Leitsatz

Werden in Bezug auf eine Ware zwischen verschiedenen als solchen handelnden Steuerpflichtigen aufeinanderfolgend zwei Lieferungen, aber nur eine einzige innergemeinschaftliche Beförderung durchgeführt – sodass dieser Umsatz unter den Begriff der innergemeinschaftlichen Beförderung i.S.v. Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der 6. EG-RL i.V.m. den Art. 8 Abs. 1 Buchst. a und b, 28a Abs. 1 Buchst. a Unterabs. 1 und 28b Teil A Abs. 1 der 6. EG-RL fällt –, so hat die Bestimmung, welchem Umsatz diese Beförderung zuzurechnen ist, ob also der ersten oder der zweiten Lieferung, in Ansehung einer umfassenden Würdigung aller Umstände des Einzelfalls zu erfolgen, um festzustellen, welche der beiden Lieferungen alle Voraussetzungen für eine innergemeinschaftliche Lieferung erfüllt.

Unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens, wenn also der Ersterwerber, der das Recht, über den Gegenstand wie ein Eigentümer zu verfügen, im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats der ersten Lieferung erlangt hat, seine Absicht bekundet, diesen Gegenstand in einen anderen Mitgliedstaat zu befördern, und mit seiner von dem letztgenannten Staat zugewiesenen USt-Identifikationsnummer auftritt, müsste die innergemeinschaftliche Beförderung der ersten Lieferung zugerechnet werden, sofern das Recht, über den Gegenstand wie ein Eigentümer zu verfügen, im Bestimmungsmitgliedstaat der innergemeinschaftlichen Beförderung auf den Zweiterwerber übertragen wurde. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob diese Bedingung in dem bei ihm anhängigen Rechtsstreit erfüllt ist.

 

Normenkette

Art. 8 Abs. 1, Art. 28a Unterabs. 1, Art. 28b Teil A Abs. 1 der 6. EG-RL (§ 3 Abs. 6, § 6a, § 1a UStG)

 

Sachverhalt

ETH (NL) verkaufte Pkw-Zubehör an M; vereinbart war die Beförderung für Rechnung und auf Gefahr der Käufer (M), der gegenüber ETH erklärt hatte, die Ware gehe nach Belgien. ETH erklärte igLieferungen. M verkaufte an D (Belgien) unter der Lieferbedingung, dass die Beförderung der Waren zur Niederlassung der D für Rechnung und auf Gefahr von M erfolgen sollte. M ließ durch einen von ihm bezahlten Fahrer der D die Waren von ETH zu D transportieren.

 

Entscheidung

Hat – wie im Sachverhalt – U2, der die Beförderung auf seine Rechnung veranlasst (und daher grundsätzlich die Verfügungsmacht im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats der ersten Lieferung erlangt hat) unter Verwendung seiner UStIdNr. des Zielmitgliedstaats seine Absicht bekundet, diesen Gegenstand in diesen Mitgliedstaat zu befördern, ist die innergemeinschaftliche Beförderung der ersten Lieferung zuzurechnen, sofern das Recht, über den Gegenstand wie ein Eigentümer zu verfügen, im Bestimmungsmitgliedstaat der innergemeinschaftlichen Beförderung auf den Zweiterwerber übertragen wurde. Damit ist – wie sich aus Rz 33 und Rz 36 ergibt – offenbar gemeint, zu prüfen sei, ob nicht vielleicht doch die zweite Lieferung (U2 an U3) bereits im Mitgliedstaat des Beginns der Versendung oder Beförderung durch U1 erfüllt sein könnte. Das wäre jedoch nur von Bedeutung, wenn dies für U1 erkennbar gewesen wäre. Es sei Sache des nationalen Gerichts, zu prüfen, ob diese Bedingung erfüllt ist.

Ist das nicht der Fall, ist die Lieferung des U1 als igLieferung steuerfrei, die des U2 an U3 im Zielmitgliedstaat zu besteuern. Einer Berufung des U2 auf das Vorliegen einer igLieferung an U3 – wenn diese erst nach der Lieferung an ihn vereinbart worden ist – könnte das Urteil vom 07.12.2010, C-285/09 (Haufe-Index 2551700, BFH/PR 2011, 59) entgegenstehen.

 

Hinweis

1. Folgen mehrere entgeltliche Lieferungen desselben (unveränderten) Gegenstands aufeinander (U1 an U2 an U3) und wird der Gegenstand dabei direkt, unmittelbar vom ersten Lieferer (Inland) – U1 – an den letzten Abnehmer (U3) in einen anderen Mitgliedstaat befördert oder versendet, stellen sich zwei Fragen: Wo ist der Leistungsort der jeweiligen Lieferung und welche ist die innergemeinschaftliche Lieferung (igLieferung)? Geklärt hat der EuGH bereits im Urteil "EMAG" (EuGH, Urteil vom 06.04.2006, C-245/04, BFH/NV Beilage 2006, 294, BFH/PR 2006, 319), dass eine Lieferung nach der anderen erfolgt und es bei dieser Konstellation nur eine igLieferung und einen igErwerb gibt. D.h. erst wenn der Zwischenerwerber die Verfügungsmacht erlangt hat, ist umsatzsteuerrechtlich eine Weiterlieferung möglich. Eine Befreiung der innergemeinschaftlichen Lieferung eines Gegenstands setzt voraus, dass (1) das Recht, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen, auf den Erwerber übertragen worden ist, (2) der Lieferant nachweist, dass dieser Gegenstand in einen anderen Mitgliedstaat versandt oder befördert worden ist und (3) dieser Gegenstand infolge dieser Versendung oder Beförderung den Liefermitgliedstaat physisch verlassen hat.

2. Zu prüfen ist danach zunächst, durch welche "Umstände" der Zwischenerwerber (U2) die Verfügungsmacht an dem Gegenstand erhalten hat. Dann ist – so der EuGH –, zu prüfen, durch welche Umstände der zweite Erwerber (U2) die Verfügungsmacht erhalten hat. Danac...

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