Bessere Prämissen wichtiger als Echtzeitdaten

Des Weiteren ist der Wunsch nach besseren Forecasts auf Basis von Industrie 4.0 verständlich. Schon immer ist der Blick in die Zukunft eine große Herausforderung, vor allem in Zeiten, in denen die Arbeitswelt dynamischer, vielfältiger und damit noch unüberschaubarer wird. Ob die Ausweitung des Datenumfangs und kürzere Prognosezyklen (permanent in Echtzeit!) wirklich helfen, mag ebenfalls angezweifelt werden. Echtzeitdaten erhöhen zunächst nur das Datenvolumen und nicht die Informationsqualität. Zumal einer qualitativ hochwertigen Prognose weniger Ist- oder gar Vergangenheitsdaten zu Grunde gelegt werden sollten, sondern eine Abschätzung von Prämissen, die in der Zukunft liegen. Gerade in Zeiten hoher Volatilität erscheint eine Regressionsanalyse auf Basis von gegenwartsbasierten Echtzeitdaten für den Blick in die Zukunft nicht ausreichend.

Blick in die Zukunft bleibt schwierig

Bewegt sich das Unternehmen zudem in einem in einem dynamischen Umfeld, wo selten repetitive Situationen vorherrschen, so erschwert dies Prognosen erheblich. Die hohe Dynamik birgt die Gefahr nicht prognostizierbarer Trendbrüche, die dann Pläne und Forecasts ad absurdum führen. Planungen und Prognosen erfordern in einem dynamischen Umfeld häufige Anpassungen. Diese kosten Zeit und Geld, weshalb oftmals situatives und intuitives Handeln die betriebliche Praxis bestimmt. Für verlässliche Planungen und Prognosen auf Basis von echtzeitbasierten Daten kommen deshalb im Grunde nur solche Bereiche in Betracht, die durch eine hohe Stabilität des Handlungsumfeldes gekennzeichnet sind. Andererseits sind aber genau hier der Erkenntniszuwachs und damit der Nutzen für das Management vergleichsweise klein.

Eine weitere Schwierigkeit bei echtzeitbasierten Prognosen ist darin zu sehen, dass bei einer Ausweitung des verfügbaren Datenumfangs oftmals auch mehr Ursachen-Wirkungs-Zusammenhänge statistisch signifikant werden.[1] Dies wiederum erschwert das Erkennen von Trends und vor allem das Finden von Maßnahmen zur Korrektur von Fehlentwicklungen.

Zurück zum Lean Controlling!

Vielleicht sollte man sich vor diesem Hintergrund eher wieder auf Diskussionen früherer Jahre zurückbesinnen, in der vor einem Planungsperfektionismus des Controllings gewarnt wurde.[2] Statt nach einer hohen Planungsgenauigkeit durch eine größere Datenbasis in Echtzeit zu streben sollte man sich, gerade in Zeiten steigender Dynamik und Volatilität, auf die wenigen, aber wirklich essenziellen Leistungsindikatoren konzentrieren. Und auch mit Blick auf das oftmals geforderte "Lean Controlling" erscheint an Stelle einer Erhöhung der Planungsgenauigkeit eine Reduktion vermutlich sinnvoller. Insofern ist die Erwartung von besseren Forecasts auf Basis von Echtzeitdaten eher mit Skepsis zu betrachten.

[1] Vgl. Obermaier u. a., 2017, S. 133.
[2] Vgl. Weber, 1994, S. 387 f.

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