Rz. 1

Mit Inkrafttreten der neuen Insolvenzordnung (InsO) am 1.1.1999, die die Konkurs- und Vergleichsordnung in den alten Bundesländern sowie die Gesamtvollstreckungsordnung der neuen Bundesländer ablöste, wurden auch die Rechnungslegungspflichten in der Insolvenz neu geregelt. Ein Bedürfnis für eine Reform des Insolvenzrechts bestand insbesondere, da das bis dahin geltende Konkurs- und Vergleichsrecht wegen der Massearmut der Insolvenzen nicht mehr in der Lage war, die ihm gestellten Aufgaben zu erfüllen.[1] Ein Schwerpunkt der Insolvenzrechtsreform lag daher darin, Maßnahmen gegen die Massearmut einzuführen. Insbesondere mit dem neuen Eröffnungsgrund der drohenden Zahlungsunfähigkeit[2] sollte der Weg für eine frühzeitige Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereitet werden. Weitere Zielsetzungen bildeten die Förderung der Sanierung, die Stärkung der Gläubigerautonomie, die gerechtere Verteilung der Insolvenzmasse sowie die Einführung eines speziellen Verfahrens für natürliche Personen[3] mit der Möglichkeit einer Restschuldbefreiung[4].

 

Rz. 2

Allerdings wurde in den Folgejahren immer wieder versucht, Schwachstellen der InsO zu beseitigen. Beispielhaft seien genannt:[5]

  • das Insolvenzänderungsgesetz 2001,
  • das Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) vom März 2012,
  • das Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte 2014,
  • das Gesetz zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen 2017,
  • die novellierte Insolvenzordnung nach dem Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz (SanInsFoG) und dem Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG) 2021. So wurde beispielsweise der Prognosezeitraum für die Tatbestände der Überschuldung und der drohenden Zahlungsunfähigkeit gesetzlich konkretisiert und die Insolvenzantragsfrist teilweise verlängert (bei Überschuldung nun sechs Wochen).

    Das StaRuG als erster Teil des SanInsFoG sieht ein von der InsO unabhängiges Verfahren bei drohender Zahlungsunfähigkeit des Schuldners innerhalb der nächsten 24 Monate zur Insolvenzvermeidung vor. Hierfür ist die Herbeiführung der Rechtshängigkeit des Restrukturierungssachverhalts durch Anzeige beim Restrukturierungsgericht herbeizuführen. In diesem Verfahren ist der Schuldner zur Vorlage eines Restrukturierungsplanes, der dem Insolvenzplan gemäß §§ 217 ff. InsO (vgl. Rz. 46 ff.) nachgebildet ist, berechtigt.

 

Rz. 3

Die InsO sieht eine Vielzahl von Rechnungslegungserfordernissen – hauptsächlich für den Insolvenzverwalter – vor: Ihn trifft eine dreifache Rechnungslegungspflicht. Er hat eine spezifisch insolvenzrechtliche (interne) Rechnungslegung einerseits und die allgemeine handels- und steuerrechtliche (externe) Rechnungslegung andererseits durchzuführen. Die insolvenzrechtliche Rechnungslegung ergibt sich dabei unmittelbar und ausschließlich aus der InsO. Die insolvenzspezifische Rechnungslegung des Insolvenzverwalters ergibt sich aus § 66 InsO und dient als Grundlage zur Information der Gläubiger, des Schuldners, des Insolvenzgerichts und des Insolvenzverwalters. Sie hat zu Beginn und bei Beendigung des Verfahrens sowie bei Feststellung der Masseunzulänglichkeit oder Wechsel des Insolvenzverwalters zu erfolgen.[6] Die allgemeine handels- und steuerrechtliche Rechnungslegung hingegen beruht auf den Vorschriften des Handelsrechts[7] und des Steuerrechts.[8] Gemäß § 155 Abs. 1 InsO bleiben die handels- und steuerrechtlichen Pflichten des Schuldners zur Buchführung und zur Rechnungslegung unberührt. In Bezug auf die Insolvenzmasse hat der Insolvenzverwalter diese Pflichten zu erfüllen. Das gilt für die handels- und steuerrechtlichen Buchführungspflichten vor und nach Insolvenzeröffnung.[9] Diese getrennte Vorgehensweise (interne Rechnungslegungspflicht, § 66 InsO, externe Rechnungslegungspflicht, § 155 InsO) wird auch duale Rechnungslegungspflicht des Insolvenzverwalters genannt.[10]

 

Rz. 4

Die Ziele der Rechnungslegung in der Insolvenz richten sich dementsprechend danach, für welchen Adressatenkreis sie jeweils bestimmt ist.[11]

Die interne Rechnungslegungspflicht besteht gegenüber dem Insolvenzgericht, den Insolvenzgläubigern und dem Insolvenzschuldner:[12]

  • die Dokumentation von Masseverwaltung und Masseverwertung;
  • die Dokumentation der Vermögensverhältnisse des Schuldners;
  • die Kontrolle der Tätigkeit des Insolvenzverwalters durch den Gläubigerausschuss und das Insolvenzgericht;
  • die Information über den Massestand zur Vorbereitung der Entscheidung über die Einstellung des Verfahrens mangels Masse;
  • die Information über die zu erwartende Insolvenzquote und
  • die Gewährleistung einer ordnungsmäßigen Verteilung der Insolvenzmasse.[13]

Die externe Rechnungslegungspflicht besteht gegenüber der Öffentlichkeit und sonstigen externen Beteiligten (potenzielle Erwerber, (potenzielle) Kreditgeber, (potenzielle) Lieferanten und Abnehmer, Fiskus):[14]

  • Im Rahmen der handelsrechtlichen Rechnungslegung werden die laufenden Geschäftsvo...

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