Leitsatz

1. Steht aufgrund einer Beweiserhebung fest, dass die gelieferten Fahrzeuge zum Bestimmungsort im übrigen Gemeinschaftsgebiet versendet wurden, kann dies nicht durch die Annahme eines fehlenden Belegnachweises in Abrede gestellt werden.

2. Der sich aus der USt-IdNr. ergebende Nachweis der Unternehmereigenschaft des Abnehmers kann nicht durch die bloße Annahme einer Briefkastenanschrift widerlegt werden.

 

Normenkette

§ 6a UStG, § 17a, § 17c UStDV, Art. 138 EGRL 112/2006 (= MwStSystRL), § 41 AO

 

Sachverhalt

Die Klägerin, eine GmbH, lieferte im Streitjahr 2007 drei Pkws in das übrige Gemeinschaftsgebiet. Nach schriftlichen Kaufverträgen war Käufer jeweils die Firma N, eine GmbH nach dem Recht der Slowakischen Republik, mit Sitz in X in der Slowakischen Republik. Der Klägerin lagen ein Handelsregisterauszug der Firma N vor wie auch eine bestätigte Abfrage der USt-IdNr. der Firma N. Geschäftsführer der Firma N war der in Ungarn ansässige A.MN. Auf ihrem Briefpapier gab die Firma N eine Telefon- und eine Telefaxnummer mit jeweils ungarischer Vorwahl an. Die Klägerin nahm für die drei Fahrzeuglieferungen die Steuerfreiheit für die innergemeinschaftliche Lieferung in Anspruch.

Im Rahmen einer Außenprüfung kam der Prüfer unter Berücksichtigung der Ergebnisse einer multilateralen Prüfung der deutschen, österreichischen, ungarischen und slowakischen Finanzbehörden zu dem Ergebnis, dass es sich bei der Firma N um eine Scheinfirma gehandelt habe. Dem folgte das FA.

Einspruch und Klage zum FG hatten keinen Erfolg (FG München, Urteil vom 10.10.2018, 3 K 1983/17, Haufe-Index 13014089, EFG 2019, 383). Nach dem Urteil des FG lagen zwar für alle drei Fahrzeuge die für die Steuerfreiheit nach § 6a UStG erforderlichen Belege zur Dokumentation einer Beförderung durch den Abnehmer (Abhollieferung) vor. Tatsächlich seien die Fahrzeuge aber durch einen beauftragten selbstständigen Spediteur befördert worden; es habe sich deshalb nicht um eine Abhol‐, sondern um eine Versendungslieferung gehandelt. Das FG ging somit von einer Steuerpflicht aufgrund eines fehlenden Belegnachweises aus, obwohl der vom FG einvernommene Zeuge D ausgesagt hatte, dass er die Fahrzeuge zum angegebenen Bestimmungsort in der Slowakischen Republik befördert habe. Zudem nahm das FG einen fehlenden Buchnachweis an, da es sich bei der Firma N um eine Scheinfirma gehandelt habe, sodass sich aus der Aufzeichnung der USt‐IdNr. dieser Firma nicht deren Unternehmereigenschaft ergeben habe.

 

Entscheidung

Der BFH hob die Entscheidung der Vorinstanz auf und verwies die Sache an das FG zurück. Es habe bei der Frage einer Beförderung oder Versendung an den Bestimmungsort im übrigen Gemeinschaftsgebiet zu Unrecht die als glaubhaft angesehene Zeugenaussage unberücksichtigt gelassen. Die Briefkastenanschrift reiche für eine Widerlegung der Unternehmereigenschaft bei Vorliegen einer USt-IdNr. nicht aus. Die Sache sei nicht spruchreif, da das FG die entscheidende Frage eines Scheingeschäfts nicht geprüft habe. Dies könne in der Revisionsinstanz nicht nachgeholt werden.

 

Hinweis

1. Die Steuerfreiheit für die innergemeinschaftliche Lieferung setzt nach § 6a Abs. 1 Satz 1 UStG voraus, dass der gelieferte Gegenstand in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet wird und der Abnehmer ein im Bestimmungsmitgliedstaat zur Erwerbsbesteuerung verpflichteter Unternehmer ist. Hierzu hat der Unternehmer beleg- und buchmäßige Nachweise zu erbringen.

2. Zum Belegnachweis hatte der BFH bereits entschieden, dass Finanzgerichte bei einem fehlenden Belegnachweis zur Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet nicht verpflichtet sind, eine Beweiserhebung durchzuführen (BFH, Urteil vom 19.3.2015, V R 14/14, BFH/NV 2015, 1529, BStBl II 2015, 912).

In seinem neuen Urteil weist er hierzu darauf hin, dass ein Finanzgericht, das gleichwohl eine Beweiserhebung durchführt, die sich daraus ergebenden Beweisergebnisse zu berücksichtigen hat. Folgt aus einer vom Finanzgericht als glaubhaft erachteten Zeugenaussage, dass die gelieferten Gegenstände an einen Bestimmungsort in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet wurden, kann es die Steuerpflicht einer innergemeinschaftlichen Lieferung nicht damit begründen, dass der Belegnachweis für diese Beförderung oder Versendung fehlt.

Hieraus folgt für das finanzgerichtliche Verfahren eine wohl sachgerechte Flexibilisierung. Das FG ist (insbesondere) bei einem völligen Fehlen des Belegnachweises nicht verpflichtet, Beweisangeboten zur Beförderung oder Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet nachzugehen. Nach dem neuen Urteil des BFH ist das FG aber gleichwohl berechtigt, eine Beweiserhebung durchzuführen. Es hat dann die sich hieraus ergebenden Beweisergebnisse seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

3. Den Nachweis, dass der Abnehmer ein zur Erwerbsbesteuerung verpflichteter Unternehmer ist, hat der Unternehmer durch Aufzeichnung der USt-IdNr. des Abnehmers zu erbringen (§ 17c UStDV). Ist der Unternehmer dem nachgekommen, kann die sich hi...

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