Rz. 109

Gemäß § 155 Abs. 1 InsO i. V. m. §§ 140 ff. AO ist der Insolvenzverwalter auch zur steuerrechtlichen Buchführung und Abgabe von Steuererklärungen verpflichtet. Infolge seines Verwaltungs- und Verfügungsrechts ist der Insolvenzverwalter Vermögensverwalter i. S. d. § 34 Abs. 3 AO oder Verfügungsberechtigter nach § 35 AO und hat deshalb alle steuerlichen Pflichten im Rahmen seines insolvenzrechtlichen Pflichtenkreises zu erfüllen.[1] Diese ergeben sich im Einzelnen aus den §§ 90, 93 ff., 117 ff., 140 f., 149 ff. AO sowie aus § 22 UStG. Dabei handelt es sich um:

  • Steuererklärungspflichten,[2]
  • Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten sowie
  • Auskunfts-, Anzeige- und Nachweispflichten.
 

Rz. 110

Im Rahmen der Erfüllung der Steuererklärungspflicht müssen dieser die Unterlagen beigefügt werden, die nach den Steuergesetzen vorzulegen sind.[3] Dazu gehört insb. die (ggf. steuerlich angepasste) Handelsbilanz oder auch eine den steuerlichen Vorschriften entsprechende Bilanz (Steuerbilanz).[4]

 

Rz. 111

Schwierigkeiten bereitet die steuerrechtliche Pflicht zur Rechnungslegung, wenn das Verfahren massearm ist[5] Der BFH[6] geht davon aus, dass der Insolvenzverwalter in diesem Falle nicht wegen (wirtschaftlicher) Unmöglichkeit von seiner öffentlich-rechtlichen Steuererklärungspflicht befreit wird. Zur Begründung wird auf die Berufsqualifikation des Insolvenzverwalters abgestellt. Da dieser Personenkreis regelmäßig in der Lage ist, aufgrund seines Könnens die geforderten Steuererklärungen anzufertigen, komme es auf die Massearmut nicht an, weil es dem Insolvenzverwalter zuzumuten ist, diese Arbeit selbst auszuführen.[7]

 

Rz. 112

Die Steuererklärungspflicht gilt auch für die Zeit vor Verfahrenseröffnung, soweit der Schuldner noch keine Steuererklärungen abgegeben hat. Erkennt der Insolvenzverwalter also, dass der Schuldner für diese Zeit keine, eine unvollständige oder eine unrichtige Steuererklärung abgegeben hat, so ist er verpflichtet, diese und die dazugehörigen Unterlagen (Steuerbilanz) zu berichtigen.[8] Kommt der Insolvenzverwalter seiner Verpflichtung zur Abgabe der Steuererklärung nicht nach, so sind Zwangsmaßnahmen nach den §§ 328, 329, 332, 333 AO gegen ihn zulässig.[9]

 

Rz. 113

Nach § 155 Abs. 2 Satz 1 InsO beginnt mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein neues Geschäftsjahr. Steuerlich ist die Umstellung auf einen vom Kalenderjahr abweichenden Zeitraum nur wirksam, wenn sie im Einvernehmen mit dem Finanzamt vorgenommen wird.[10] Im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens wird das Finanzamt die Zustimmung in der Regel erteilen müssen.[11] Wird das insolvente Unternehmen fortgeführt, so ist der Gewinnermittlungszeitraum das (Rumpf-)Wirtschaftsjahr und der Besteuerungszeitraum wie stets das Kalenderjahr. Bei der Liquidation einer Kapitalgesellschaft wird der Gewinnermittlungszeitraum nach § 11 Abs. 1, 7 KStG auf bis zu drei Jahre erweitert. In diesem Fall ergibt sich das steuerliche Ergebnis aus der Differenz zwischen dem Abwicklungsendvermögen[12] und dem Abwicklungsanfangsvermögen.[13]

 

Rz. 114

Im Übrigen sind die allgemeinen steuerlichen Bilanzierungsvorschriften,[14] insb. auch das Maßgeblichkeitsprinzip[15] anzuwenden.

[1] BGH, Urteil v. 29.5.1979, VI ZR 104/78; vgl. auch Haas, in Baumbach/Hueck, GmbHG, 2019, § 60 Rz. 48.
[2] Umstritten ist allerdings, ob der Insolvenzverwalter zur Abgabe von Erklärungen für die einheitliche und gesonderte Gewinnfeststellung bei Personengesellschaften verpflichtet ist; verneinend BFH, Urteil v. 23.8.1994, VII R 143/92, ZIP 1994, S. 1972 f.; BFH, Urteil v. 11.10.2007, IV R 52/04.
[6] BFH, Beschluss v. 19.11.2007, VII 104/07; BFH, Urteil v. 23.8.1994, VII R 143/92, ZIP 1994, S. 1972 f.
[7] Sinz, in Uhlenbruck, InsO, 2019, § 155 Rz. 15.
[9] So auch BFH, Beschluss v. 19.11.2007, VII 104/07; Sinz, in Uhlenbruck, InsO, 2019, § 155 Rz. 15a.
[11] Begründung zu § 174 RegE, § 155 Rz. 10.
[14] §§ 47 EStG.

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