Leitsatz

1. Tragen Steuerpflichtige aufgrund einer Unterhaltsverpflichtung die Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge des Kindes, können sie diese als eigene Beiträge nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 EStG absetzen.

2. Die Unterhaltsverpflichtung der Eltern ist zwingende Tatbestandsvoraussetzung und daher positiv festzustellen.

3. Die Erstattung der eigenen Beiträge des Kindes ist nur im Wege des Barunterhalts möglich.

4. Die Steuerpflichtigen können auch die vom Arbeitgeber von der Ausbildungsvergütung des Kindes einbehaltenen Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge als Sonderausgaben geltend machen, soweit sie diese Beiträge dem unterhaltsberechtigten Kind erstattet haben.

 

Normenkette

§ 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 EStG, § 1610 Abs. 2, § 1612 BGB

 

Sachverhalt

Die Kläger sind Eltern des in ihrem Haushalt lebenden Kindes K, das sich im Streitjahr 2010 in einer Berufsausbildung befand. Im Rahmen des Ausbildungsdienstverhältnisses behielt der Arbeitgeber des K Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträ­ge von der Ausbildungsvergütung ein. Zunächst machte K selbst diese Beiträge als Sonderausgaben geltend. Diese wirkten sich jedoch aufgrund der geringen Höhe seiner Einkünfte einkommensteuerlich nicht aus. Daraufhin meinten seine Eltern, dieselben Versicherungsbeiträge im Rahmen ihrer ESt-Festsetzung als eigene Beiträge berücksichtigen zu können. FA und FG sahen dies anders (FG Köln, Urteil vom 13.5.2015, 15 K 1965/12, Haufe-Index 8633269, EFG 2015, 1916).

 

Entscheidung

Die Revision war unbegründet. Die Entscheidung des FG war im Ergebnis richtig. Da die Kläger ihrem Kind dessen Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge nicht erstattet hatten, waren sie wirtschaftlich nicht belastet. Die Beiträge konnten nicht als Sonderausgaben geltend gemacht werden.

 

Hinweis

1. Eltern können gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 EStGdie Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge ihres Kindes, für das sie einen Anspruch auf einen Kinderfreibetrag (§ 32 Abs. 6 EStG) oder auf Kindergeld haben, als "eigene" Beiträge als Sonderausgaben abziehen. Voraussetzung ist zum einen, dass die Eltern zum Unterhalt verpflichtet sind. Zum anderen ist es erforderlich, dass sie durch die Beitragszahlung tatsächlich und endgültig wirtschaftlich belastet sind.

2. Der Unterhaltsanspruch gemäß § 1610 Abs. 2 BGB i.V.m. § 1601 BGB umfasst den gesamten Lebensbedarf des Kindes einschließlich Aufwendungen für eine angemessene Kranken- wie eine Pflegeversicherung. Bei den Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung handelt es sich um einen gegenwärtigen Bedarf, da die Versicherungen ein jederzeit bestehendes Risiko absichern. Allerdings müssen die Versicherungsbeiträge tatsächlich auch angefallen sein, was z.B. bei einer Familienmitversicherung nach § 10 SGB V nicht der Fall ist.

Befindet sich das Kind in der Ausbildung und fallen dadurch bei ihm eigene Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge an, haben die Eltern diese im Rahmen ihrer Unterhaltsverpflichtung zu tragen. Dies gilt nicht, wenn der Bedarf des Kindes von der Ausbildungsvergütung abgedeckt wird, es also nicht (mehr) unterhaltsbedürftig ist. Im Rahmen der Prüfung der Unterhaltsbedürftigkeit ist die Ausbildungsvergütung als Einkommen zu berücksichtigen und deswegen – nach Abzug berufsbedingter Mehraufwendungen – in voller Höhe bedarfsmindernd anzurechnen.

3. Die Beiträge des Kindes i.S.d. § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 EStG werden nur dann von den Eltern getragen, wenn sie von diesen für das Kind im VZ auch tatsächlich gezahlt oder dem Kind erstattet worden sind. Es reicht nicht aus, dass Naturalunterhalt geleistet wurde. Zwar bestimmen im Fall der unverheirateten Kinder grundsätzlich die Eltern, wie ­sie den Unterhalt gewähren. Das bedeutet jedoch nicht, dass die Gewährung von Naturalunterhalt auch die Beiträge zu eigenen Kranken- und Pflegeversicherungen des Kindes umfasst.

Die von den Steuerpflichtigen "getragenen eigenen Beiträge" des Kindes müssen in Form von Barunterhalt erbracht werden, da es ansonsten an der vom Wortsinn her notwendigen Unterstützung des Kindes fehlt. Nur die Kostenübernahme durch eine Zahlung der Eltern entspricht zudem der systematischen Stellung des § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 EStG, der eine Ausnahmevorschrift im Bereich des Sonderausgabenabzugs darstellt. Drittaufwand ist nämlich beim Abzug von Versicherungsbeiträgen als Sonderausgaben grundsätzlich nicht berücksichtigungsfähig. Wenn aber Eltern die Beiträge des Kindes, die sie rechtlich nicht schulden, nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 EStG als Sonderausgaben geltend machen können, sodass ausnahmsweise Drittaufwand im Rahmen des Sonderausgabenabzugs berücksichtigt werden kann, muss sichergestellt sein, dass sie hierdurch wirklich belastetsind.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 13.3.2018 – X R 25/15

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