Leitsatz

Bei einem Reihengeschäft mit zwei Lieferungen und drei Beteiligten ist die erste Lieferung als innergemeinschaftliche Lieferung auch dann gem. § 6a UStG steuerfrei, wenn der erste Abnehmer einem Beauftragten eine Vollmacht zur Abholung und Beförderung des gelieferten Gegenstands in das übrige Gemeinschaftsgebiet erteilt, die Kosten für die Beförderung aber vom zweiten Abnehmer getragen werden (Abgrenzung zu Abschn. 31a Abs. 8 Satz 2 UStR 2005/Abschn. 3.14 Abs. 8 Satz 2 UStAE).

 

Normenkette

§ 3 Abs. 6 und 7, § 4 Nr. 1 Buchst. b, § 6a UStG 2005, § 17a UStDV 2005, Art. 8 und Art. 28c der 6. EG-RL

 

Sachverhalt

Die Klägerin veräußerte einen Pkw an die in Spanien ansässige K (USt-IdNr. bestätigt, Personalausweis mit Wohnortnachweis kopiert). Der Pkw wurde im Inland von einem französischen Fahrer, Y, mit schriftlicher Abholvollmacht des K, mit Empfangsbestätigung und der Versicherung, den Pkw nach Spanien zu befördern, abgeholt. Das FA versagte die USt-Befreiung, weil der Transport des Fahrzeugs tatsächlich nicht von K, sondern von deren in Frankreich ansässigen Kunden (X) auf deren Kosten veranlasst und der Pkw direkt nach Frankreich verbracht worden war. Das FG gab der Klage statt (FG Nürnberg, Urteil vom 10.11.2009, 2 K 1696/2008, Haufe-Index 2315720, EFG 2010, 913).

 

Entscheidung

Die Revision des FA hatte keinen Erfolg. Nachdem K unter ihrer spanischen USt-IdNr. handelte, ein von ihr Beauftragter mit ihrer Vollmacht den Pkw "zur Beförderung nach Spanien" abholte und der Klägerin der Weiterverkauf durch K an einen Abnehmer in Frankreich nicht bekannt war, war die Lieferung der Klägerin an K die Versendungs- und damit die innergemeinschaftliche Lieferung. Unstreitig lag auch der tatsächliche Bestimmungsort im übrigen Gemeinschaftsgebiet vor. Die Angabe eines unzutreffenden Bestimmungsorts stand daher dem "sicheren Nachweis" der materiellen Voraussetzungen für die Befreiung nicht entgegen. Ob K ihrerseits im Verhältnis zu ihrem französischen Abnehmer die Versendungskosten trug, war im Verhältnis zur Klägerin im Hinblick auf die erwähnte Vollmacht ebenso unerheblich wie ob Y Angestellter der K war. An der Richtigkeit der Beleg- und Buchangaben bestanden mit Ausnahme des – tatsächlichen – Bestimmungsorts der Lieferung keine begründeten Zweifel. Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin "die Identität der wahren Erwerber verschleiert hat, um diesen zu ermöglichen, Mehrwertsteuer zu hinterziehen", lagen nicht vor.

Selbst wenn die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG nicht vorgelegen hätten und die Lieferung der Klägerin daher eine sog. ruhende Lieferung gewesen wäre: Auch für eine sog. ruhende Lieferung ist Vertrauensschutz nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG nicht auszuschließen.

 

Hinweis

1."Wird der Gegenstand der Lieferung bei einem Reihengeschäft durch einen Abnehmer befördert oder versendet, der zugleich Lieferer ist (Ersterwerber), ist die Beförderung oder Versendung der Lieferung an ihn zuzuordnen, es sei denn, er weist nach, dass er den Gegenstand als Lieferer befördert oder versendet hat." (§ 3 Abs. 6 Satz 6 UStG.) Maßgebend ist insoweit die "Verpflichtung" und die "Ab­sichtsbekundung" des mittleren Unternehmers, den ­Gegenstand unter Verwendung einer nicht vom Liefermitgliedstaat erteilten USt-IdNr. in den Bestimmungsmitgliedstaat zu befördern. Erklärt daher der Ersterwerber unter Verwendung seiner z.B. spanischen USt-IdNr., er werde den ihm gelieferten Gegenstand nach Spanien befördern, ist die innergemeinschaftliche Lieferung der Lieferung an ihn zuzuordnen. Dem steht nicht entgegen, dass ein Zweiterwerber an der Beförderung beteiligt ist und dass die Beförderung tatsächlich nicht zum Unternehmen des Ersterwerbers erfolgt. Dies unter dem Vorbehalt, dass keine Anhaltspunkte für einen USt-Betrug oder eine Beteiligung des Ersterwerbers daran vorliegen.

2. Nicht der ersten Lieferung, sondern der folgenden Weiterlieferung des ersten Abnehmers (Ersterwerber) ist die Beförderung zuzurechnen, wenn der Ersterwerber dem ersten Lieferer bereits vor der Beförderung oder Versendung mitteilt, dass er den Gegenstand an einen Zweiterwerber verkauft hat. Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass aufgrund einer derartigen Mitteilung für den Ersterwerber erkennbar ist, dass die Beförderung in das übrige Gemeinschaftsgebiet nicht seiner Lieferung zuzurechnen ist.

Im Ergebnis hat danach der Ersterwerber im Fall des Weiterverkaufs die Möglichkeit, durch Mitteilung oder Verschweigen des Weiterverkaufs die Beförderung oder Versendung der Lieferung an sich oder seiner eigenen Lieferung zuzuordnen. Abschn. 31a Abs. 8 Satz 2 USt-RL und Abschn. 3.14 Abs. 8 Satz 2 ­UStAE sind insoweit nicht ganz eindeutig und, wäre dies anders zu verstehen, ggf. unbeachtlich.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 11.8.2011 – V R 3/10

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