Zusammenfassung

  • Eine Kernaufgabe der Führung ist die Steuerung des Chancen- und Risiko-Profils: Welche Risiken werden in Kauf genommen, um Erfolge zu realisieren und wie viele Risiken möchte und kann sich das Unternehmen erlauben?
  • Die ungenügende Beachtung von Unsicherheit und Risiken kann nicht nur teuer werden, sondern für Manager auch zum Haftungsgrund werden.
  • Risiken lassen sich durch Schwankungen von Erfolgsgrößen sowie durch zu erwartende Verluste messen. Sie sind wichtige Informationen für risikoadjustierte Entscheidungen und Pläne.
  • Der Beitrag stellt die wichtigsten Praxisansätze vor: Szenario-Planung, Monte-Carlo-Simulation und flexible Planung.

1 Das Risiko der Nichtbeachtung von Risiken in der Planung

Planung ist ein zentrales Führungsinstrument. Sie ist ein "systematisches, zukunftsbezogenes Durchdenken und Festlegen von Zielen, Maßnahmen, Mitteln und Wegen zur künftigen Zielerreichung".[1] Um Pläne aufzustellen, benötigt man Prognosen, also Vorhersagen künftiger Ereignisse und möglicher Zustände. Damit ist eine Prognose noch kein Plan, da der Plan auch das unternehmerische "Wollen" ausdrückt und die Prognose höchstens das "Werden".

In der Praxis verwenden viele Unternehmen immer noch einwertige Pläne, also mit nur einem Wert für bspw. den Umsatz des Folgejahres.[2] Dabei geht man bewusst oder unbewusst davon aus, dass dieser Wert der wahrscheinlichste sei. Doch damit wird bereits unfreiwillig eine Plan-Ist-Abweichung produziert.

 
Praxis-Beispiel

Wie Einwertplanungen Plan-Ist-Abweichungen produzieren

Angenommen ein Kleinunternehmen plant mit einer Absatzmenge von 1.000 Stück zu einem Preis von 10 EUR/Stück. Es leuchtet ein, dass der Planumsatz 10.000 EUR beträgt. Wird der Ist-Umsatz aller Wahrscheinlichkeit nach auch so hoch sein? Ganz und gar nicht. Denn alle Planzahlen treten realistischerweise nicht mit Sicherheit ein, also müssen wir jeder Zahl eine Wahrscheinlichkeit zuordnen. Angenommen, sowohl Absatzmenge als auch Preis werden mit einer Wahrscheinlichkeit von 70 % so eintreten, liegt die Wahrscheinlichkeit des Planumsatzes dann auch bei 70 %? Nein. Denn Absatzmenge und Preis erzeugen gemeinsam den Umsatz, sodass die Einzelwahrscheinlichkeiten miteinander multipliziert werden müssen. In unserem Fall ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Plan-Umsatz von 10.000 EUR eintrifft dann 0,7 × 0,7 = 0,49, also 49 % oder anders ausgedrückt: nicht einmal in der Hälfte der Fälle.[3]

Manche unsicheren Ereignisse lassen sich wie eben darstellen: Ein Kunde bezahlt rechtzeitig oder nicht. Andere Größen, wie z. B. die Absatzmenge, stellen kein einzelnes unsicheres Ereignis dar, sondern eine Verteilung vieler möglicher Zahlen.

Die Unsicherheit der Absatzplanung ist per se kein Risiko. Hinzukommen muss die Auswirkung der Unsicherheit für einen Entscheider: Erhält ein Vertriebsleiter einen Bonus für das Erreichen des Plan-Umsatzes, ist ein geringer Ist-Umsatz eine persönliche und negative Konsequenz und damit ein Risiko.[4] Die Verfehlung des Planumsatzes ist jedoch für andere Entscheider, wie bspw. den Leiter des Rechnungswesens, zwar eine Unsicherheit, aber meist kein Risiko, da er keine persönlichen Konsequenzen dadurch erfährt.[5]

Das eingangs angesprochene Problem der einwertigen Planung wäre nicht dramatisch, wenn sich die Praxis nur einer geringen Unsicherheit gegenübersähe. Dies ist jedoch nicht der Fall. Prognosen stellen eine wichtige Grundlage für Pläne dar, sind allerdings oftmals wenig genau. Die daraus abgeleiteten Pläne sind dementsprechend ebenfalls eher ungenau.

Beachten Unternehmen diese Unsicherheit in der Planerstellung nicht, ist es nicht verwunderlich, wenn Pläne und Ziele häufig verfehlt werden. Aber nicht nur das: Sie unterschätzen damit auch Risiken erheblich und bringen ihre Existenz unnötig in Gefahr.

[1] Wild, 1982, S. 13.
[2] Vgl. Behringer/Gleißner, 2018.
[3] Vgl. Savage, 2012.
[4] Die positive Abweichung wäre hier eine Chance. Nach allgemeiner Sicht wird in der Planung die negative Zielverfehlung als problematisch gesehen. Gegen Mehrabsatz wehrt sich vermutlich kaum ein Unternehmen.
[5] Vgl. zum Risikobegriff Holton, 2004.

2 Messung und Aggregation von Risiken

2.1 Risikomaße

Zur Messung des Risikos einer Planung kann man zunächst bei der Veränderung der zentralen Plan- und Ist-Größe beginnen: bei einer Erfolgsplanung wäre das bspw. die Veränderung des Gewinns. Je stärker dieser schwankt, desto höher das Risiko (und die Chance) der Planverfehlung. Gemessen werden kann das über den Variationskoeffizienten als Quotient aus Standardabweichung der Erfolgsgröße geteilt durch deren Erwartungs- oder Mittelwert. Dieses Risikomaß ist lageunabhängig und auch einheitenunabhängig.[1] Folgendes Beispiel illustriert den Zusammenhang (s. Abb. 1).

 
 

a

Mittelwert

b

Standardabweichung

c=b/a

Variationskoeffizient
95 % VaR p(Verluste) CVaR
Firma 1 100 EUR 50 EUR 0,5 17,76 EUR 2,28 % - 18,93 EUR
Firma 2 100 EUR 80 EUR 0,8 - 31,59 EUR 10,56 % - 36,70 EUR
  VaR = Value at Risk CVaR = Conditional Value at Risk  

Abb. 1: Beispiel zu Risikomaßen

Beide fiktiven Unternehmen erzielen im Mittel einen Gewinn von 100 EUR. Der Gewinn beim zweiten Unternehmen...

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