In der betriebswirtschaftlichen Praxis lassen sich 4 Stadien unterscheiden, in denen Insolvenzen im Allgemeinen ablaufen:

  • Strategiekrise,
  • Rentabilitätskrise,
  • Ertragskrise,
  • Liquiditätskrise.

3.1.1 Strategiekrise

Situation: Die Betriebsergebnisse sind (noch) positiv. Das Unternehmen arbeitet aber in eingefahrenen Gleisen. Die Qualifikation und die Motivation der Mitarbeiter nehmen mangels ausreichender Personalentwicklungsmaßnahmen ab. Die technische Ausstattung des Unternehmens und das Know-how sind nicht mehr auf dem neuesten Stand.

Eine Strategiekrise wird immer durch die Unternehmen selbst verursacht, sie ist aber aus den betriebswirtschaftlichen Zahlen (BWA) nicht erkennbar. Externe Veränderungen im Markt oder in der Technik werden nicht oder nicht ausreichend wahrgenommen. Verhaltensänderungen beim Kunden werden nicht rechtzeitig erkannt. Das Produkt oder die Dienstleistung wird unverändert angeboten. Die Anzahl der Produktentwicklungen ist rückläufig. Auf ein Qualitätsmanagement wird verzichtet bzw. verfügt nicht über den erforderlichen Stellenwert im Unternehmen. Steigende Konkurrenz führt zu niedrigeren Preisen. Neue Gesetze und Vorschriften werden nicht frühzeitig bei der Produktionsplanung berücksichtigt.

3.1.2 Rentabilitätskrise

Situation: Die Betriebsergebnisse stagnieren oder entwickeln sich rückläufig. Die Kosten steigen im Verhältnis zum Umsatz stark an. Diese Faktoren bemerkt das Unternehmen oft wegen eines fehlenden Controllings nicht. Da noch Gewinne erwirtschaftet werden, scheint vordergründig alles in Ordnung zu sein.

3.1.3 Ertragskrise

Situation: Die Zahl der Aufträge geht zurück, die Umsätze sinken. Das Unternehmen rutscht in die "roten Zahlen". Spätestens jetzt wären korrigierende Maßnahmen seitens der Unternehmensleitung einzuleiten.

In diesem Stadium merken Kunden und Lieferanten meist noch nichts von der Krise. Allenfalls die Kreditgeber werden darauf aufmerksam durch Jahres- oder Zwischenbilanzen. Oft werden die notwendigen Maßnahmen nicht ergriffen, weil das Ergebnis schöngeredet und fälschlich von einem "Einmaleffekt" ausgegangen wird. In dieser Phase könnte das Unternehmen noch durch eine schnelle und drastische Kursänderung (Turnaround) das Steuer herumreißen. Dies bedeutet allerdings einschneidende Sanierungsmaßnahmen, um die Kosten zu senken, die betrieblichen Abläufe zu optimieren und die Erträge zu erhöhen.

3.1.4 Liquiditätskrise

Situation: In diesem Stadium lässt sich die Krise nicht mehr verheimlichen. Das Unternehmen kann seinen Zahlungsverpflichtungen nicht mehr rechtzeitig nachkommen. Skonto wird nicht mehr ausgenutzt, vereinbarte Zahlungsziele werden überzogen. Die Ratingeinstufung der Kreditgeber verschlechtert sich, was zur Senkung von Kreditlimits und zu höheren Kreditzinsen führt.

Eine Rettung des Unternehmens ist, wenn überhaupt, nur mit schmerzhaften Einschnitten und Maßnahmen möglich. Die Unternehmensleitung ist in dieser Phase nur selten in der Lage, die Existenzkrise aus eigener Kraft zu meistern und verlangt meist die Unterstützung durch Dritte, insbesondere der Kreditgeber, evtl. großer Lieferanten und gegebenenfalls auch den Einsatz externer Berater.

 
Hinweis

Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz

Das Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG) wurde Ende 2020 im Insolvenzrecht eingeführt, um Unternehmen die Möglichkeit zu geben, eine Sanierung durchzuführen, bevor das Insolvenzverfahren droht. Voraussetzung ist allerdings, dass weder eine akute Zahlungsunfähigkeit noch eine Überschuldung vorliegt, allerdings muss eine drohende Zahlungsunfähigkeit bestehen. Das Frühwarnsystem im StaRUG orientiert sich an den anerkannten Krisenstadien.

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