Rz. 70

Erfolgt die vollständige Erstellung einer Individualsoftware auf der Basis eines Werkvertrags mit einem Dritten, liegt regelmäßig ein Fall der aktivierungspflichtigen Anschaffung vor, weil das wirtschaftliche Risiko bei dem Dritten liegt.[1]

Die Einbindung von Mitarbeitern des Auftraggebers in ein derartiges Projekt ändert an diesem Ergebnis nichts, solange das wirtschaftliche Risiko bei einem Dritten verbleibt. Die Aufwendungen für die eigenen Mitarbeiter sind dann als Anschaffungsnebenkosten anzusehen.[2]

 

Rz. 71

Wird die Individual-Software jedoch auf Basis eines Dienstvertrags entwickelt, liegt das wirtschaftliche Risiko beim Auftraggeber, was ein steuerrechtliches Aktivierungsverbot und ein handelsrechtliches Aktivierungswahlrecht nach sich zieht.[3] Kirnberger[4] weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass in der EDV-Branche übliche Entwicklungsverträge als Werkverträge Elemente, wie z. B. die Berechnung der Vergütung auf Basis geleisteter Stunden, enthalten, die sonst für Dienstverträge typisch sind. Er empfiehlt daher zur Sicherung eines Werkvertrags,

  • die Vergütung am tatsächlichen Aufwand zu orientieren und dabei u. U. Ober- und Untergrenzen zu vereinbaren sowie
  • den Dritten für den Fall des Nichteintritts des Erfolgs dazu zu verpflichten, einen Teil der bereits erhaltenen Vergütung an den Auftraggeber zurückzuzahlen, um so die vollständige Überwälzung des Herstellerrisikos auf den Auftraggeber zu vermeiden.
 

Rz. 71a

Wird (variable) Standardsoftware erworben, liegt in der Regel der Erwerb eines Nutzungsrechts auf Basis eines Kaufvertrags vor, wobei typprägend die unbefristete Überlassung des Nutzungsrechts ist.[5] In Bezug auf Anpassungen der Software gibt es in der Rechtsprechung eine (wenn auch restriktive) Tendenz, nach der bei einem Erwerb mit gleichzeitiger Anpassung der Standardsoftware ein Werkvertrag vorliegen soll.[6] Unabhängig von der juristischen Einordnung liegt grundsätzlich (zu den weiteren Fällen siehe Rz. 72) im Hinblick auf die Bilanzierung in der handels- bzw. steuerlichen Rechnungslegung ein entgeltlicher Erwerb vor, der aktivierungspflichtig ist. Auch die Aufwendungen, um die Software in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen, sind in diesem Kontext sowohl handelsrechtlich als auch steuerrechtlich zu aktivieren.

 

Rz. 71b

Liegt eine nicht aktivierungsfähige Nutzung einer Software vor, die z. B. auf den in Rz. 69 erwähnten Modellen beruht, ist dieser Sachverhalt im Kern als (Software-)Mietvertrag zu qualifizieren.[7] Aufgrund des nach handelsrechtlicher bzw. steuerlicher Wertung nicht vorhandenen Anschaffungs- bzw. Herstellungsvorgangs der Software ist eine Aktivierung der Aufwendungen, die dem Anwender für die Konfiguration oder das Customizing entstehen, als Anschaffungsnebenkosten des Vermögensgegenstands bzw. Wirtschaftsguts "Software" nicht möglich. Zu einer eigenständigen Aktivierung dieser Aufwendungen bspw. im Rahmen der "Aufwendungen, um die Software in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen" (sog. Inbetriebsetzungsaufwendungen) als separaten Vermögensgenstand vgl. Rz. 108a ff.

 

Rz. 71c

Erfolgt die Beschaffung der Software mittels eines Leasingvertrages, ist für die wirtschaftliche Zurechnung der erworbenen Software bzw. des Nutzungsrechts, in aller Regel der ERP-Erlass des BMF maßgeblich.[8] Zur Bilanzierung von geleaster Software vgl. Rz. 106a ff.

[1] Vgl. IDW RS HFA 11, Rz. 10; DRS 24.28.
[2] Vgl. Scharfenberg/Marquardt, DStR 2004, S. 197 f.
[3] Vgl. Justenhoven/Usinger, in Grottel/Justenhoven/Schubert/Störk, Beck'scher Bilanz-Kommentar, 2022, § 248 HGB Rz. 38.
[4] Vgl. Kirnberger, EStB 1999, S. 303 f.
[5] Vgl. Ammann, in Taeger/Pohle, Computerrechts-Handbuch, 32.2 Rz. 46, Stand 3/2021.
[6] Vgl. Hoeren, IT-Verträge, in von Westfalen/Pamp/Thüsing, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, Rz. 5, Stand 8/2021.
[7] Vgl. Hoeren, IT-Verträge, in von Westfalen/Pamp/Thüsing, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, Rz. 160 Stand 8/2021; Lehmann/Spindler, in Loewenheim, Handbuch des Urheberrechts, 3. Aufl. 2021, § 82 Rz. 47.

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