Rz. 62

Ein immaterielles Wirtschaftsgut, wie Software, darf gem. § 5 Abs. 2 EStG vom Anwender steuerrechtlich nur dann im Anlagevermögen aktiviert werden, wenn dieser es entgeltlich erworben hat. Dieses Bilanzierungsverbot betrifft sowohl selbst geschaffene als auch unentgeltlich von Dritten beschaffte immaterielle Wirtschaftsgüter, z. B. Shareware[1] bzw. Freeware.[2] Dieses steuerrechtliche Aktivierungsverbot kann mit der mangelnden Objektivierbarkeit des Wertansatzes infolge des Fehlens einer Gegenleistung an einen Dritten begründet werden.

 

Rz. 63

Ein Erwerb liegt vor, wenn die Verfügungsmacht über den Vermögensgegenstand bzw. das Wirtschaftsgut, also das wirtschaftliche Eigentum, von einem Dritten auf den Bilanzierenden übergegangen ist. Dies kann bei Software auf Basis eines Kaufvertrags oder eines Werklieferungsvertrags geschehen. Darüber hinaus liegt ein Erwerb aber auch dann vor, wenn ein Nutzungsrecht überlassen wird.[3]

 

Rz. 64

Ein derartiger Erwerb ist schließlich entgeltlich, wenn in unmittelbarem Zusammenhang mit dem erworbenen immateriellen Vermögensgegenstand bzw. Wirtschaftsgut eine Gegenleistung erbracht wird, deren Wert zumindest objektiviert feststellbar ist und dem des Vermögensgegenstands bzw. Wirtschaftsguts entspricht.[4] Dementsprechend fehlt bei vom Anwender für eigene Zwecke entwickelter Software ein entgeltlicher Erwerb mit der Konsequenz des steuerrechtlichen Aktivierungsverbots für die damit verbundenen Ausgaben.

 

Rz. 65

Für einen entgeltlichen Erwerb ist es nach der in Teilen der Literatur[5] vertretenen Auffassung nicht erforderlich, dass die Software zum Zeitpunkt des Vermögensübergangs bereits fertiggestellt ist. Vielmehr soll es ausreichen, wenn die Software erst durch das Erwerbsgeschäft oder auf Seiten des Erwerbers entsteht, indem verschiedene, von einem oder mehreren Dritten stammende Programmteile beim Auftraggeber zusammengefügt werden. Dieser Auffassung kann in dieser Allgemeinheit nicht gefolgt werden, weil bei dieser Konstellation nicht eindeutig ist, ob letztlich eine Anschaffung oder ein Fall der Herstellung vorliegt. Entscheidend hierfür ist vielmehr, wer – der Erwerber oder ein Dritter – die Programmteile zusammenfügt und auf welcher rechtlichen – dienst- oder werkvertraglichen – Grundlage dies erfolgt. Schließlich ist zu beachten, dass der Übergang zwischen einem – die Aktivierungspflicht auslösenden – Anschaffungsvorgang und einem – steuerlich zum Aktivierungsverbot führenden – Herstellungsvorgang fließend sein kann.[6] Entscheidend für die steuerrechtliche Behandlung ist daher im Regelfall, wer – insbesondere bei der Entwicklung von Individualsoftware – als Hersteller auftritt. Dies ist nach der Rechtsprechung des BFH derjenige, der das Risiko der Herstellung trägt und das Herstellungsgeschehen bestimmt.[7] Hierüber entscheidet letztlich die zivilrechtliche Vertragsgestaltung (vgl. Rz. 70 f.).[8]

 

Rz. 66

Bezüglich der handelsrechtlichen Rechnungslegung ist gem. § 248 Abs. 2 Satz 1 HGB ein Ansatzwahlrecht für selbst geschaffene immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens zu beachten. Für beim Anwender für eigene Zwecke entwickelte Software besteht hinsichtlich der damit verbundenen Aufwendungen entsprechend ein Wahlrecht, diese zu aktivieren oder als Aufwand zu verbuchen. Entsprechend ist im Fall der Aktivierung eine Unterscheidung in Forschung und Entwicklung notwendig, weil Forschungskosten gem. § 255 Abs. 2a HGB nicht aktiviert werden dürfen. Da gem. § 246 Abs. 3 HGB die Ansatzmethoden beizubehalten sind, ist im Hinblick auf das in Rede stehende Ansatzwahlrecht die Stetigkeit zu wahren. Erfolgte somit bei Herstellung einer bestimmten Software eine Aktivierung, müssen entsprechende Herstellungskosten für andere Programme nicht nur innerhalb desselben Geschäftsjahrs, sondern auch zukünftig einheitlich aktiviert werden. Auf eine Gleichartigkeit der Software kommt es dabei nicht an.[9]

 

Rz. 67

Ausgehend vom Vollständigkeitsgebot des § 246 Abs. 1 Satz 1 HGB besteht handels- und steuerrechtlich schließlich eine Aktivierungspflicht für selbst hergestellte Software, z. B. eines Softwareherstellers, welche veräußert werden soll, weil diese schließlich im Umlaufvermögen auszuweisen ist.[10]

 

Rz. 68

Durch Schenkung oder durch kostenloses Herunterladen erworbene immaterielle Software gilt als nicht entgeltlich erworben. Geschenkte und kostenfrei erhaltene Software gehört nicht zu den gem. § 248 Abs. 2 Satz 1 HGB einem Wahlrecht unterliegenden selbst geschaffenen Vermögensgegenständen des Anlagevermögens. Sofern es sich nicht um Positionen gem. § 248 Abs. 2 Satz 2 HGB handelt, deren Aktivierung verboten ist, ist daher i. S. einer Negativabgrenzung von einer Aktivierungspflicht auszugehen (§ 246 Abs. 1 HGB).[11]

 

Rz. 69

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