Grundsätzlich gilt: Jeder Unternehmer gem. § 2 Abs. 1 UStG ist bei einem Warenbezug aus dem übrigen Gemeinschaftsgebiet unter den o. g. Voraussetzungen erwerbsteuerpflichtig. Der Gesetzgeber hat den erwerbsteuerpflichtigen Abnehmerkreis unter bestimmten Bedingungen noch erweitert, indem er für diese Personen eine sog. Erwerbsschwelle eingeführt hat. Danach unterliegen der Erwerbsbesteuerung auch

  • Unternehmer, die ausschließlich steuerfreie Umsätze tätigen, die nicht zum Vorsteuerabzug berechtigen,
  • Kleinunternehmer, die § 19 Abs. 1 UStG anwenden,
  • pauschal versteuernde Land- und Forstwirte nach § 24 Abs. 13 UStG,
  • juristische Personen, die für ihren nichtunternehmerischen Bereich Waren beziehen,

wenn dieser Personenkreis den Gesamtbetrag der Entgelte für alle Erwerbe i. H. v. 12.500 EUR im vorangegangenen Kalenderjahr überschritten hat bzw. voraussichtlich im laufenden Kalenderjahr in Deutschland überschreiten wird.[1] Die von den jeweiligen Mitgliedstaaten festgelegten Schwellenwerte beziehen sich auf den Gesamtumfang aller Warenbezüge aus dem übrigen Gemeinschaftsgebiet.

Zur Überprüfung des Überschreitens der Erwerbsschwelle ist auf die Verhältnisse zu Beginn des Kalenderjahres abzustellen. Wenn der Unternehmer im vorangegangenen Kalenderjahr (tatsächlich) die Erwerbsschwelle von 12.500 EUR nicht überschritten hat und diese (prognostisch) im laufenden Kalenderjahr auch nicht überschreiten wird, kann die Erwerbsbesteuerung unterbleiben, selbst wenn die Erwerbsschwelle im laufenden Kalenderjahr dann tatsächlich überschritten wird.[2]

 
Praxis-Beispiel

Innergemeinschaftlicher Erwerb durch Arzt

Ein in Bremen ansässiger Arzt DE bezieht im Jahr 2019 für seine Praxis ein Laborgerät von Unternehmer NL aus den Niederlanden zum Preis von 18.000 EUR. Wegen der ausschließlich steuerfreien Umsätze ohne Vorsteuerabzugsmöglichkeit ist DE bisher nicht im Besitz einer USt-IdNr. und erhält die Geräte daher zzgl. der niederländischen Umsatzsteuer berechnet. Die Besteuerung eines innergemeinschaftllichen Erwerbs in Deutschland kann jedoch unterbleiben, wenn DE im Jahr 2018 nicht bereits die Erwerbsschwelle überschritten hat; dies gilt auch für weitere Erwerbe im Jahr 2019. Anders wäre nur zu entscheiden, wenn der Erwerb des Laborgeräts von NL bereits zu Beginn des Jahres beabsichtigt und daher die Überschreitung der Erwerbsschwelle bereits absehbar war.

Jeglicher weiterer Warenbezug aus dem übrigen Gemeinschaftsgebiet für die Praxis des DE unterliegt im Kalenderjahr 2020, dem Folgejahr des Erwerbs, in jedem Fall der Erwerbsbesteuerung in Deutschland. DE muss folglich den Antrag auf Erteilung einer USt-IdNr. stellen, damit er einen Anspruch auf steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen erhält. Die nicht vorsteuerabzugsfähige Erwerbsteuer würde ansonsten neben der ausländischen Steuer zur Doppelbelastung.[3]

[2] Abschn. 1a.1 Abs. 2 Satz 5 UStAE. Eine Übersicht über die Schwellenwerte der übrigen EU-Mitgliedstaaten enthält Abschn. 3.18 Abs. 4 Satz 7 UStAE.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Finance Office Professional. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge