Rz. 21

Im Unterschied zu den bisher aufgezeigten Gütern ist der Geschäfts- oder Firmenwert ein Gesamtwirtschaftsgut, dessen wertbildende Bestandteile nicht selbstständig erfasst werden können.[1] Der Geschäfts- oder Firmenwert, der nur über eine Gesamtbewertung des Unternehmens ermittelt werden kann, "ist gleich der Differenz zwischen dem Ertragswert (Wert des nachhaltig zu erwartenden kapitalisierten Reinertrages) und dem Teilreproduktionswert (Summe der Wiederbeschaffungskosten aller selbstständig bilanzierungsfähigen Vermögensgegenstände)".[2] Trotz der Versuche der Aufspaltung des Firmenwerts in die Bestandteile der nicht bilanzierungsfähigen immateriellen Werte (wie guter Ruf, Organisation, Kundenstamm), in den Kapitalisierungsmehrwert und den Verlust (als Folge der Abfindungszahlung für einen lästigen Gesellschafter)[3] ist der Geschäfts- oder Firmenwert eine Differenzgröße, die die Gewinnchancen zum Ausdruck bringt, die nicht in den einzelnen materiellen und immateriellen Vermögensgegenständen bzw. Wirtschaftsgütern verkörpert und konkretisiert sind.[4] Für die Bilanzierung ist die Unterscheidung zwischen originärem, d. h. selbst geschaffenem, und derivativem, d. h. dem auf dem Markt bestätigten, Geschäfts- oder Firmenwert maßgebend. Der derivative Geschäfts- oder Firmenwert ist der Teil des originären Geschäfts- oder Firmenwertes, der sich beim Übergang eines Unternehmens im Kaufpreis oder bei der Ermittlung des Firmenwertanteils bei Eintritt oder Ausscheiden eines Gesellschafters äußert.[5]

 

Rz. 22

Die Interpretationen des Begriffs "Vermögensgegenstand" auf der Grundlage der selbstständigen Verkehrsfähigkeit ließen vor der Verabschiedung des BilMoG die Zuordnung des Geschäfts- oder Firmenwerts zum Bilanzvermögen ebensowenig zu wie die Heranziehung des Kriteriums der selbstständigen Bewertungsfähigkeit.[6] Trotz der gliederungsmäßigen Einordnung des Geschäfts- oder Firmenwerts unter den immateriellen Vermögensgegenständen war er – schon wegen des in § 255 Abs. 4 HGB a. F. vorgesehenen Wahlrechts – als Bilanzierungshilfe anzusehen, die lediglich gliederungsmäßig dem immateriellen Vermögen zugerechnet wurde. Die damalige Gesetzeslage war "dadurch charakterisiert, dass der derivative Geschäfts- oder Firmenwert unter den Vermögensgegenständen angeführt, also vom Gesetz trotz fehlender Einzelveräußerbarkeit als Vermögensgegenstand gesehen" wurde, und dass er auch in der Folge wegen der Möglichkeit zur planmäßigen Verteilung auf die Jahre seiner Nutzung als "voll bewertbar" angesehen werden konnte.[7] Allerdings stellte er im Unterschied zu einzelnen Vermögensgegenständen (wie z. B. dem rechtlich nicht geschützten Know-how) kein greifbar werthaltiges Einzelobjekt dar.

Durch das BilMoG wurde § 246 Abs. 1 Satz 4 HGB in das HGB implementiert, der den derivativen Geschäfts- oder Firmenwert qua Fiktion als zeitlich begrenzt nutzbaren Vermögensgegenstand definiert. Für diesen gelten künftig die allgemeinen Abschreibungsregeln des § 253 HGB. So sieht § 253 Abs. 3 Sätze 1 und 2 HGB eine planmäßige Abschreibung über die individuelle betriebliche Nutzungsdauer des derivativen Geschäfts- oder Firmenwerts vor, wobei eine Schätzung der Nutzungsdauer zu Beginn des Erwerbs zu erfolgen hat. Sofern die voraussichtliche Nutzungsdauer des derivativen Geschäfts- oder Firmenwerts nicht verlässlich geschätzt werden, sieht § 253 Abs. 3 Satz 3 i. V. m. Satz 4 HGB eine Besonderheit vor, die durch das BilRUG Eingang in das Handelsrecht fand. In diesen Ausnahmefällen sind planmäßige Abschreibungen auf die Herstellungskosten über einen Zeitraum von 10 Jahren vorzunehmen.[8]

 

Rz. 23

Steuerrechtlich besteht für den derivativen Geschäfts- oder Firmenwert ein Aktivierungsgebot, das aus § 5 Abs. 2 EStG abgeleitet wird.[9] Der BFH sieht den Geschäfts- oder Firmenwert aufgrund der früheren Regelung des § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG, in der er ausdrücklich als nicht abnutzbares Wirtschaftsgut erwähnt wurde, als aktivierungspflichtiges Wirtschaftsgut an.[10] Obwohl dem Geschäfts- oder Firmenwert nur dann der Charakter eines Wirtschaftsgutes zugesprochen werden kann, wenn das Kriterium der selbstständigen Bewertbarkeit im Sinne einer gesamtwertabhängigen Bewertbarkeit aufgefasst wird,[11] wird er wegen der Regelung des § 7 Abs. 1 Satz 3 EStG auch weiterhin – unter Berufung auf die ausdrückliche gesetzliche Bestimmung – als Wirtschaftsgut angesehen werden.

 

Rz. 24

Neben dem Geschäfts- oder Firmenwert werden in der steuerlichen Rechtsprechung noch sog. geschäfts- oder firmenwertähnliche immaterielle Wirtschaftsgüter unterschieden, die deshalb nicht dem immateriellen Gesamtwirtschaftsgut zugeordnet werden, weil sie als einzeln bilanzierungs- und bewertungsfähig beurteilt werden. Firmen- oder geschäftswertähnliche Wirtschaftsgüter sind Rechtspositionen oder faktische Verhältnisse, die mit dem Unternehmen und dessen Gewinnchancen unmittelbar verknüpft sind,[12] jedoch von einem Unternehmen losgelöst als selbstständige Wirtschaftsgüter übertragen werden können (z. ...

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