Leitsatz

Ein CMR-Frachtbrief ist auch dann als Versendungsbeleg i.S.v. § 17a Abs. 4 S. 1 i.V.m. § 10 Abs. 1 Nr. 2 UStDV anzuerkennen, wenn er nicht vom Auftraggeber des Frachtführers unterzeichnet ist (entgegen BMF-Schreiben vom 05.05.2010, BStBl I 2010, 508 Rdnr. 36 und entgegen Abschn. 6a.4 Abs. 3 S. 5 ­UStAE).

 

Normenkette

§ 3 Abs. 1, § 4, § 6a UStG 1999, § 17a Abs. 4 S. 1, § 10 Abs. 1 Nr. 2 UStDV 1999, § 41 AO, Art. 28c der 6. EG-RL

 

Sachverhalt

Der Kläger beanspruchte die Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen neuwertiger Kfz an Firmen in Italien, die von S (Inland) vertreten wurden. Die angeblichen Erwerber haben die Kfz an andere Abnehmer verkauft, die Kfz wurden direkt aus Deutschland zu diesen Abnehmern verbracht. Die angeblichen Erwerber hinterzogen die Erwerbsteuer. Das FA versagte die Steuerbefreiung wegen unzureichender Nachweise. Die Klage hatte Erfolg (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 20.05.2010, 12 K 247/06, Haufe-Index 2350917, EFG 2010, 1537).

 

Entscheidung

Die Revision führte zur Zurückverweisung. Die wesentlichen Gründe ergeben sich aus den Praxis-Hinweisen. Im Streitfall reichten die Feststellungen des FG nicht aus.

1. Wird nicht über die Abnehmer getäuscht und liegen Reihengeschäfte vor, ist die innergemeinschaftliche Lieferung nur einer Lieferung zuzuordnen. Erklärt der Ersterwerber gegenüber dem ersten Lieferer, er befördere den Gegenstand der Lieferung in einen anderen Mitgliedstaat als den Liefermitgliedstaat, handelt er dabei unter seiner USt-IdNr. und holt er den gelieferten Gegenstand beim ersten Lieferer ab, ist die Beförderung der ersten Lieferung zuzuordnen. Dass er dabei einen Fahrer und Lkw des Zweiterwerbers benutzt, ist ebenso wie die Anmietung eines Fahrzeugs und kurzfristige Beschäftigung eines Fahrers ohne Bedeutung. Auch die Beförderung zu einer anderen Adresse als der des Ersterwerbers führt nicht zu einer Zuordnung der Beförderung zur zweiten Lieferung.

2. Auch § 6a Abs. 4 S. 1 UStG ist bei einem Reihengeschäft zu beachten, wenn die Inanspruchnahme der Steuerfreiheit auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben nicht erkennen konnte. Gegenteiliges ergibt sich nicht aus dem EuGH-Urteil "R", das nur den Fall betrifft, dass der Lieferer „die Identität des wahren Erwerbers verschleiert hat, um diesem zu ermöglichen, die Mehrwertsteuer zu hinterziehen (EuGH, Urteil vom 07.12.2010, C-285/09, "R", BFH/NV 2011, 396, BFH/PR 2011, 59, Leitsatz).

 

Hinweis

Der BFH hat in zwei Entscheidungen (V R 28/10, BFH/NV 2011, 1448 und V R 30/10, BFH/NV 2011, 1451, BFH/PR 2011, 345) zu den Nachweispflichten bei innergemeinschaftlichen Lieferungen entschieden. Beide betreffen die Bedeutung der Nachweispflicht im Hinblick auf die Person und die Identität des Abnehmers.

1. Aufgrund der personenbezogenen Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Buchst. a und b, Nr. 3 UStG setzt die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung voraus, dass der Unternehmer nachweist, wer Abnehmer seiner Lieferung ist. Denn innergemeinschaftliche Lieferung und innergemeinschaftlicher Erwerb sind nach der EuGH-Rechtsprechung "ein und derselbe wirtschaftliche Vorgang" und dabei Teil eines "innergemeinschaftlichen Umsatzes", der bezweckt, die "Steuereinnahmen auf den Mitgliedstaat zu verlagern, in dem der Endverbrauch der gelieferten Gegenstände erfolgt". Verlagert wird die Steuer auf denjenigen, der den innergemeinschaftlichen Erwerb bewirkt, und damit auf den Abnehmer der Lieferung als sog. Erwerber. Der Erwerber muss daher bekannt sein.

2. Abnehmer/Erwerber ist, wer nach dem der Leistung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis als Auftraggeber berechtigt und verpflichtet ist, mithin derjenige, der nach dem der Lieferung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis die Verfügungsmacht erhalten soll. Ob diese Person auch auf eigene Rechnung tätig ist, spielt – wie der BFH zum Treuhand- und Strohmanngeschäft entschieden hat – keine Rolle. Scheingeschäfte sind dagegen für die Bestimmung des Abnehmers/Erwerbers unmaßgeblich. Gegenteiliges ergibt sich nicht aus dem BGH-Urteil vom 08.02.2011, 1 StR 24/10 (BFH/NV 2011, 1103), das für eine Gestaltung, die die Kriterien eines Scheingeschäfts erfüllt, den Begriff "Strohmanngeschäft" verwendet hat. Denn dort wurde die Steuerbefreiung für eine innergemeinschaftliche Lieferung beansprucht, obwohl alle Bedingungen dafür, wie der "Unternehmer" mit der "gelieferten" Ware zu verfahren hatte, bereits feststanden.

3. Zu den Nachweispflichten gehören auch (zutreffende) Angaben zur Person des Erwerbers (Abnehmers) wie Name, Anschrift und USt-IdNr. (§ 17c Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 UStDV). Kommt der Unternehmer den Nachweispflichten nicht oder nur unvollständig nach, erweisen sich die Nachweisangaben bei einer Überprüfung als unzutreffend oder bestehen zumindest berechtigte Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit der Angaben, die der Unternehmer nicht ausräumt, ist von der Steuerpflicht der Lieferung auszugehen. Trotz derartiger Mängel is...

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