Als einer der ersten hat sich die "Ideenwerkstatt des Internationalen Controller Vereins (ICV)" mit möglichen Auswirkungen von Industrie 4.0 auf das Controlling in Industriebetrieben beschäftigt und – eher thesen- statt faktenbasiert – Neuerungen im Aufgabenspektrum von Controllern beschrieben.[1] Bei der dadurch ausgelösten Diskussion in Wissenschaft und Praxis stehen 3 für das Controlling interessante Fragen im Fokus:

  1. Ermöglichen Industrie 4.0-Konzepte eine flexiblere Unternehmens-, insbesondere Produktionsplanung, und Budgetierung?
  2. Kann auf Basis von Echtzeitdaten die Erstellung von Prognosen im Unternehmen verbessert werden?
  3. Inwieweit lässt sich mit Industrie 4.0 die vorbeugende Fehlervermeidung verbessern?
[1] Vgl. ICV, 2015, S. 31.

3.1 Flexible Produktionsplanung und Budgetierung

Industrie 4.0 löst zunächst neue Anforderungen vor allem im Produktionsmanagement und weniger beim Controlling aus. Im Rahmen dieser Diskussion wird darauf hingewiesen, dass der Controller auf Grund der zunehmenden Volatilität, ausgelöst durch eine steigende Flexibilität der Fertigung, künftig "für die Vereinfachung und flexible Anpassungsfähigkeit der strategischen und operativen Produktionsplanung maßgeblich Verantwortung tragen"[1] müsse. Mithilfe von Flexibilitäts-Scorecards, Sensitivitätsanalysen und Stresstests – wie auch immer diese im Detail aussehen mögen – sei die Ressourcenplanung und -steuerung flexibler auszugestalten. Er müsse ein "hohes Resilienzpotenzial in der Produktion sicherstellen und atmende Systeme implementieren",[2] ein Wunsch, den der Controller allenfalls anregen, nie aber umsetzen kann, ohne zum Produktionsmanager zu werden.

Flexibilität durch Lean-Production-Konzepte

Zudem wurden mit der Neuregelung von Arbeitszeitmodellen (u. a. Überzeitregelungen, Einsatz von Leiharbeitern), schlanken und teilweise sich selbststeuernden Fertigungskonzepten (z. B. Kanban), Einführung von One-Piece-Flow-Strategien Fertigungsprinzipien umgesetzt, mit denen man bereits heute eine hohe Flexibilität in der Fertigung realisieren kann. Die in den letzten Jahren in vielen Unternehmen gesunkenen Gewinnschwellenmengen und die Umwandlung von Fixkosten in variable Kosten (z. B. durch Outsourcing-Strategien, Flexibilisierung der Arbeitszeiten und -kräfte) sind hierfür ein Beleg.

Höhere Transparenz scheitert oft am Willen

Weitere Veränderungen werden in Bezug auf die operative Planung und Budgetierung erwartet. Stichworte wie "höhere Transparenz der Produktionskosten", "flexible Budgetierung", "dezentrale Kostenerhebung" und "modulare Kostenzurechnung" werden hier genannt.[3] Dabei wird jedoch verkannt, dass mit den Instrumenten der flexiblen Plankostenrechnung und der Prozesskostenrechnung bereits schon seit Jahren vielfältige Kostenanalyse-Tools zur Verfügung stehen und Standard-Abweichungs-Analyse oder individuelle Sonderrechnungen ermöglichen. Tatsächlich liegt das Problem weniger beim vermeintlich fehlenden Instrumentarium, sondern beim Willen des Managements dieses konsequent zu nutzen. Unternehmerische Intuition hat gegenüber betriebswirtschaftlicher Methodik in vielen Unternehmen, insbesondere bei KMUs, noch heute einen hohen Stellenwert. Nach wie vor scheuen viele Manager, gerade in stark technisch getriebenen Unternehmen, den zur Erreichung einer höheren Kostentransparenz erforderlichen Organisations- und Verwaltungsaufwand (mehr Kostenstellen, dezentrale Kostenverantwortliche, höherer Koordinationsaufwand).

[1] Gleich u. a., 2016, S. 82.
[2] Vgl. Gleich u. a., 2016, S. 82.
[3] Vgl. Gleich u. a., 2016, S. 81.

3.2 Bessere Forecasts auf Basis von Echtzeitdaten

Bessere Prämissen wichtiger als Echtzeitdaten

Des Weiteren ist der Wunsch nach besseren Forecasts auf Basis von Industrie 4.0 verständlich. Schon immer ist der Blick in die Zukunft eine große Herausforderung, vor allem in Zeiten, in denen die Arbeitswelt dynamischer, vielfältiger und damit noch unüberschaubarer wird. Ob die Ausweitung des Datenumfangs und kürzere Prognosezyklen (permanent in Echtzeit!) wirklich helfen, mag ebenfalls angezweifelt werden. Echtzeitdaten erhöhen zunächst nur das Datenvolumen und nicht die Informationsqualität. Zumal einer qualitativ hochwertigen Prognose weniger Ist- oder gar Vergangenheitsdaten zu Grunde gelegt werden sollten, sondern eine Abschätzung von Prämissen, die in der Zukunft liegen. Gerade in Zeiten hoher Volatilität erscheint eine Regressionsanalyse auf Basis von gegenwartsbasierten Echtzeitdaten für den Blick in die Zukunft nicht ausreichend.

Blick in die Zukunft bleibt schwierig

Bewegt sich das Unternehmen zudem in einem in einem dynamischen Umfeld, wo selten repetitive Situationen vorherrschen, so erschwert dies Prognosen erheblich. Die hohe Dynamik birgt die Gefahr nicht prognostizierbarer Trendbrüche, die dann Pläne und Forecasts ad absurdum führen. Planungen und Prognosen erfordern in einem dynamischen Umfeld häufige Anpassungen. Diese kosten Zeit und Geld, weshalb oftmals situatives und intuitives Handeln die betriebliche Praxis bestimmt. Für verlässliche Planungen und Prognosen auf Basis von echtzeitbasierten Daten kommen ...

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