Rz. 80

Das Kriterium der Identifizierbarkeit (Identifiability) setzt voraus, dass der künftige wirtschaftliche Nutzen aus dem Vermögenswert identifiziert werden kann. Somit lässt sich ein immaterieller Vermögenswert von einem Geschäfts- oder Firmenwert, der im Rahmen eines Unternehmenserwerbs der Unternehmung oder im Falle eines Konzerns dem Konzernvermögen zugeflossen ist, abgrenzen,[1] womit die Identifizierbarkeit dem Kriterium der Greifbarkeit nach deutschem Bilanzrecht entspricht.[2] Identifizierbar sind solche Vermögenswerte, die separierbar sind, d. h. vom Unternehmen getrennt und veräußert, vermietet oder getauscht werden können (IAS 38.12(a)). Aufgrund der fehlenden Separierbarkeit können Aufwendungen bspw. für Werbekampagnen sowie Aufwendungen für die Gründung des Geschäftsbetriebs nicht aktiviert werden.[3] Die Separierbarkeit ist eine hinreichende, aber keine notwendige Voraussetzung für die Aktivierung eines Vermögenswerts.[4] Das Kriterium der Identifizierbarkeit liegt nach IAS 38.12 (b) auch dann vor, wenn ein vertragliches (etwa durch einen Lizenzvertrag) oder ein gesetzliches Recht besteht.[5]

 

Rz. 81

Mit der Forderung nach dem nicht monetären Charakter der Vermögenswerte sollen immaterielle Güter vom finanziellen Vermögen abgegrenzt werden.[6] Dazu wird allerdings in IAS 38.8 eine "negative" Definition für "monetäre Güter" (monetary assets) vorgenommen. Danach werden monetäre Vermögenswerte als der Kassenbestand sowie als Vermögenswerte, die einen Anspruch auf einen bestimmten oder festlegbaren Geldbetrag begründen, bestimmt.

 

Rz. 82

Immaterielle Vermögenswerte sind durch das Fehlen einer physischen Substanz gekennzeichnet. Allerdings treten häufig Abgrenzungsprobleme zwischen materiellen und immateriellen Vermögenswerten auf, wenn die Vermögenswerte sowohl physische als auch immaterielle Komponenten enthalten.[7] In diesem Fall wird die Wesentlichkeit der beiden Komponenten als Entscheidungskriterium herangezogen (IAS 38.4). Jedoch sind in IAS/IFRS keine Kriterien zur Beurteilung der Wesentlichkeit vorhanden.[8] Es wird lediglich beispielhaft in IAS 38.4 auf die Bilanzierung von Software hingewiesen. Wird die Software auf Disketten oder Prototypen gespeichert, so ist sie trotz dieser materiellen Bestandteile als immaterielles Vermögen anzusetzen. Dagegen ist die Software einer computergestützten Maschine zusammen mit der Maschine als materieller Vermögenswert zu aktivieren.[9]

 

Rz. 83

Die Verfügungsmacht (Control) des Unternehmens über den immateriellen Vermögenswert liegt vor, wenn das Unternehmen den wirtschaftlichen Nutzen aus dem Vermögenswert bezieht und seine Verwendung durch Dritte beschränken kann (IAS 38.13). Die Kontrolle beinhaltet die Geltendmachung von gerichtlich durchsetzbaren subjektiven Rechten (Enforceable Legal Rights). Ein Beispiel dazu ist die Nutzung von einem gesetzlich geschützten Patent zur Produktion von bestimmten Produkten.[10] Der wirtschaftliche Nutzen kann auch durch Marktkenntnisse oder technische Kenntnisse entstehen, sofern dieses Wissen geschützt werden kann (IAS 38.14). Dies gilt insbesondere für im Rahmen von Forschungstätigkeiten erworbenes Wissen der Mitarbeiter des Unternehmens, das durch gesetzliche oder vertragliche Vertraulichkeitspflichterklärungen der Arbeitnehmer geschützt ist. Allgemeines Know-how der Mitarbeiter unterliegt jedoch nicht der Kontrolle des Unternehmens, da die Mitarbeiter jederzeit – unter Beachtung der gesetzlichen Kündigungsfristen – das Unternehmen verlassen können.[11] Aus diesem Grund sind z. B. Aufwendungen für die Aus- und Weiterbildung des Personals nicht aktivierungsfähig.[12] Die Verfügungsmacht muss ihre Grundlage in einem vergangenen Ereignis haben. Dies bedeutet, dass die der Kontrolle zugrunde liegenden Rechtsansprüche bereits vor dem Bilanzstichtag entstanden sein müssen.[13]

 

Rz. 84

Der künftige wirtschaftliche Nutzen (Future Economic Benefit) setzt die Entstehung eines Vorteils voraus. Dieser kann sich nach IAS 38.17 als Erlös aus dem Verkauf von Produkten oder der Erbringung von Dienstleistungen, als Kosteneinsparung oder als anderer Vorteil aus der Eigenverwendung des Vermögenswerts ergeben.

[1] Vgl. Bieg/Kußmaul/Waschbusch, Externes Rechnungswesen, 6. Aufl. 2012, S. 492.
[2] Vgl. Theile, Immaterielle Vermögenswerte des Anlagevermögens (IAS 38), in Heuser/Theile, IFRS-Handbuch, 6. Aufl. 2019, Kap. 13 Rz. 13.23.
[3] Vgl. Wehrheim, DStR 2000, S. 87.
[4] Vgl. Pellens/Fülbier/Gassen/Sellhorn, Internationale Rechnungslegung, 10. Aufl. 2017, S. 388 f.
[5] Vgl. von Keitz/Grote/Hansmann, IFRS auf einen Blick, 2. Aufl. 2019, S. 77.
[6] Vgl. Achleitner/Behr/Schäfer, Internationale Rechnungslegung, 4. Aufl. 2009, S. 94; Baetge/von Keitz, in Baetge u. a., Rechnungslegung nach IFRS, Kommentar auf der Grundlage des deutschen Bilanzrechts, IAS 38 Rz. 18, Stand: Juni 2020.
[7] Vgl. Küting/Dawo, StuB 2002, S. 1159.
[8] Vgl. Baetge/von Keitz, in Baetge u. a., Rechnungslegung nach IFRS, Kommentar auf der Grundlage des deutschen Bilanzrechts, I...

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