Gesichtspunkte entscheidungserheblich. Zum einen spricht eine lange Vertragsdauer für eine Eingliederung (als Arbeitnehmer) in das Unternehmen. Ergänzend ist jedoch – oft konträr – das wirtschaftliche Risiko aus dem Auftrag abzuwägen. Hierbei gelten folgende Grundsätze:

 
  • Werkvertragselemente, insbesondere Mängelhaftung
→ Selbständigkeit
  • Pauschalentgelt
→ Selbständigkeit
  • Arbeitsrechtlicher Sozialschutz
→ Unselbständigkeit
  • Tiefe Spezifizierung der Leistungen
→ Unselbständigkeit
  • Einfacher Auftrag
→ Unselbständigkeit

In der Praxis ergeben sich häufig noch die Schwierigkeiten, dass die Vertragsinhalte regelmäßig nur rudimentär schriftlich geregelt sind, oder die schriftlichen Verträge teilweise nicht gelebt werden oder sich die Vertragsinhalte sich im Verlauf der Zeit konkludent ändern können.

Für eine Einzelfallprüfung sollte nachfolgendes Prüfraster abgearbeitet werden:

 
Selbstständige Arbeit Unselbstständige Arbeit
Einzelauftrag oder sporadische Einsätze Dauerschuldverhältnis
keine Eingliederung in den Betrieb Eingliederung in den Betrieb
freie Erledigung des Auftrags oder Werkvertrags Weisungsgebundenheit betreffend Zeit, Ort, und Art der Ausführung der Arbeit
Erledigung des Auftrags oder Werkvertrags geschuldet zur Verfügungstellung der Arbeitskraft geschuldet
Verwendung eigener Arbeitsutensilien Arbeitgeber stellt Räumlichkeiten und Arbeitsmaterial zur Verfügung
Bezahlung eines Honorars (ggf. Einmalzahlung) Entrichtung eines Lohns (periodische Zahlungen)
Vergütung Bruttobetrag Abzug von Sozialversicherungsbeiträgen
keine Bezahlung bei Arbeitsausfall Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Ferienentschädigung vorgesehen
Verantwortung für mangelhafte Ausführung Ausführungsverantwortung liegt beim Arbeitgeber
Verantwortung für Arbeitsbewilligung Vereinbarung einer Probezeit

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