Leitsatz

  1. Der Überschuss aus der Veräußerung von Indexzertifikaten mit einer garantierten Mindestrückzahlung ist nur hinsichtlich des Teils steuerbar, der der garantierten Mindestrückzahlung zuzuordnen ist.
  2. Soweit der Steuerpflichtige das der Höhe nach eindeutig bestimmbare Risiko eines Kapitalausfalls eingegangen ist, entfällt der bei Veräußerung der Zertifikate erzielte Überschuss im Rahmen des § 20 EStG auf den nicht steuerbaren Bereich.
  3. Die Höhe des steuerpflichtigen Teils des insgesamt erzielten Überschusses bestimmt sich nach der Relation zwischen der Mindestrückzahlung und der Differenz zwischen Nominalbetrag der Anlage und Mindestrückzahlung (Risikobereich).
 

Sachverhalt

Die K erwarb am 28.5.1998 100 €uro-Zertifikate im Nominalwert von 1000 US-$ für 975 US-$ je Stück. Verfallstag war der 17.6.2002. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Inhaber einen ungesicherten, nicht bevorrechtigten Anspruch gegen die Emittentin auf den Rückzahlungsbetrag. Dieser errechnete sich nach dem Verhältnis des Endniveaus das Referenzzinsindexes zu dessen Anfangsniveau. Als Mindestrückzahlungsbetrag waren 100 US-$ zugesichert. Die Index-Zertifikate wurden an der Börse notiert und waren frei handelbar. Am 13.11.2000 verkaufte die K die Zertifikate und erzielte einen Überschuss i. H. v. 101.401 DM.

In ihrer Einkommensteuererklärung gab K den Erlös nicht als Einkünfte aus Kapitalvermögen an, legte den Sachverhalt aber gegenüber dem Finanzamt offen. Das Finanzamt behandelte die Einkünfte als solche aus Kapitalvermögen i. S. des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 des EStG i. d. F. StÄndG 2001 und setzte die ESt für 2000 entspr. fest. Der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage gab das Finanzgericht statt (FG München, Urt. v. 4.5.2004 2 K 2385/03, EFG 2005 S. 1868).

 

Entscheidung

Auf die Revision des Finanzamts hat der BFH die FG-Entscheidung aufgehoben. Er hat der Klage im Ergebnis aber nur zum Teil stattgegeben. Der bei der Veräußerung der Zertifikate erzielte Überschuss von 101.401 DM (51.845,50 EUR) ist nur zum Teil steuerbar. In Höhe von 5.184,55 EUR sind Einkünfte aus Kapitalvermögen i. S. von § 20 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 Buchst. c, Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG gegeben; der darüber hinausgehende Betrag in Höhe von 46.660,95 EUR unterliegt als Wertänderung des Kapitalvermögens nicht der ESt.

Gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 Buchst. c Alternative 2 EStG zählen zu den Einkünften aus Kapitalvermögen auch Einnahmen aus der Veräußerung/Einlösung von sonstigen Kapitalforderungen i. S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG, bei denen die Höhe der Erträge von einem ungewissen Ereignis abhängt, soweit sie der rechnerisch auf die Besitzzeit entfallenden Emissionsrendite entsprechen. Haben die Kapitalforderungen keine Emissionsrendite - wie hier - oder weist der Steuerpflichtige diese nicht nach, gilt gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG der Unterschied zwischen dem Entgelt für den Erwerb und den Einnahmen aus der Veräußerung, Abtretung oder Einlösung als Kapitalertrag. Gemäß Satz 4 ist für die Einlösung bei Endfälligkeit von Kapitalforderungen entspr. zu verfahren.

Die Euro-Zertifikate sind sonstige Kapitalforderungen i. S. von § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG, Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 Buchst. c EStG. Der Anleger erwirbt damit eine auf Geldleistung gerichtete Forderung gegen den Emittenten auf (Rück-)Zahlung eines Geldbetrags, dessen Höhe vom Punktestand des Euro-Indexes am vereinbarten Abrechnungstag abhängt, mindestens jedoch auf Zahlung von 100 US-$ je Zertifikat. Es handelt sich auch nicht um ein bloßes Spekulationspapier, dessen Erträge insgesamt nicht steuerbar sind.

Der Tatbestand der Alternative 1 des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG verlangt nicht, dass die Rückzahlung des gesamten überlassenen Geldbetrags zugesagt oder gewährt wird. Der Gesetzgeber hat mit der Neufassung des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG den bisherigen Zinsbegriff erweitert. Ein steuerpflichtiger Kapitalertrag kann danach auch dann gegeben sein, wenn nur die Zahlung eines Entgelts, nicht aber die Rückzahlung des Kapitals selbst verbindlich zugesagt worden ist, der Anleger im wirtschaftlichen Ergebnis also das Risiko eines Teilverlustes trägt. Nichts anderes gilt, wenn dem Anleger kein Entgelt, wohl aber die Rückzahlung nur eines Teils des eingesetzten Kapitals zugesagt worden ist. Dann trägt er in vergleichbarer Weise das Risiko, den über die garantierte Rückzahlung hinausgehenden Geldbetrag zu verlieren.

Dass Argument, bei einer sehr geringen Rückzahlungsgarantie widerspreche die Erfassung der Erträge aus Kursdifferenzpapieren dem Zweck des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG, Erträge rein spekulativer Anlagen von der Besteuerung nach § 20 EStG auszunehmen und deshalb müsse eine Geringfügigkeitsgrenze gezogen werden, unterhalb derer eine Teilrückzahlungsgarantie nicht zu steuerpflichtigen Erträgen führe, hat der BFH verworfen. Weder gibt es im Gesetz Anhaltspunkte für eine Geringfügigkeitsgrenze noch besteht überhaupt Veranlassung zu der Prüfung, ob eine solche Grenze verf...

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