Rz. 150

Auch bei einem solchen Webauftritt, der seinem "Charakter nach zwischen Anwenderprogrammen und Datensammlungen"[1] steht, stellt sich die Frage, ob die entspr. Aufwendungen aktivierungsfähig sind.[2] Dies setzt voraus, dass mit dem Webauftritt ein selbstständig verwertbarer und bewertungsfähiger Vermögensgegenstand geschaffen wird, dessen Aktivierung nicht verbotsbewehrt ist. Hinsichtlich des Webauftritts kann konstatiert werden, dass die Voraussetzungen für einen Vermögensgegenstand grundsätzlich erfüllt sind und dieser als immaterieller Vermögensgegenstand einzustufen ist.[3] Wurde dieser Vermögensgegenstand entgeltlich erworben, z. B. über einen Werkvertrag,[4] besteht eine Aktivierungspflicht. Andernfalls (also bei Vorliegen eines Dienstvertrags bzw. bei der Erstellung der Seiten durch eigenes Personal) ist steuerrechtlich das Aktivierungsverbot des § 5 Abs. 2 EStG und handelsrechtlich das Wahlrecht des § 248 Abs. 2 Satz 1 HGB zu beachten, weil davon auszugehen ist, dass die Netzseite dem Unternehmen auf Dauer dienen soll.

 

Rz. 151

Der Vermögensgegenstand "Domain-Adresse" ist dabei vom Vermögensgegenstand "Netzseite" (bzw. Website) zu trennen, weil – wie noch zu zeigen sein wird – diesbezüglich unterschiedliche Konsequenzen bei der Abschreibung zu berücksichtigen sind.[5] Unterschiedliche Auffassungen bestehen jedoch dahingehend, ob die Summe aller Netzseiten als ein einheitlicher Vermögensgegenstand anzusehen ist oder ob verschiedene Gruppen von Netzseiten jeweils zu einzelnen Vermögensgegenständen zusammenzufassen sind. Entscheidend hierfür ist der betriebliche Nutzungs- und Funktionszusammenhang, in dem die einzelnen Netzseiten stehen, sowie der Umfang des Internetauftritts. Bei einfach gestalteten Internetauftritten kann der Ansicht von Hütten[6] gefolgt werden, dass insgesamt lediglich ein Vermögensgegenstand anzunehmen ist. Je komplexer aber der Internetauftritt ist, umso mehr gewinnt die Einschätzung Kesslers[7] an Bedeutung, der einzelne Teilbereiche des Internetauftritts, etwa die Öffentlichkeitsarbeit, den Vertrieb, die Beschaffung sowie die Forschung und Entwicklung, jeweils als selbstständige Vermögensgegenstände beurteilt. Dabei werden sämtliche Webdateien mit allgemeinen Angaben dem Bereich der Öffentlichkeitsarbeit zugerechnet.

 

Rz. 152

Darüber hinaus grenzt Kessler[8] von den vorgenannten Bereichen solche Webdateien ab, die nicht der Selbstdarstellung oder Imagepflege dienen. Er rechnet dazu u. a. elektronische Produktkataloge, einzeln veräußerbare Produkte in Dateiform, Warenproben, Datenarchive sowie Mitarbeiter- und Kundeninformationen. Dem ist insoweit zuzustimmen, als diese Dateien nicht in einem einheitlichen Funktionszusammenhang mit der Unternehmensdarstellung stehen, häufig erst nach dem Internetauftritt eingefügt werden und damit nicht zwingend einen einheitlichen Vermögensgegenstand bilden müssen. Diese Unterscheidung hat zur Folge, dass in diesen und vergleichbaren Fällen jeweils geprüft werden muss, ob selbstständige Vermögensgegenstände vorliegen, was etwa bei Datensammlungen i. S. v. materiellen oder immateriellen Vermögensgegenständen der Fall sein kann (vgl. auch Rz. 59).[9]

 

Rz. 153

Es ist vom jeweiligen Einzelfall abhängig, ob die in Rz. 151 beispielhaft genannten Webdateien aktivierungsfähig sind oder nicht. Eine Aktivierungsfähigkeit liegt nicht vor, wenn ihr Nutzen wegen der extremen Schnelllebigkeit der Informationstechnologie und der modischen Trends im Bereich des sog. Web-Designs nicht über den Bilanzstichtag hinausreicht.[10] Dies wird auf Ausschreibungen und Online-Zeitungen sicherlich zutreffen; etwas anderes kann jedoch für Produktkataloge oder sog. Werbeclips gelten. Vor allem bei Produktkatalogen zeigt sich im Netz häufig eine überraschende Konstanz hinsichtlich des Aufbaus. Aktualisierungen werden hierbei gewöhnlich nur bei Änderungen der Produktdaten bzw. bei neuen Produkten vorgenommen. Die damit verbundenen Ausgaben sind dann unter dem Aspekt der Wartung des Netzauftritts bzw. des Produktkatalogs zu würdigen.

 

Rz. 154

vorläufig frei

[1] Schick/Nolte, DB 2002, S. 542.
[2] Vgl. Schick/Nolte, DB 2002, S. 542 ff.
[3] Vgl. Hütten, INF 1998, S. 165; Kessler, DB 1998, S. 1349; Siegler, Bilanzierung von Webdateien – Internet, Extranet und Intranet, 2001, S. 79 ff. A.A. Gockel/Gollers, BBK 2002, Fach 12, S. 6537, und auch Hüttche, BC 2002, S. 218 ff.
[4] Vgl. hierzu die Ausführungen zum entgeltlichen Erwerb von Software unter Rz. 51 ff., die analog bei Internetauftritten berücksichtigt werden können. Siehe auch Bader/Pickl, PiR 2006, S. 142.
[5] Siehe auch Eberlein, DStZ 2003, S. 677.
[6] Vgl. Hütten, INF 1998, S. 162.
[7] Vgl. Kessler, DB 1998, S. 1348.
[8] Vgl. Kessler, DB 1998, S. 1348. Siehe auch Siegler, Bilanzierung von Webdateien – Internet, Extranet und Intranet, 2001, S. 105 ff.
[9] Zu denken ist hier beispielsweise an die von verschiedenen Anbietern eingerichteten Datenbanken, die der Rechtsprechungsrecherche dienen.
[10] So Kessler, DB 1998, S. 1348.

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