Häufig werden Planwerte (meist gebraucht i. S. v. "wahrscheinlichsten Werten"), ambitionierte Zielwerte und Erwartungswerte miteinander verwechselt. Der Erwartungswert zeigt, was (gemäß verfügbarer Informationen) im Mittel passieren wird und nur er ist eine sinnvolle Grundlage für unternehmerische Entscheidungen, z. B. Investitionsentscheidungen.

 
Praxis-Beispiel

Unterschied zwischen Planwert und Erwartungswert

Den Unterschied zwischen "traditionellem Planwert" (wahrscheinlichstem Wert, Modus) und Erwartungswert zeigt ein einfaches Beispiel:

Die Geschäftsführung möchte über die wirtschaftliche Sinnhaftigkeit einer Investition entscheiden, die mit einem Investitionsvolumen von 10 Mio. EUR verbunden ist. Die Beurteilung mit Hilfe der Investitionsrechenverfahren (Barwertmethode) erfordert einen risikogerechten Diskontierungszinssatz (Kapitalkostensatz), der hier zunächst mit 10 % angenommen wird. Die Verantwortlichen für die Projektplanung halten es für am wahrscheinlichsten, dass am Projektende, hier nach einem Jahr, eine Rückzahlung in Höhe von 12 Mio. EUR erfolgt und setzen diese als Planwert an. Damit führen sie folgende einfache Rechnung durch:

Die Investitionsrechnung zeigt, dass ein positiver Barwert von ca. 0,9 Mio. EUR auftritt. Das Projekt ist also wirtschaftlich und wird durchgeführt. Für eine fundierte Investitionsentscheidung ist es allerdings notwendig, sich bewusst zu machen, dass jede Prognose in die Zukunft unsicher ist und entsprechend Planabweichungen auftreten können. Mit einer Risikobeurteilung kann man bspw. zu dem Resultat kommen, dass zwar 12 Mio. EUR Rückfluss der wahrscheinlichste Wert ist (Eintrittswahrscheinlichkeit 60 %), aber mit 20 %iger Wahrscheinlichkeit sogar 13 Mio. EUR bei günstigem Konjunkturverlauf zu erlösen sind (Chance), schlimmstenfalls aber das Projekt auch komplett scheitert und der Rückfluss lediglich 1 Mio. EUR beträgt (Gefahr). Für die Investitionsentscheidung ist nur der Erwartungswert ("erwartete Rückzahlung") relevant, der sich aus den drei genannten Szenarien leicht ermitteln lässt als:

Erwartete Rückzahlung = 60 % x 12 Mio. EUR + 20 % x 13 Mio. EUR + 20 % x 1 Mio. EUR = 10,0 Mio. EUR

Die korrekte Berechnung des Investitionswerts beträgt entsprechend:

Liegen keine Informationen über die Wahrscheinlichkeiten der Szenarien vor, wird der Erwartungswert berechnet als

Hier ist bei korrekter Berücksichtigung des Erwartungswerts die Investition nicht sinnvoll, da der Barwert kleiner null ist. Zudem ist auch der Diskontierungszinssatz risikoabhängig anzupassen (s. weiter unten). Beachten wir eine Struktur der Rückflüsse mit 60 %iger Wahrscheinlichkeit für 12 Mio. sowie je 20 % für 14 Mio. und 0 Mio. EUR. Der Erwartungswert ist identisch (10 Mio. EUR), aber das Risiko hat zugenommen.

Fazit: Bei der Unternehmensplanung (hier Investitionsplanung) müssen grundsätzlich die für Entscheidungen relevanten Planwerte demzufolge Erwartungswerte (arithmetische Mittelwerte) sein – und eben nicht die wahrscheinlichsten Werte, wie dies bis heute durchgängig der Fall zu sein scheint. Die potenziellen Chancen und Gefahren müssen auf irgendeine Weise im Zusammenhang mit Planwerten berücksichtigt werden, da ansonsten – wie das Beispiel zeigt – leicht Fehlentscheidungen auftreten können.

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